Romkerhall
Geschichte der Königlich- Hannoveranischen- Kammergut- Staatsdomäne Romkerhall
Landesverfassungsgesetz

für das

Königreich Hannover.


vom 6. August 1840

mit den

durch das Gesetz vom 5. September 1848 verkündeten Änderungen




Wir Ernst August, von Gottes Gnaden König von Hannover, königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg &c.

bringen hierdurch zur öffentlichen Kunde, daß, nachdem Wir mit Unserer getreuen allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs auf deren Wunsch nach vorgängiger freien Berathung mit derselben, eine Verfassungs-Urkunde für Unser Königreich unterm 1. d. M. errichtet haben, Wir nunmehr in vollem Einverständnisse mit Unsern getreuen Ständen die nachfolgenden Bestimmungen als das Landes-Verfassungs-Gesetz für Unser Königreich hiermit festsetzen und anordnen:


Erstes Kapitel.
Von dem Königreiche, dem Könige, der Thronfolge und Regentschaft.



§. 1. (d. L. V. G.)
Das Königreich Hannover bildet einen unter demselben Verfassungs-Gesetze vereinigten, untheilbaren Staat.
Kein Bestandtheil desselben kann ohne Zustimmung der allgemeinen Stände-Versammlung veräußert werden. Friedensschlüsse und Berichtigungen der Landesgrenzen begründen hievon eine Ausnahme.

§. 2. (d. L. V. G.)
Das Königreich Hannover macht einen Theil des deutschen Bundes aus und theilt als solcher alle aus der Bundes-Verfassung entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten. Diese können durch die innere Landes-Verfassung nicht abgeändert werden.
Alle Beschlüsse der deutschen Bundes-Versaminlung haben, sobald sie vom Könige verkündigt sind, verbindliche Kraft für das Königreich.
Die Mittel zur Erfüllung der hiedurch begründeten Verbindlichkeiten werden, unter verfassungsmäßiger Mitwirkung der allgemeinen Stände, in so weit es deren bedarf, bestimmt.

§. 3. (d. L. V. G.)
Die Regierungsform des Königreichs ist die erblich-monarchische.

§. 4. (d. L. V. G.)
Es besteht im Königreiche eine landständische Verfassung.

§. 5. (d. L. V. G.)
Der König vereinigt als Souverain die gesamte Staatsgewalt ungetheilt in Sich, und wird durch die landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden.

§. 6. (d. L. V. G.)
Im Innern des Staates geht alle Regierungsgewalt allein von dem Könige aus.
Die Behörden, sie mögen vom Könige unmittelbar bestellt sein oder nicht, üben dieselbe nur kraft der ihnen von Ihm verliehenen Gewalt aus, und verwalten sie unter Seiner Oberaufsicht.

§. 7. (d. L. V. G.)
Kein Landesgesetz hat vor der, vom Könige vorgenommenen Verkündigung Gültigkeit.

(Eingang des Gesetzes vom 5. September 1848.)

Ernst August, von Gottes Gnaden König von Hannover, Königlicher Prinz von Großbrittanien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg &c.

Wir erlassen hiermit, unter Zustimmung der getreuen allgemeinen Stände des Königreiches, unter Bezugnahme auf das Gesetz vom 10. April d. J., die Aufhebung des §. 180 des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend, das folgende Gesetz:

§. 1. (d. G. v. 5. Sept.)
Die bewaffnete Macht und deren Einrichtung, wie auch alle in Beziehung auf dieselbe vorzunehmenden Anstellungen, zu machenden Anordnungen und zu erlassenden Befehle hängen allein vom Könige ab.
S. §. 102 dieses Gesetzes.

§. 9. (d. L. V. G.)
Der König ist die Quelle aller Gerichtsbarkeit.
Dieselbe wird auf verfassungsmäßige Weise von den ordentlichen Gerichten des Landes, unter Oberaufsicht des Königs, ausgeübt.
Der König kann den geraden Lauf der Rechtspflege nicht hemmen.
In ganz außerordentlichen Fällen kann Er nach Anhörung des Staatsrathes Moratorien ertheilen.
Der König kann Straferkenntnisse nicht schärfen; aber Er hat das Recht, erkannte Strafen im Wege der Gnade gänzlich aufzuheben oder zu mildern, auch das Strafverfahren wider einen Angeschuldigten einzustellen oder völlig niederzuschlagen.

§. 10. (d. L. V. G.)
Der König hat allein das Recht, Titel, Rang, Würden und Ehrenzeichen zu verleihen und Standeserhöhungen vorzunehmen. Ausnahmen hievon können nur vermöge erworbenen Rechts stattfinden.

§. 11. (d. L. V. G.)
Der König vertritt das Königreich in allen Verhältnissen zu dem deutschen Bunde, den einzelnen Bundes-Staaten und den auswärtigen Staaten.
Nur Er ordnet die Gesandtschaften an, schliesß Verträge mit anderen Staaten ab und erwirbt dadurch nicht nur Rechte dem Königreiche, sondern verpflichtet auch dadurch dasselbe zur Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeiten.
Erfordert die Ausführung der Verträge die Bewilligung von Geldmitteln aus der Landescasse, oder sollen die Verträge eine Abänderung bestehender Landesgesetze hervorbringen, so bedarf es hiezu der verfassungsmäßigen Mitwirkung der Stände.

§. 12. (d. L. V. G.)
Das Recht der Thronfolge in dem untheilbaren Königreiche gebührt dem Mannsstamme aus rechtmäßiger, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe.
Die Ordnung der Thronfolge wird durch die reine Linealfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bestimmt.
Erlischt der Mannsstamm der gegenwärtigen königlichen Linie, so geht die Thronfolge auf den Mannsstamm der jetzigen Braunschweig-Wolfenbüttelschen Linie, und nach dessen Erlöschen, auf die weibliche Linie ohne Unterschied des Geschlechtes, über, und zwar dergestalt, daß die Nähe der Verwandtschaft mit dem zuletzt regierenden Könige und, bei gleichem Verwandtschafts-Grade, das Alter der Linie, in der Linie aber das natürliche Alter den Vorzug verschafft.
Bei der Nachkommenschaft des neuen regierenden Königlichen Hauses tritt der Vorzug des Mannsstammes mit dem Erstgeburts-Rechte und der reinen Linealfolge wieder ein.

§. 13. (d. L. V. G.)
Der König ist volljährig mit dem zurückgelegten achtzehnten Jahre.

§. 2. (d. G. v. 5. Sept.)
Nach Erledigung des Thrones tritt der Thronfolger die Regierung des Königreichs mittelst eines Patents an, durch welches er bei seinem Königlichen Worte die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfassung verspricht.
Nach Veröffentlichung dieses Patents bestimmt der König gleichmäßig für das ganze Land, zu welcher Zeit und auf welche Weise ihm die Unterthanen die Huldigung leisten sollen.
Die Urschrift des mit der Unterschrift des Königs und dem Regierungssiegel versehenen Patens soll in dem Archive der allgemeinen Ständeversammlung niedergelegt werden.

§. 15. (d. L. V. G.)
Der Sitz der Landes-Regierung kann außerhalb des Königreichs nicht verlegt werden, falls nicht die Umstände dieses dringend erfordern.

§. 16. (d. L. V. G.)
Bei längerer Abwesenheit des Königs aus dem Königreiche hat derselbe das Recht, eine Stellvertretung anzuordnen und deren Befugnisse zu bestimmen.
Vom Könige hängt es ab, ob Er die Stellvertretung einem Minister-Rathe, oder einer Person anvertrauen will.
Im letzteren Falle gelten hinsichtlich der persönlichen Erfordernisse des Stellvertreters die Bestimmungen des zweiten Absatzes des § 18.
Der König kann dem Stellvertreter keine ausgedehnteren Rechte übertragen, als einem Regenten in Gemäßheit der nachfolgenden Vorschriften zustehen.

§. 17. (d. L. V. G.)
Eine Regentschaft (Regierungsverwesung) tritt ein, wenn der König in minderjährig ist, oder in einem solchen geistigen Zustande sich befindet, welcher Ihn zu Führung der Regierung unfähig macht.

§. 18. (d. L. V. G.)
Der König ist zu Anordnung einer Regentschaft für den Thronfolger auf den Fall berechtigt, daß dieser beim Anfalle der Thronfolge in einem der beiden, im § 17 angeführten Fälle sich befinden sollte.
Der König hat zum Regenten einen Seiner regierungsfähigen Agnaten zu ernennen; findet sich aber ein solcher nicht, oder sollte der König Gründe haben, von dem, Seinen Agnaten zustehenden Vorzuge abzuweichen, so kann Er einen nicht regierenden Prinzen aus den, zum deutschen Bunde gehörenden souverainen Fürstenhäusern, welcher das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, zum Regenten ernennen.

§. 19. (d. L. V. G.)
Hat der König eine solche Anordnung für den Thronfolger nicht getroffen, so gebührt die Regentschaft in dem Falle, daß dieser beim Anfalle der Krone minderjährig ist, dem in der Ordnung der Thronfolge zunächst stehenden Agnaten, welcher das achtzehnte Jahr vollendet hat, auch sonst regierungsfähig ist.
Ist kein regierungsfähiger Agnat vorhanden, so geht die Regentschaft über auf die Königin, Gemahlin des Königs, so fern diese das fünf und zwanzigste Jahr vollendet hat, nach dieser, auf die leibliche Mutter und endlich auf die Großmutter väterlicher Seite.
Ist die Thronfolge auf die weibliche Linie übergegangen, so gebührt die Regentschaft für die dazu nach Erlöschung des Mannsstammes zuerst berufene Königin dem Gemahle derselben, falls dieser das ein und zwanzigste Jahr vollendet hat, sodann Ihrer leiblichen Mutter und endlich ihrer Grossmutter väterlicher Seite.
Zu der Regentschaft für den Sohn oder die Tochter einer regierenden Königin (Erbtochter), ist zunächst die Gemahlin oder der Gemahl nach den obigen Bestimmungen, und nach diesen, die Grossmutter mütterlicher Seite berechtigt.
Durch anderweite Vermählung oder Ehescheidung werden die weiblichen Ascendentinnen von der Regentschaft ausgeschlossen.

§. 20. (d. L. V. G.)
Wenn der König, in Ermangelung einer vorher von Dessen Vorgänger gemachten Anordnung, (§. 18.), nicht wegen Minderjährigkeit, sondern wegen Seines geistigen Zustandes zu Führung der Regierung für unfähig gehalten wird, so haben die vereinigten Minister binnen drei Monaten alle volljährigen Agnaten zu einer Zusammenkunft zu berufen, um einen Beschluß darüber zu fassen, ob eine Regentschaft wirklich nothwendig sei.
Der in der Ordnung der Thronfolge zuerst zur Regentschaft berufene Agnat nimmt an der Versammlung keinen Anteil.
Halten die Agnaten die Anordnung einer Regentschaft für nothwendig, so theilen die vereinigten Minister diesen Beschluß den allgemeinen Ständen zum Zweck ihrer Zustimmung mit. Sobald diese erfolgt, oder eine Frist von 4 Wochen nach der Mittheilung ohne eine Erwiederung abgelaufen ist, tritt der in der Ordnung der Thronfolge zunächst stehende Agnat, welcher das achtzehnte Jahr vollendet hat und sonst regierungsfähig ist, als Regent ein.

§. 21. (d. L. V. G.)
Ist ein solcher nicht vorhanden, so ist von den vereinigten Ministern und den allgemeinen Ständen die deutsche Bundes-Versammlung um Benennung dreier Bundesfürsten zu ersuchen, welche einen Prinzen aus den zum deutschen Bunde gehörenden souverainen Fürstenhäusern zum Regenten ernennen. Dieser muß das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben und seinen Aufenthalt im Königreiche nehmen.
Die Vorschriften dieses §. gelten auch für den Fall, wenn der Thronfolger minderjährig, eine Anordnung seines Vorgängers nicht getroffen und ein zur Regentschaft berechtigtes Mitglied des Königlichen Hauses (§ 19) nicht vorhanden ist.

§. 22. (d. L. V. G.)
Der bestellte Regent leistet bei Übernahme der Regentschaft einen Eid auf die unverbrüchliche Aufrechthaltung der Landes-Verfassung. Sämtliche Minister, der Erblandmarschall, die Präsidenten und Vize-Präsidenten der allgemeinen Stände-Versammlung sollen geladen werden, dieser Feierlichkeit beizuwohnen. Nach der Eidesleistung bringt der Regent den Antritt der Regentschaft durch ein Patent zur allgemeinen Kenntnis.

§. 23. (d. L. V. G.)
Der Regent übt im Namen des Königs, die Staatsgewalt, auf dieselbe Weise wie der König, aus.
Der Regent darf jedoch eine Schmälerung der Rechte des Königs, so wie eine Änderung in dem Grund-Systeme und in den verfassungsmäßigen Rechten der allgemeinen Stände-Versammlung und der Provinzial-Stände überall nicht vornehmen oder gestatten.
Auch darf der Regent keine Standes-Erhöhungen vornehmen.

§. 24. (d. L. V. G.)
Die Regentschaft hört auf, wenn der König das Alter der Volljährigkeit erreicht, oder der, an der Ausübung der Regierung Ihn hindernde geistige Zustand aufgehört hat. Über die letztere Frage ist auf dem im §. 20 angegebenen Wege zu entscheiden. Der Regent nimmt an den Versammlungen der Agnaten keinen Antheil. Er darf das Verfahren der vereinigten Minister nicht hindern.

§. 25. (d. L. V. G.)
Die Erziehung des minderjährigen Königs gebührt, wenn der vorige König deshalb keine Anordnung getroffen hat, der Mutter und nach ihr der Grossmutter väterlicher Seite, falls diese sich nicht wieder vermählt haben; in Ermangelung dieser aber dem bestellten Regenten, jedoch mit Beirath der vereinigten Minister.
Der Regent steht den zur Erziehung des minderjährigen Königs berechtigten Personen zur Seite und ihm gebührt die Entscheidung, wenn deren Ansichten über die Wahl der Erzieher oder über den Erziehungsplan von den seinigen abweichen.
Die Aufsicht über die Person des durch Geisteskrankheit an der Ausübung der Regierung verhinderten Königs und die Sorge für Denselben darf der Regent nicht übernehmen.

§. 26. (d. L. V. G.)
Der König als Oberhaupt der Familie hat das Recht, durch Hausgesetze die inneren Verhältnisse des Königlichen Hauses zu bestimmen. Indess dürfen dadurch die Rechte der Regierungs-Nachfolger nicht gekränkt werden.
Die Hausgesetze bedürfen der Zustimmung der allgemeinen Stände nicht. Durch dieselben können jedoch die Vorschriften der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde nicht abgeändert werden.



Zweites Capitel.
Von den Rechten und Verbindlichkeiten der Unterthanen im allgemeinen.

§. 3. (d. G. v. 5. Sept)
Es soll Freiheit der Presse unter Beobachtung der Gesetze Statt finden.

§. 4. (d. G. v. 5. Sept)
Es soll freies Vereinigungs- und Versammlungsrecht unter Beobachtung der Gesetze Statt finden.

§. 27. (d. L. V. G.)
Die Eigenschaft eines Landes-Unterthans wird nach Gesetz und Herkommen erworben und dauert so lange fort, bis sie auf rechtsbeständige Weise verloren geht.
Nur die Landes-Unterthanschaft befähigt zu dem vollen Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte.
Straferkenntnisse können nicht nur Beschränkungen, sondern auch selbst den Verlust gedachter Rechte nach sich ziehen.
Wer nur vorübergehend im Königreiche sich aufhält, ohne in den Landes-Unterthanen-Verband getreten zu sein, ist für die Dauer seines Aufenthaltes, in so fern nicht rechtsgültige Ausnahmen bestehen, den Landesgesetzen unterworfen und steht unter deren Schutze.

§. 28. (d. L. V. G.)
Die Freiheit der Personen und des Eigenthums ist keiner andern Einschränkung unterworfen, als welche Gesetze und Recht bestimmen.

§. 29. (d. L. V. G.)
Eine allgemeine Confiscation des Vermögens ist unstatthaft.

§. 30. (d. L. V. G.)
Niemand darf verhaftet werden, als in den durch Recht und Gesetz bestimmten Fällen.
Der Verhaftete muß binnen vierundzwanzig Stunden vernommen und ihm von der Ursache seiner Verhaftung im Allgemeinen Kenntniß gegeben werden.

§. 5. (d. G. v. 5. Sept.)
Sowohl in Zivil- als auch in Criminalsachen darf Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in den im Prozeßgange begründeten oder von den Gesetzen im Voraus bestimmten Fällen.

§. 6. (d. G. v. 5. Sept.)
Jeder Landeseinwohner geniesst völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit und ist zu Religionsübungen mit den Seinigen in seinem Hause berechtigt.
Die Ausübungen der politischen und bürgerlichen Rechte ist von dem Glaubensbekenntnisse unabhängig; jedoch kann durch Berufung auf Glaubenssätze sich Niemand seinen staatsbürgerlichen Pflichten entziehen. Die Befugniß der Geistlichen, Amtshandlungen mit bürgerlicher Wirksamkeit zu verrichten, setzt eine Ermächtigung von Seiten der Staatsbehörde voraus.

§. 7. (d. G. v. 5. Sept.)
Alle Vorzüge der Geburt, unbeschadet der Privatrechte, werden aufgehoben.

§. 33. (d. L. V. G.)
Alle Landes-Unterthanen sind zum Kriegsdienste gleichmäßig verpflichtet, und es sollen keine andere Befreiungen stattfinden, als welche in den Gesetzen bestimmt sind.

§. 8. (d. G. v. 5. Sept.)
Alle Landesunterthanen sind nach gleichmäßigen Grundsätzen zur Tragung der allgemeinen Staatslasten verbunden.
Alle Real- und Personalbefreiungen von allgemeinen Staatslasten fallen ohne Entschädigung hinweg. Ausgenommen sind die Befreiungen der Mitglieder der Königlichen Famillie und der Königlichen Schlösser und Gärten, ferner der Standesherren, so wie der standesherrlichen Schlösser und Gärten, so weit solche Ausnahme gegenwärtig besteht und in der Verfassung Deutschlands begründet ist.

§. 35. (d. L. V. G.)
Niemand kann, abgesehen von privatrechtlichen Verbindlichkeiten, gezwungen werden, sein Eigenthum oder andere Rechte und Gerechtigkeiten zu Staats- oder anderen öffentlichen Zwecken abzutreten, es sei denn gegen vorhergehende vollständige Entschädigung, und daß ein Gesetz die Abtretung vorschreibt, oder eine dringende Nothwendigkeit dieselbe gebietet.
Ist die Abtretung durch ein Gesetz vorgeschrieben, so muß nicht nur die Frage, ob jene Abtretung geschehen soll, sondern auch über den Betrag der Entschädigung lediglich nach Vorschrift der Gesetze und zwar von den nach diesen zuständigen Behörden entschieden werden.
Besteht dagegen über die Abtretung kein ausreichendes Gesetz, so hat die obere Verwaltungsbehörde sowohl über die Frage der Abtretung, als über die Grösse der Entschädigung nach vorgängiger Vernehmung der Betheiligten zu entscheiden. Gegen diese Entscheidung ist den Betheiligten der Recurs an das Ministerium des Innern und gegen die Entscheidung des Letztern eine Beschwerde an den König gestattet, welcher darüber vor Abgabe Seiner Verfügung das Gutachten des Staatsraths erfordern wird. Der Recurs gleichwie die Beschwerde muß binnen 30 Tagen, von der Mittheilung oder Eröffnung der früheren Entscheidung an gerechnet, eingebracht und gerechtfertigt werden. Bezieht sich jedoch der Widerspruch des Betheiligten auf die Größe der Entschädigung und will er sich in dieser Hinsicht bei der, von der obern Verwaltungsbehörde abgegebenen Entscheidung nicht beruhigen, so steht es ihm frei, diese Sache im ordentlichen Rechtswege zur Erledigung zu bringen. Die Abtretung selbst darf durch den Rechtsstreit über die Grösse der Entschädigung nicht verzögert werden; es kann aber der zur Entschädigung Berechtigte auch in diesem Falle vor der Abtretung die Auszahlung der von der Verwaltungsbehörde ausgemittelten Entschädigung verlangen.
Ist unwiederbringlicher Nachteil mit dem Verzuge verbunden, so entscheidet die höchste zur Stelle befindliche Verwaltungsbehörde über die Abtretung. In diesem Falle hält der Recurs das Verfahren nicht auf, und folgt die Entschädigung - rücksichtlich deren übrigens die obigen Grundsätze gelten - in möglichst kurzer Frist nach.

§. 9. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Gerichtsverfassung soll nach den Grundsätzen der Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung,
der Aufhebung des bevorzugten Gerichtsstandes,
der Mündlichkeit und Öffentlichkeit in bürgerlichen und peinlichen Sachen,
der Einführung von Schwurgerichten in letzteren gesetzlich geregelt werden.

§. 37. (d. L. V. G.)
Hinsichtlich der Trennung der gesamten Criminal-Gerichtsbarkeit von allen Patrimonial-Gerichten der Geistlichkeit und Gutsbesitzer, behält es bei der Bestimmung des §. 23 des Gesetzes vom 13. März 1821 sein Bewenden.

§. 38. (d. L. V. G.)
Werden Ansprüche aus einem Privatrechte gegen den Fiscus oder von demselben geltend gemacht, so gehört die Verhandlung und Entscheidung der hieraus entstehenden Rechtsstreitigkeiten zur Competenz der ordentlichen Gerichte und zwar, soweit dies nach den bisherigen Gesetzen noch nicht der Fall gewesen, rücksichtlich der, nach dem Tage der Publication dieser Verfassungs-Urkunde entstehenden Forderungen.
Daher sollen auch die, als Cammer-Meierangelegenheiten durch die Göhrder Constitution vom 19. October 1719 der gerichtlichen Cognition entzogenen Abmeierungssachen und Streitigkeiten über den modum servitiorum den ordentlichen Gerichten durch ein unverzüglich zu erlassendes Gesetz wieder überwiesen werden.
Die Vollziehung der gerichtlichen Erkenntnisse findet gegen die in denselben bezeichnete Behörde oder Casse statt.

§. 39. (d. L. V. G.)
Glaubt Jemand durch einen Staatsvertrag oder durch die Gesetzgebung in seinen wohlerworbenen Rechten sich verletzt, so kann er deshalb einen Rechtsanspruch weder wider die Krone, noch wider eine Verwaltungsbehörde bei den Gerichten des Landes geltend machen.

§. 10. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Gerichte sind befugt, über die Grenzen ihrer Zuständigkeit selbst zu entscheiden.
Verwaltungsmaßregeln, welche von den Verwaltungsbehörden innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit vorgenommen worden sind, können von Gerichten nicht aufgehoben werden.
Verwaltungsmaßregeln, welche von den Verwaltungsbehörden außerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit vorgenommen sind, können auf Antrag des dadurch in seinen Rechten Verletzten durch die Gerichte aufgehoben werden. Daneben kann von denselben geeigneten Falls auf Schadensersatz erkannt werden. Bei Entscheidung über die Zuständigkeit soll für die Berufung an die Obergerichte eine Appellationssumme nicht erforderlich sein.

§. 41. (d. L. V. G.)
Die Ablösbarkeit der grund- und gutsherrlichen Rechte und die Grundsätze über die dafür zu leistende Entschädigung, wie solche durch die Ablösungsgesetze vom 10. November 1831 und 23. Julius 1833 bestimmt worden, bleiben als ein verfassungsmässiges Recht sowohl der Berechtigten als der Verpflichteten in Kraft. Eine Abänderung der Bestimmungen über die Ablösung der Erbpachten in Ostfriesland im gesetzlichen Wege, bleibt jedoch vorbehalten.

§. 42. (d. L. V. G.)
Jeder Landesunterthan hat das Recht, in angemessener Form und unter Beobachtung der darüber erlassenen oder noch zu erlassenden Vorschriften, Gesuche oder Bitten an den König, an die allgemeine Ständeversammlung (cf. §. 76 d. G. v. 5. Sept.) an die Provinzial-Landschaften und an die Landesbehörden zu bringen.
Auch kann Jeder in seinen Angelegenheiten über gesetz- und ordnungswidriges Verfahren einer Behörde, oder über Verzögerung einer Entscheidung bei der unmittelbar vorgesetzten Behörde Beschwerde führen und dieselbe bis zur höchsten Behörde verfolgen.

§. 43. (d. L. V. G.)
Jedem Landeseinwohner steht das Recht zu, unter Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen auszuwandern.

§. 44. (d. L. V. G.)
Die besonderen Rechte der Standesherren, namentlich des Herzogs von Arenberg, des Herzogs von Looz-Corswaaren, des Fürsten von Bentheim, der Grafen zu Stolberg-Wernigerode und Stolberg-Stolberg sind durch Verordnungen und Königliche Zusicherungen festgestellt.


Drittes Capitel.
Von den Gemeinden und Körperschaften.


§. 12. (d. G. v. 5. Sept.)
Jeder Landes-Einwohner, jedes Grundstück und jedes Haus muss in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse einer Gemeinde angehören.
Solche größere Dominal-, Kloster- und sonstige Güter, welche sich mit einer einzelnen Gemeinde zweckmäßig nicht verbinden lassen, können, sofern von den Betheiligten ein übereinstimmender Vertrag darauf gestellt wird, durch die obern Verwaltungsbehörden von dieser Bestimmung ausgenommen werden, sind aber jedenfalls einem Verbande mehrerer Gemeinden beizulegen, falls ein solcher vorhanden ist, oder zweckmäßig gebildet werden kann.
Gleiches gilt von größeren unbebauten Grundbesitzungen.
Das Stimmverhältniß der Mitglieder der Gemeinden soll durch die Gesetzgebung festgestellt werden.

§. 46. (d. L. V. G.)
Die infolge polizeilicher Einrichtungen erforderlichen Ausgaben und Leistungen sind sowohl die Gemeinden, als auch die für sich bestehenden Domainen und Güter und unbebaueten Grundbesitzungen zu tragen verpflichtet, so weit solche nicht Dritten, vermöge Gesetzes, Herkommens oder Vertrages obliegen.

§. 13. (d. G. v. 5. Sept.)
Jedes Mitglied einer Gemeinde, so wie jedes zu solcher gehörige Haus oder Grundstück muß zu den aus den öffentlichen Verhältnissen der Gemeinde entspringenden Lasten verhältnismäßig beitragen.
Wenn ein Anschluss von Domainen, Gütern, Häusern oder sonstigen Besitzungen an eine Gemeinde oder an einen Gemeindeverband Statt findet, so können gegenseitig ohne vorgängige Vereinbarung unter den Betheiligten über Ausgleichung oder Entschädigung, keine Lasten übertragen werden, welche lediglich zur Erfüllung früherer, aus der Zeit vor der Vereinigung herrührenden Verbindlichkeiten dienen und deren Vortheile den neu eintretenden Mitgliedern nicht zu Statten kommen. Kommt jedoch unter den Betheiligten über diese Ausgleichung oder Entschädigung keine Vereinbarung zu Stande, so erfolgt schiedsrichterliche Entscheidung. Dagegen haben die Hinzutretenden zu den übrigen Lasten der Gemeinde, so weit diese aus deren öffentlichen Verhältnissen entspringen, verhältnißmäßig beizutragen.

§. 48. (d. L. V. G.)
In den privatrechtlichen Verhältnissen der einzelnen Gemeinde-Verbande bereits gehörenden, oder in denselben künftig aufzunehmenden Mitglieder, Güter und Grundstücke wird an sich durch die Bestimmungen der vorstehenden Paragraphen nichts verändert.

§. 14. (d. G. v. 5. Sept.)
Alle Real- und Personal-Befreiungen von Gemeindelasten fallen ohne Entschädigung hinweg, mit Ausnahme der Befreiungen der Mitglieder der Königlichen Familie und der Königlichen Schlösser und Gärten,
ferner der Standesherren, so wie der standesherrlichen Schlösser und Gärten, so weit solche Ausnahme gegenwärtig besteht und in der Verfassung Deutschlands begründet ist. Was jedoch für den Erwerb einer solchen Befreiung erweislich der Gemeinde gezahlt oder sonst geleistet worden ist, muß von derselben erstattet werden, sofern die Leistung nicht die Natur einer fortdauernden Rente hatte. Wo letzteres der Fall ist, hört mit der Befreiung auch die dafür übernommene Gegenleistung auf.

§. 15. (d. G. v. 5. Sept.)
Haben die Befreiten oder Hinzugetretenen gewisse Lasten zu Gunsten der Gemeinde getragen oder die Pflichtigen in Rücksicht auf die von ihnen getragene Last den Genuß von Vortheilen gehabt, so soll eine Ausgleichung der Lasten und Vortheile eintreten.

§. 52. (d. L. V. G.)
Denjenigen, welche durch den Anschluss an eine Gemeinde oder durch Aufhebung von Exemtionen in die Lasten der Gemeinde mit eintreten, soll ein ihrer Concurrenz zu diesen Lasten, ihrem Interesse an den Gemeinde-Angelegenheiten und ihren Verhältnissen zu anderen Mitgliedern der Gemeinde entsprechendes Stimmrecht beigelegt werden. Auch sollen die Besitzer ganzer Güter befugt sein, solches durch Bevollmächtigte auszuüben.
Die etwaige Befugniß anderer Gemeindemitglieder, insbesondere der Besitzer der oben erwähnten Güter in ihrer Eigenschaft als Besitzer pflichtiger Besitzungen, das Stimmrecht in der Gemeinde durch Bevollmächtigte ausüben zu lassen, wird durch die vorstehenden Bestimmungen nicht verändert.

§. 53. (d. L. V. G.)
Keine Gemeinde kann mit Ausgaben oder Leistungen beschwert werden, wozu sie nicht durch Recht oder Gesetz verbunden ist.
Dasselbe gilt von mehreren in einem Verbande stehenden Gemeinden.

§. 54. (d. L. V. G.)
Zur Bildung einer Gemeinde, wie überhaupt einer jeden Corporation, wenn diese auch nicht von der Regierung ausgeht, gehört die Genehmigung der zuständigen obern Verwaltungsbehörde. Ohne diese kann auch eine bestehende Gemeinde ihren Gemeinde-Verband weder durch Aufnahme anderer Gemeinden erweitern, noch durch Bildung neuer Gemeinden verändern, noch ihre Gemeindeverfassung eigenmächtig abändern.

§. 55. (d. L. V. G.)
Die Zulassung neuer Mitglieder in eine Gemeinde kann gegen den Willen der Letzteren nur aus einem in den bestehenden oder noch zu erlassenden Gesetzen bestimmten Grunde stattfinden.
Bei Besetzung von An- und Abbauern, welche der Gemeinde bereits angehören, in welcher sie bauen wollen, ist die Gemeinde jedesmal mit ihren etwaigen Einwendungen zu hören.

§. 17. (d. G. v. 5. Sept.)
Den Gemeinden und den Verbänden mehrerer Gemeinden steht das Recht zu, ihr Vermögen selbst zu verwalten.
Die Oberaufsicht der Verwaltungsbehörde über diese Vermögensverwaltung, so wie über die Vertheilung und Verwendung der Gemeindeabgaben und Leistungen darf sich nicht weiter erstrecken, als dahin, daß das Vermögen erhalten und bei Anordnung und Vertheilung der Gemeindeabgaben angemessene, auch die Rechte der übrigen Landes-Einwohner und das allgemeine Wohl nicht verletzende Grundsätze befolgt werden.
Auch steht der Verwaltungsbehörde die Entscheidung von Beschwerden zu, welche gegen die Gemeindeverwaltung erhoben werden.
Die Einführung neuer und die Abänderung bestehender Beitragsverhältnisse in Beziehung auf Abgaben und Leistungen der Gemeinden oder Gemeindeverbände kann, unter Beobachtung der darüber bestehenden Rechtsgrundsätze, durch Gemeindebeschluß, jedoch nur unter Bestätigung der obern Verwaltungsbehörden geschehen.
Die Oberaufsicht der Verwaltungsbehörden soll kostenfrei geschehen.

§. 57. (d. L. V. G.)
Die Verbindlichkeiten der Gemeinden, so wie überhaupt aller Corporationen verpflichten die Regierung nicht. Das Vermögen und Einkommen derselben und ihrer Anstalten darf nie als Staatsvermögen behandelt und nicht mit den Staats-Einnahmen vereinigt werden.

§. 18. (d. G. v. 5. Sept.)
Die städtischen Obrigkeiten und deren Mitglieder, wie auch die Beamten der Landgemeinden sind zur Verwaltung der Gemeindesachen, so wie zur Besorgung der ihnen durch Gesetz, Verfassung oder Herkommen oder von den höheren Behörden übertragenen Landesangelegenlieiten in ihrer Gemeinde verpflichtet. Die Fälle, wo ein Gemeindebeamter die Erfüllung dieser Verpflichtungen vermöge seiner Eigenschaft als Gemeindebeamter abzulehnen befugt ist, sollen in dem zu erlassenden Staatsdiener-Gesetze bestimmt werden.

§. 19. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Verfassung und Verwaltung der Städte und derjenigen Flecken, welche ihnen gleich  zu stellen sind, soll durch eine allgemeine Städteordnung geregelt werden.
Es soll dabei die Polizeiverwaltung den Magistraten, den Städten und den gedachten Flecken die freie Wahl ihrer Beamten überlassen, und das Erforderniß der Bestätigung nur aus gesetzlich zu bestimmenden Gründen soll verweigert werden dürfen.
Ferner soll das Oberaufsichtsrecht in städtischen Angelegenheiten beschränkt, und die Befugniß zur öffentlichen Verhandlung über dieselben eingeräumt werden.

§. 20. (d. G. v. 5. Sept.)
Den Landgemeinden steht, unter Oberaufsicht der Verwaltungsbehörden, die eigene Verwaltung ihres Vermögens ihres Vermögens, die Regelung der ihnen obliegenden Gemeindelasten. so wie eine Theilnahme an der Handhabung der Polizei, namentlich auch die Ausübung der Flur- und Feldpolizei zu.
Die Landgemeinden sind berechtigt, ihre Gemeindebeamten mit Vorbehalt obrigkeitlicher Bestätigung zu wählen, welche Bestätigung ohne - zu bestimmende - gesetzliche Gründe nicht zu versagen ist.
Größere hergebrachte Rechte der Landgemeinden sollen jedoch hierdurch nicht beinträchtigt werden.

§. 21. (d. G. v. 5. Sept.)
Sind Ausgaben von einem Verbande mehrerer Gemeinden aufzubringen, so sollen zur Prüfung der Ausgaben und zur Vertheilung derselben gewählte Mitglieder des Verbandes zugezogen werden. Diesen ist auch über die Verwendung Rechnung abzulegen.
Soweit solche Verbände als wirkliche Gemeinden sich darstellen, sollen denselben gleiche Befugnisse wie den einzelnen Gemeinden zustehen.


Viertes Kapitel.
Von den Kirchen, Unterrichts-Anstalten und milden Stiftungen.


§. 63. (d. L. V. G.)
Der evangelischen und römisch-katholischen Kirche werden freie öffentliche Religionsübung und ihre verfassungsmässigen Rechte zugesichert.

§. 64. (d. L. V. G.)
Dem Könige gebührt, kraft der ihm zustehenden Staatsgewalt, über beide Kirchen das Oberaufsichts- und Schutzrecht.

§. 65. (d. L. V. G.)
Die Anordnung der geistlichen Angelegenheiten bleibt, unter Oberaufsicht des Königs, der in der Verfassung einer jeden dieser Kirchen gegründeten Kirchengewalt überlassen.

§. 23. (d. G. v. 5. Sept.)
In der evangelischen Kirche werden die Rechte der Kirchengewalt vom Könige, so weit es die Kirchenverfassung mit sich bringt, unmittelbar, oder mittelbar durch die Consistorial- oder Presbyterialbehörden, welche aus evangelischen geistlichen und weltlichen Personen bestehen, unter Königlicher Oberausfsicht ausgeübt, vorbehältlich der den Gemeinden und Einzelnen dabei zustehenden Rechte.
Über die Abänderung in der bestehenden Kirchenfassung wird der König mit einer von ihm zu berufenden Versammlung von geistlichen und weltlichen Personen, welche theils von Ihm bestimmt, theils von den Geistlichen und Gemeinden auf die sodann durch Verordnung zu bestimmende Weise erwählt werden, berathen.
Einer solchen Berathung bedarf es auch dann, wenn vor Einrichtung von Synoden für das ganze Königreich oder einzelne Landestheile neue Kirchenordnungen erlassen oder in wesentlichen Grundsätzen derselben, und namentlich in der Liturgie Veränderungen vorgenommen werden sollen.
Den Kirchengemeinden soll eine allgemeinere Betheiligung bei der Anstellung ihrer Prediger eingeräumt werden, so weit solches von der allgemeinen Landesgesetzgebung abhängt.

§. 67. (d. L. V. G.)
Bekennt sich der König oder der Regent nicht zur evangelischen Kirche, so werden die Rechte der Kirchengewalt einstweilen von den vereinten evangelischen Staatsministern ausgeübt. Zur Sicherstellung des Rechtszustandes der evangelischen Kirche sollen sodann über die Art und Weise der Ausübung der Kirchengewalt die erforderlichen Anordnungen, mit Zustimmung der allgemeinen Stände-Versammlung getroffen werden.

§. 68. (d. L. V. G.)
In der römisch - katholischen Kirche gebührt den Bischöfen oder Administratoren der Diöcesen Hildesheim und Osnabrück die Ausübung der Kirchengewalt in Gemäßheit der Verfassung dieser Kirche.
Die im §. 64 namhaft gemachten Rechte der Staatsgewalt werden auch in Hinsicht der Verwaltung des Vermögens der einzelnen römisch-katholischen Kirchen und der kirchlichen und milden Stiftungen vom Könige unmittelbar, oder mittelbar durch die von Ihm dazu bestellten Behörden ausgeübt.

§. 69. (d. L. V. G.)
Alle allgemeinen Anordnungen der römisch-katholischen Kirchen-Behörden, welche nicht rein geistliche Gegenstände betreffen, können nur nach vorher erfolgter ausdrücklicher Königlicher Genehmigung verkündigt und vollzogen werden.
Betreffen jene Anordnungen reine Glaubens-, kirchliche Lehr- und Disciplinarsachen, so sind sie vor deren Bekanntmachung, behuf Ausübung des Oberaufsichtsrechts (§. 64), dem Könige zur Einsicht vorzulegen.

§. 70. (d. L. V. G.)
Die vom päpstlichen Stuhle oder von auswärtigen Kirchen-Versammlungen an die römisch-katholische Kirche im Königreiche, an ganze Kirchen-Gemeinden oder an einzelne Personen in denselben zu erlassenden Bullen, Breven, Rescripte, Beschlüsse oder sonstige Schreiben bedürfen vor ihrer Verkündigung oder Behändigung des Königlichen Placet, wenn sie nicht rein geistliche Gegenstände betreffen. Wenn dieselben rein geistliche Gegenstände betreffen, so sind sie, behuf Ausübung des Oberaufsichtsrechts (§. 64) dem Könige zur Einsicht vorzulegen.
Ausgenommen von den Bestimmungen dieses Paragraphen sind die Communikationen in Gewissenssachen einzelner Personen.

§. 71. (d. L. V. G.)
u.
§. 25. (d. G. v. 25. Sept.)
Beschwerden über Missbrauch der Kirchengewalt können zur Entscheidung auch bis an den König gebracht werden.
Sind diese Beschwerden von der Beschaffenheit, daß sie verfassungsmässig an die Kirchen-Obern gelangen können, so sind sie zunächst an diese, und erst alsdann, wenn hier keine Abhülfe erfolgt, an die weltliche Regierungsbehörde und zuletzt an den König zu bringen.

§. 72. (d. L. V. G.)
u.
§. 26. (d. G. v. 5. Sept.)
Die nicht unmittelbar vom Könige oder Dessen Behörden, sondern von Dritten ernannten oder präsentierten Prediger oder Pfarrer und anderen höheren Kirchendiener der evangelischen und römisch-katholischen Kirche bedürfen der Bestätigung des Königs oder der dazu von Ihm bestimmten Behörden, welche jedoch, ohne erhebliche Gründe nicht verweigert werden wird.
Die Gründe sollen jederzeit mitgeteilt werden.
Über die canonischen Eigenschaften des zu Bestätigenden entscheidet die geistliche Behörde allein.
Vor erfolgter Bestätigung hat der Ernannte oder Präsentierte kein Recht auf die Ausübung der Amtsgeschäfte und auf den Genuss der Amtseinkünfte. Die einstweilige Besorgung der Geschäfte eines erledigten Kirchenamts hat die geistliche Behörde allein anzuordnen, vorbehältlich der auch bei einstweiligen Anstellungen von Geistlichen der Regierung zustehenden Bestätigung.

§. 73. (d. L. V. G.)
Der König gewährt durch Seine Behörden sämmtlichen Kirchendienern jede zur ordnungsmäßigen Ausübung ihrer Amtsgeschäfte erforderliche gesetzliche Unterstützung und schützt sie in der ihnen zukommenden Amtswürde.
Sämmtliche Kirchendiener sind in Hinsicht ihrer bürgerlichen Verhältnisse und Handlungen, wie auch ihres Vermögens den Gesetzen des Landes unterworfen.

§. 74. (d. L. V. G.)
Die Entlassung der Kirchendiener von ihrem Amte, wie auch deren Suspension vorn Amte, verbunden mit der vom Gehalte, kann im Disciplinar-Verfahren nicht anders stattfinden, als nachdem die Kirchen-Behörde eine gehörige Untersuchung angestellt und die Kirchendiener mit ihrer Vertheidigung hinreichend gehört hat.
In Hinsicht der Prediger oder Pfarrer und der übrigen höheren Geistlichen ist in solchen Fällen die Bestätigung des zuständigen Departements-Ministers oder des Königs erforderlich.
Bloße Amts-Suspension kann beim Anfange einer wider einen Kirchendiener angestellten Untersuchung sofort von der geistlichen Behörde verfügt werden.

§. 75. (d. L. V. G.)
Das gegenwärtige und zukünftige Vermögen aller Stiftungen ohne Ausnahme darf unter keinem Vorwande zum Staats-Vermögen gezogen, oder zu anderen, als den gesetz- oder stiftungsmäßigen Zwecken verwandt werden. Ueber die Befugniß, eine Privatstiftung mit Bewilligung aller Betheiligten aufzuheben, entscheiden die Vorschriften der Rechte.
Dem Könige gebührt das Oberaufsichtsrecht über alle für kirchliche Zwecke, für den Unterricht oder für andere öffentliche Zwecke bestimmten. Stiftungen.
Auf Stiftungen, welche nicht für öffentliche Zwecke bestimmt sind, erstreckt sich das Oberaufsichtsrecht nicht anders, als wenn sie der Oberaufsicht der Regierungsgewalt besonders anvertraut sind und solche von dieser übernommen ist.
Ist durch den Stifter oder durch die dabei betheiligten Personen für die Verwaltung der Stiftungen eine Bestimmung getroffen, so berechtigt das Oberaufsichtsrecht nicht zu einer Einmischung in die Verwaltung selbst.
Eine Abänderung der im zweiten Absatze dieses Paragraphen bezeichneten Stiftungen kann von der Regierungsgewalt nur nach vorgängiger Vernehmung der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten und nur dann vorgenommen werden, wenn der Zweck der Stiftung auf die vorgeschriebene Weise nicht mehr zu erreichen ist. Indess muß das Vermögen, unter thunlichster Berücksichtigung der Wünsche der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten, zu gleichen oder möglichst ähnlichen und der muthmaßlichen Absicht des Stifters am meisten entsprechenden Zwecken wieder verwandt werden.
Bei Abänderung von geistlichen Stiftungen muß die den Kirchen-Obern zustehende Mitwirkung eintreten.
Auch bleiben die Bestimmungen des §. 35 des Reichsdeputations-Hauptbeschlusses vom 25. Februar 1803 in Rücksicht der in demselben bezeichneten Güter, insofern eine endliche Verfügung darüber noch nicht getroffen worden ist, ausdrücklich vorbehalten.

§. 28. (d. G. v. 5. Sept.)
Es sollen Kirchenvorstände gebildet werden, welche aus den Prdeigern und von den Gemeinden gewählten Mitgliedern derselben bestehen. Diese Kirchenvorstände sollen die unmittelbare Verwaltung des Vermögens der einzelnen Kirchen und der dazu gehörenden Stiftungen und Armenanstalten führen. Das Nähere darüber wird unter Berücksichtigung der Rechte der Patronen gesetzlich bestimmt werden.

§. 29. (d. G. v. 5. Sept.)
Zum Zwecke der Theilnahme an der Aufsicht über den Untterricht in den Volksschulen soll in der Regel in jeder Schulgmeinde ein Schulvorstand bestehen, die oberste Aufsicht aber unter dem Ministerium von anzuordnenden Schulbehörden geführt werde.

§. 78. (d. L. V. G.)
u.
§. 30. (d. G. v. 5. Sept.)
Die im dritten Kapitel dieser Verfassungs-Urkunde enthaltenen Bestimmungen über Gemeindelasten finden, als solche, keine Anwendung auf diejenigen Grundsätze, nach welchen die Ausgaben für Kirchen und Schulen, namentlich für Unterhaltung von Kirchen, Pfarr- und Schulgebäuden aufzubringen sind oder für solche Zwecke Dienste geleistet werden müssen.
Jedoch finden Bestimmungen dieses Gesetzes zum 3ten Capitel des Landesverfassungs-Gesetzes über die Befreiung von Gemeindelasten ebenfalls auf Leistungen oder Lasten der Kirchen-, Pfarr- und Schulgemeinden zu Kirchen-, Pfarr- und Schulzwecken Anwendung.

§. 79. (d. L. V. G.)
u.
§. 31. (d. G. v. 5. Sept.)
Das von den vormaligen Klöstern und anderen ähnlichen Stiftungen in den verschiedenen Theilen des Königreichs herrührende, zu einer abgesonderten Masse vereinigte Vermögen soll von den übrigen öffentlichen Cassen gänzlich getrennt bleiben, und allein zu Zuschüssen für die Landes-Universität, für Kirchen und Schulen, auch zu milden Zwecken aller Art verwandt werden.
Die Verwaltung dieses Vermögens gebührt allein der vom Könige dazu bestellten Behörde.
Den allgemeinen Ständen soll im Anfange eines jeden Landtags eine Übersicht der daraus stattgehabten Verwendungen und der mit der Substanz desselben vorgegangenen Veränderungen zur Nachricht mitgetheilt werden.
Veräußerungen einzelner Theile dieses Kloster-Vermögens sind, der Regel nach, unzulässig und können nur unter denselben Bedingungen und Voraussetzungen stattfinden, unter welchen eine Veräußerung von Domainen und Regalien zufolge §. 131 dieser Verfassungs-Urkunde (jetzt §. 79. (d. G. v. 5. Sept.) erlaubt ist.
Die sechs Mannsstifter:
St. Petri et Pauli zu Bardowieck,
St. Alexandri zu Einbeck,
Beate Mariae Virginis zu Einbeck,
St. Bonifacii zu Hameln,
Ramelsloh und
St. Cosmae et Damiani zu Wunstorf
sollen aufgehoben und das Vermögen derselben soll, unbeschadet der den vorhandenen Pfründnern und Beanwarteten Anderer, mit dem allgemeinen Klostervermögen vereinigt werden.
Neue Expectanzen dürfen nicht ertheilt werden.


Fünftes Capitel.
Von den Landständen.



Titel 1.
Von den Landständen überhaupt.

§. 30. (d. G. v. 5. Sept.)
Für das ganze Königreich soll eine allgemeine Ständeversammlung bestehen.

§. 81. (d. L. V. G.)
Provinzial-Landschaften sollen bestehen:
1) für die Fürstentümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen nebst den vormals Hessischen Aemtern im Fürstenthume Göttingen und dem diesseitigen Eichsfelde;
2) für das Fürstenthum Lüneburg mit Einschluß der diesseitigen Theile des Herzogtums Sachsen-Lauenburg;
3) für die Grafschaften Hoya und Diepholz mit den vormals Hessischen Ämtern in diesen Provinzen;
4) für die Herzogthümer Bremen und Verden;
5) für das Fürstenthum Osnabrück;
6) für das Fürstenthum Hildesheim, nebst der Stadt Goslar;
7) für das Fürstenthum Ostfriesland und das Harrlingerland.
In wie fern in anderen Landestheilen auch Provinzial-Landschaften eingerichtet, oder Jene andern Provinzial-Landschaften angeschlossen werden sollen, wird weiteren Verhandlungen der Regierung mit den Betheiligten vorbehalten.

§. 82. (d. L. V. G.)
u.
§. 33. (d. G. v. 5. Sept.)
Den Provinzial-Landschaften verbleiben ihre Rechte, so weit solche nicht auf die allgemeine Stände-Versammlung übergegangen sind.
Die Provinzial-Landschaften haben das Recht der Zustimmung zur Erlassung, Wiederaufhebung, Abänderung und authentischen Interpretation aller Provinzialgesetze, durch welche die persönliche Freiheit, das Privateigenthum oder sonstige wohlerworbene Rechte der Unterthanen entzogen oder beschränkt werden.
Inzwischen ist die Zustimmung der Provinzial-Landschaften nicht erforderlich bei solchen Provinzial-Verordnungen, welche allein die Ausführung und Handhabung bestehender Gesetze (§. 121) (jetzt §. 71 d. G. v. 5. Sept.) oder die Erlassung vorübergehender gesetzlicher Verfügungen ausserordentlicher Natur (§. 122) (jetzt §. 72 d. G. v. 5. Sept.) bezwecken, oder in Anordnungen der Sicherheits- oder Wohlfahrts-Polizei bestehen.
Grössere Rechte, wo sie bestehen, sollen hiedurch eben so wenig ausgeschlossen werden als das rathsame Gutachten bei anderen Provinzialgesetzen.
Provinzielle Abgaben und Lasten bedürfen der Bewilligung der Provinzialstände.
Die Verhältnisse der Provinzial-Landschaften, deren Zusammensetzung und Wirkungskreis sollen nach vorgängiger Verhandlung mit den bestehenden Provinzial-Landschaften durch allgemeine Gesetzgebung geregelt werden.
Bis zu solcher Regelung bleiben die Provinzial-Landschaften in ihrer gegenwärtigen Einrichtung bestehen.

§. 35. (d. G. v. 5. Sept.)
Die allgemeine Ständeversammlung besteht aus zwei Cammern.

I. Erste Cammer.

Die erste Kammer soll bestehen aus:
1) den königlichen Prinzen, Söhnen des Königs und den übrigen Prinzen der königlichen Familie.
Der Kronprinz ist nach dem zurückgelegten 18. Lebensjahre, jeder der übrigen Prinzen nach zurückgelegtem 21. Jahre einzutreten berechtigt.
2) dem Herzoge von Arenberg, dem Herzoge von Looz-Corswaaren und dem Fürsten von Bentheim, so lange sie im Besitze ihrer Standesherrschaften sich befinden;
3) dem Erblandmarschall des Königreichs;
4) den Grafen von Stolberg-Wernigerode und von Stolberg-Stolberg wegen der Grafschaft Hohnstein;
6) dem von der ersten Cammer ernannten Commissarius für das Schulden- und Rechnungswesen,
7) drei und dreißig Abgeordneten der größeren Grundeigenthümer, welche nach dem Grundsteuervertrage auf die verschiedenen Provinzen zu vertheilen sind. Es werden für die Erwählung dieser Abgeordneten 33 Wahlbezirke gebildet, in denen je ein Abgeordneter gewählt wird.
Die Wahl geschieht in dem Wahlbezirke in der Regel von 150 Grundeigenthümer, welche 50 Thaler Grundsteuer und darüber jährlich zahlen, so sind alle diese Grundeigenthümer wahlberechtigt. Befinden sich dagegen in einem Wahlbezirke nicht 150 Grundeigenthümer, welche mindestens 30 Thaler Grundsteuer jährlich zahlen, so wird die Zahl der Wahlberechtigten bis zu der Zahl der in dem Bezirke vorhandenen Grundeigenthümer vermindert, welche wenigstens 30 Thaler an jährlicher Grundsteuer zahlen. Würde damit indessen die Zahl der Wahlberechtigten unter 100 herabsinken, so werden von den unter 30 Thaler Grundsteuer zahlenden Grundeigenthümern die in dem Betrage der Grundsteuer zunächst stehenden soweit hinzugezogen, als zur Herstellung einer Zahl von 100 Wahlberechtigten erforderlich ist.
8) Zehn Abgeordneten für Handel und für Gewerbe, welche über das ganze Land unter thunlichster Berücksichtigung der provinziellen Bezirke zu vertheilen sind.
9) Zehn Abgeordneten der Kirche und Schule.
Davon erwählen:
die Evangelische Geistlichkeit vier,
deren Vertheilung auf das Land der Regierung überlassen bleibt,
die Katholische Geistlichkeit des Hildesheimschen Sprengels einen,
die Katholische Geistlichkeit des Osnarbrückschen Sprengels einen,
die Universität Göttingen einen,
die Lehrer-Collegien der höheren Schul-Anstalten einen,
die Lehrer der Bürger- und Volksschulen zwei.
10) Vier Abgeordneten des Standes der Rechtsgelehrten, welche von den Richtercollegien und den Rechtsbeiständen gewählt werden sollen.
Die unter No. 7 bis 10 aufgeführten Abgeordneten sind auf die Dauer von sechs Jahren zu wählen.

§. 37. (d. G. v. 5. Sept.)
Wählbar als Abgeordnete der größeren Grundbesitzer sind nur diejenigen, welche selbst, wenngleich in einem andern Wahlbezirke oder in einer anderen Provinz, als größere Grundbesitzer wahlberechtigt sind.
Dagegen brauchen die von den Gewerbetreibenden, den Geistlichen, der Universität, den Lehrern und Rechtsgelehrten zu wählenden Abgeordneten, wenn sie überhaupt nur die Erfordernisse zur Wählbarkeit in die erste Cammer besitzen, dem besonderen Stande, von welchem sie gewählt werden, nicht anzugehören.

§. 38. (d. G. v. 5. Sept.)
Von dem Wahlrechte und der Wählbarkeit ausgeschlossen sind alle diejenigen, welche noch nicht 25 Jahre alt sind, oder unter väterlicher Gewalt oder Curatel stehen, oder nach gesetzlichen Bestimmungen nicht im vollen Besitze der politischen Rechte sich befinden, oder wegen eines nach der öffentlichen Meinung entehrenden Verbrechens bestraft, oder wegen eines solchen Verbrechens in Untersuchung gewesen sind, ohne völlig freigesprochen zu sein.

§. 39. (d. G. v. 5. Sept.)
Von den gewählten Mitgliedern der ersten Cammer scheidet, je um das dritte Jahr die Hälfte aus und wird durch neue Wahlen ersetzt.
Sind die Stände beim Ablauf der Zeit, für welche die Wahl geschehen ist, versammelt, so erfolgt der Austritt erst nach Beendigung der Diät.
Der Austritt bestimmt sich das erste Mal durch Loos, demnächst durch die Zeit der Wahl.

§. 40. (d. G. v. 5. Sept.)
Im übrigen sind die Rechte beider Cammern gleich.

II. Zweite Cammer.

§. 41. (d. G. v. 5. Sept.)
Die zweite Cammer soll bestehen:
1) aus zwei vom Könige zu ernennenden Mitgliedern, welche Minister sein müssen (vergl. §. 57);
2) aus dem von der zweiten Cammer ernannten Commissarius für das Schulden- und Rechnungswesen;
3) aus neun und siebzig Abgeordneten der Stadt- und Landgemeinden des Königreiches; und zwar aus:
a. acht und dreißig Abgeordneten nachfolgender Städte und Flecken:
zwei Abgeordneten der Residenzstadt Hannover,
einem Abgeordneten der Stadt Göttingen,
einem Abgeordneten der Stadt Northeim,
einem Abgeordneten der Stadt Hameln,
einem Abgeordneten der Stadt Einbeck,
einem Abgeordneten der Stadt Osterode,
einem Abgeordneten der Stadt Duderstadt,
einem Abgeordneten der Städte Moringen, Uslar, Hardegsen, Dransfeld und Hedemünden,
einem Abgeordneten der Stadt Münden,
einem Abgeordneten der Städte Münder, Pattensen, Neustadt a. R., Springe, Wunstorf, Eldagsen, Bodenwerder, und Rehburg,
einem Abgeordneten der Städte Clausthal und Zellerfeld
einem Abgeordneten der übrigen fünf Bergstädte, mit Einschluß von Herzberg, Elbingerode und Lauterberg,
einem Abgeordneten der Stadt Lüneburg,
einem Abgeordneten der Stadt Uelzen,
einem Abgeordneten der Stadt Celle,
einem Abgeordneten der Stadt Harburg,
einem Abgeordneten der Städte Lüchow, Dannenberg und Hitzacker,
einem Abgeordneten der Städte Soltau, Walsrode, Burgdorf und Gifhorn,
einem Abgeordneten der Stadt Stade,
einem Abgeordneten der Stadt Buxtehude,
einem Abgeordneten der Stadt Verden,
einem Abgeordneten der Stadt Nienburg,
einem Abgeordneten der Hoyaschen Flecken,
einem Abgeordneten der Diepholzschen Flecken,
einem Abgeordneten der Stadt Osnabrück,
einem Abgeordneten der Städte Quakenbrück, Fürstenau, und der Flecken Melle und Bramsche,
einem Abgeordneten der Städte Meppen, Lingen und Haselünne,
einem Abgeordneten der Stadt Goslar,
einem Abgeordneten der Stadt Hildesheim,
einem Abgeordneten der Städte Alfeld, Peine, und Bockenem,
einem Abgeordneten der Städte Elze, Gronau, Sarstedt und Dassel,
einem Abgeordneten der Stadt Emden,
einem Abgeordneten der Städte Aurich und Esens,
einem Abgeordneten der Stadt Norden,
einem Abgeordneten der Stadt Leer,
einem Abgeordneten der Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus, wie auch des Fleckens Bentheim,
einem  Abgeordneten der Gemeinde Papenburg.
Eine fernere gesetzliche Bestimmung darüber, welche Gemeinden außerdem noch in dieser Abtheilung zu vertheilen sind, bleibt vorbehalten.
b. ein und vierzig Abgeordneten der Landgemeinden und der unter a. nicht aufgeführten Städte und Flecken, nämlich:
fünf  Abgeordneten aus den Fürstenthümern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen,
einem Abgeordneten der Grafschaft Hohnstein,
sechs Abgeordneten aus dem Fürstenthume Lüneburg,
fünf Abgeordneten aus den BremenschenMarschen,
drei Abgeordneten aus der Bremschen Geest und dem Herzogthume Verden,
zwei Abgeordneten aus dem Lande Hadeln mit Einschluß der Stadt Otterndorf,
vier Abgeordneten aus den Grafschaften Hoya und Diepholz, welche gleichmäßig auf die Provinz vertheilt werden,
drei Abgeordneten aus dem Fürstenthume Osnabrück,
zwei Abgeordneten aus dem Herzogthume Arenberg-Meppen und der Niedergrafschaft Lingen,
vier Abgeordneten aus dem Fürstenthume Hildesheim,
fünf Abgeordneten aus dem Fürstenthume Ostfriesland,
einem Abgeordneten aus der Grafschaft Bentheim.
Eine fernere gestzliche Bestimmung über die Vertheilung der Abgeordneten auf die Landgemeinden wird vorbehalten.

§. 42. (d. G. v. 5. Sept.)
An den Wahlen der Stadt- und Landgemeinden nehmen alle wohnberechtigten männlichen Einwohner der Gemeinde Theil, mit Ausnahme derer, welche noch nicht 25 Jahre alt sind,
in väterlicher Gewalt,
unter Curatel,
oder
in Kost und Lohn eines Anderen stehen,
wegen eines nach der öffentlichen Meinung entehrenden Verbrechens bestraft worden oder
in Untersuchung gewesen sind, ohne völlig freigesprochen zu sein,
nach gesetzlichen Bestimmungen nicht im vollen Besitze der politischen Rechte sind,
zu den directen Landessteuern nicht beitragen,
oder
den ihnen obliegenden Beitrag dazu im letzten Jahre nicht entrichtet haben.

§. 43. (d. G. v. 5. Sept.)
Wählbar zur zweiten Cammer der allgemeinen Ständeversammlung sind alle wahlberechtigten Landes-Einwohner
III. Gemeinschaftliche Bestimmungen für beide Cammern.

§. 44. (d. G. v. 5. Sept.)
Niemand kann Mitglied der Ständeversammlung sein, wenn eines der im §. 42 bezeichneten Hindernisse bei ihm eintritt.

§. 45. (d. G. v. 5. Sept.)
Alle Mitglieder der Ständeversammlung müssen im Königreiche wohnen.
Von dieser Bestimmung sind ausgenommen:
1) die im §. 36 No. 2 und 4 aufgeführten Mitglieder der ersten Cammer;
2) die dort unter No. 7 aufgeführten Abgeordneten der größeren Grundeigenthümer, wenn sie in einem anderen deutschen Lande wohnen und daselbst ein Gleiches beobachtet wird.

§. 46. (d. G. v. 5. Sept.)
Personen, über deren Vermögen während ihrer Verwaltung Concurs ausgebrochen ist, können vor Befriedigung ihrer Gläubiger weder zu Mitgliedern der Ständeversammlung erwählt werden, noch, wenn sie zur Zeit des Ausbruches des Concurses Mitglieder sind, in derselben bleiben.

§. 47. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Wahlversammlungen müssen sich von dem Vorhandensein der vorgeschriebenen Eigenschaften der zu erwählenden Abgeordneten gebührend überzeugen.

§. 48. (d. G. v. 5. Sept.)
Keinen im öffentlichen Dienste Angestellten, einschließlich der Gemeindebeamten, darf der zur Theilnahme an der allgemeinen Ständeversammlung erforderliche Urlaub verweigert werden, wenn die Versehung des Dienstes von ihm auf eine andere Weise angemessen gesorgt wird.

§. 49. (d. G. v. 5. Sept.)
Abgeordnete, die während der Dauer ihres Mandats ein besoldetes Staatsamt oder eine Beförderung im Staatsdienste annehmen, geben damit ihren Sitz in der Ständeversammlung auf; in solchem Falle wird nicht der Ersatzmann einberufen, sondern muß jedesmal eine neue Wahl eintreten.

§. 50. (d. G. v. 5. Sept.)
Sämmtliche Mitglieder der allgemeinen Ständeversammlung müssen bei ihren Verhandlungen das Wohl des ganzen Königreiches vor Augen haben und dürfen sich durch Instructionen nicht binden lassen.

§. 51. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Mitglieder der Ständeversammlung dürfen ihre Stimme nicht auf ein anderes Mitglied übertragen.
Jedoch können die im §. 36 No. 2 und 4 aufgeführten Mitglieder der ersten Cammer durch ihre volljährigen ältesten Söhne oder durch dazu bevollmächtigte Agnaten ihres Hauses sich vertreten lassen.

§. 52. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Minister haben, wenn sie auch nicht Mitglieder der Ständeversammlung sind, das Recht des Zutritts und der Theilnahme an den Berathungen in beiden Cammern.
Jede Cammer kann die Gegenwart von Ministern verlangen.
Der König ist berechtigt, in jede Cammer Commissarien zu schicken, um den Sitzungen beizuwohnen und an den Berathungen Theil zu nehmen.
Die Commissarien haben kein Stimmrecht.

§. 53. (d. G. v. 5. Sept.)
Jede Äußerung eines Mitgliedes in der Versammlung über ständische Angelegenheiten soll immer die günstige Auslegung erhalten.

§. 54. (d. G. v. 5. Sept.)
Ein gerichtliches Verfahren gegen Mitglieder wegen der von ihnen in den Sitzungen der Cammern, Commissionen oder Conferenzen gemachten Äußerungen ist nur dann zulässig, wenn letztere hochverrätherischen Inhalts sind, oder eine Beleidigung oder Verläumdung enthalten. In allen übrigen Fällen sind die Cammern nach den in der Geschäftsordnung enthaltenen Bestimmungen die alleinigen Richter über die in jenen Sitzungen gemachten Äußerungen ihrer Mitglieder.

§. 55. (d. G. v. 5. Sept.)
Während der Dauer einer Versammlung der allgemeinen Stände soll kein anwesendes Mitglied verhaftet werden, es sei denn, daß in dem Falle eines Criminalverbrechens eine schleunige Verhaftung nothwendig sein sollte, welcher Fall jedoch den Cammern ohne Aufschub anzuzeigen ist.

§. 56. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Veröffentlichung der ständischenVerhandlungen soll unter den in der Geschäftsordnung der allgemeinen Ständeversammlung enthaltenen Bestimmungen Statt finden.
IV. Landtag.

§. 57. (d. G. v. 5. Sept.)
Ein Landtag dauert sechs Jahre vom Tage der Eröffnung angerechnet, insofern nicht früher eine Auflösung der zweiten Cammer erfolgt.
Die Wahlen der Abgeordneten zur zweiten Cammer gelten für die ganze Dauer desselben und können von den Vollmachtgebern nicht widerrufen werden.
Die vom Könige ernannten Mitglieder der Cammern, welche Minister sind (§. 36 No. 5 und §. 41 No. 1), verlieren ihren Sitz, wenn sie aufhören Minister zu sein.
Der König kann zu jeder Zeit die zweite Cammer auflösen und einen neuen Landtag berufen.
Vergl. §. 39

§. 58. (d. G. v. 5. Sept.)
Der König wird die allgemeinen Stände alle Jahre zusammenberufen, so daß während der Dauer eines Landtags sechs ordentliche Diäten Statt finden.
Sollten indeß dringende Angelegenheiten es erfordern, so kann der König auch außerordentliche Diäten anordnen.

§. 59. (d. G. v. 5. Sept.)
Zu den ordentlichen Diäten wird die Ständeversammlung in der Regel so berufen werden, das die Eröffnung derselben spätestens bis zum 1sten Februar jeden Jahrs Statt findet.
Den Anfang und Schluß jeder ordentlichen oder außerordentlichen Landtags-Diät bestimmt der König.

§. 60. (d. G. v. 5. Sept.)
Der König kann die allgemeine Ständeversammlung zu jeder Zeit vertagen und die Dauer der Vertagung bestimmen. (Vergl. jedoch §. 109)
Jede Cammer kann sich auf drei Tage vertagen. Zu einer längeren Vertagung einer oder beider Cammern hat die allgemeine Ständeversammlung die Königliche Genehmigung zu beantragen.

§. 61. (d. G. v. 5. Sept.)
Eigenmächtig dürfen die Cammern sich nicht versammeln, auch nach der Vertagung, dem Schlusse oder der Auflösung der Versammlung nicht ferner versammelt bleiben. (Vergl. jedoch §. 109)

§. 62. (d. G. v. 5. Sept.)
Die allgemeine Ständeversammlung sind verpflichtet, vorzugsweise die von der Regierung an sie gebrachten Anträge, namentlich das Budget und zwar, wenn es von der Regierung verlangt wird, jederzeit zuerst in Berathung zu nehmen.
V. Wirksamkeit der allgemeinen Ständeversammlung.

§. 63. (d. G. v. 5. Sept.)
Die allgemeine Ständeversammlung ist berufen, die ihr durch die Verfassung beigelegten Rechte wahrzunehmen.

§. 64. (d. G. v. 5. Sept.)
Über alle das ganze Königreich betreffende, zur ständischen Mitwirkung gehörende Gegenstände wird nur mit der allgemeinen Ständeversammlung verhandelt.
Provinzielle Angelegenheiten, welche zur ständischen Mitwirkung geeignet sind, werden an die betreffenden Provinzial-Landschaften gebracht werden. Bei einem Zweifel darüber,, ob ein Gegenstand zur Mitwirkung der allgemeinen Stände oder der Provinzial-Landschaften gehöre, entscheidet der König.

§. 65. (d. G. v. 5. Sept.)
Landesgesetze werden vom Könige nur unter Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung erlassen, wieder aufgehoben, abgeändert und authentisch interpretiert. (vergl. jedoch §. 72)
Die Zustimmung der Stände beschränkt sich auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Die Bearbeitung der Gesetze nach Maßgabe der ständischen Beschlüsse verbleibt der Regierung.
Bei Verkündigung der Gesetze ist zu erwähnen, daß dabei die verfassungsmäßige Zustimmung der Stände stattgefunden habe.

§. 66. (d. G. v. 5. Sept.)
Werden zu einem Gesetz-Entwurfe Zusätze oder Änderungen von den Ständen beschlossen, die der König zu gehmigen Anstand nimmt, und findet Sich der König bewogen, den Gesetz-Entwurf entweder unverändert, oder unter Berücksichtigung genehmigter ständischer Anträge, vollständig redigirt, anderweit an die Stände gelangen zu lassen; so sind letztere verpflichtet, das Gesetz nach zweimaliger Berathung bei der letzten Abstimmung im Ganzen anzunehmen oder abzulehnen. Anträge auf Abänderungen und Zusätze oder Bedingungen können alsdann von den Ständen nicht mehr vorgebracht werden.

§. 67. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Mitwirkung der Stände ist nicht erforderlich bei denjenigen Verfügungen, welche der König über das Heer, dessen Formation, Disciplin, und den Dienst überhaupt erläßt (vergl. §. 1).
Der Kriegsminister ist dafür verantwortlich, daß diese Verfügungen keine Verfassungsverletzungen enthalten, und daß die ständischen Bewilligungen nicht überschritten werden.
Die Militär- Straf- und Aushebungsgesetze, so wie die Rechte und Pflichten der übrigen Unterthanen in Beziehung auf das Heer und die auf dessen bürgerliche Verhältnisse bezüglichen Gesetze können nur unter verfassungsmäsßger Mitwirkung der Stände (§. 65. u. f.) festgestellt werden.

§. 68. (d. G. v. 5. Sept.)
Der König ist befugt, ein den Ständen zur verfassungsmäßiger Mitwirkung vorgelegtes Gesetz bis zu dessen Verkündigung zurückzunehmen.

§. 69. (d. G. v. 5. Sept.)
Gesetz-Entwürfe gelangen von der Regierung an die Stände, jedoch haben auch diese das Recht, auf Erlassung von Gesetzen anzutragen und Gesetz-Entwürfe vorzulegen.

§. 70. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Anträge des Königs an die Stände werden an die allgemeine Stände-Versammlung gerichtet.
Die Bitten, Erwiederungen und Vorträge der allgemeinen Stände können nur von beiden Kammern gemeinschaftlich ausgehen; jeder Cammer steht jedoch frei, auf die Thronrede einseitig eine Adresse an den König zu richten.

§. 71. (d. G. v. 5. Sept.)
Verordnungen werden von der Regierung ohne Mitwirkung der Stände erlassen.
Sie dürfen nur zur Vollziehung bestehender Gesetze dienen und nichts enthalten, was seiner Natur nach der ständischen Mitwirkung bedarf.
Sie müssen im Eingange das Gesetz bezeichnen, zu dessen Vollziehung sie dienen.

§. 72. (d. G. v. 5. Sept.)
Außerordentliche, ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung bedürfende, aber durch das Staatswohl, die Sicherheit des Landes oder die Erhaltung der ernstlich bedroheten Ordnung dringend gebotene gesetzliche Verfügungen, deren Zweck durch Verzögerung vereitelt werden würde, gehen vom Könige allein aus; dieselben dürfen jedoch eine Abänderung der Verfassung nicht enthalten und müssen ausser Kraft gesetzt werden, sobald die Gefahr beseitigt ist, welche das Gesetz veranlasst hat.
Bei Verkündigung derselben ist der Grund ihrer Ausnahme von der ständischen Mitwirkung zu erwähnen. Sie sind den allgemeinen Ständen bei ihrer nächsten Zusammenkunft, behuf Wahrnehmung ihrer verfassungsmässigen Rechte, vorzulegen und, falls die Zustimmung nicht erfolgt, wieder aufzuheben.

§. 73. (d. G. v. 5. Sept.)
Alle Gesetze und Verordnungen werden vom Könige unter Beobachtung der vorgeschriebenen Form (§§. 65, 71 und 72) verkündigt und erhalten dadurch für alle Unterthanen und alle Behörden verbindliche Kraft.
Entstehen Zweifel darüber, ob bei einem gehörig verkündigten Gesetze die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände hinreichend beobachtet sei, so steht nur diesen zu, Anträge deshalb zu machen.

§. 74. (d. G. v. 5. Sept.)
Von den vom Könige mit anderen Staaten abgeschlossenen Verträgen soll der allgemeinen Ständeversammlung, sobald die Verhältnisse es erlauben, Kenntnis gegeben werden (vgl. jedoch § 11 des Landesverfassungsgesetzes).

§. 75. (d. G. v. 5. Sept.)
Die allgemeine Ständeversammlung ist berechtigt, in Beziehung auf alle Landesangelegenheiten, insbesondere über Mißbräuche und Mängel in der Rechtspflege oder Verwaltung ihre Beschwerden und Wünsche dem Könige vorzutragen.
Weiter darf sie aber in die Landesverwaltung sich nicht einmischen.

§. 76. (d. G. v. 5. Sept.)
Die allgemeinen Stände können schriftliche Gesuche, Beschwerden und Vorstellungen, nicht aber Deputationen von Körperschaften, annehmen, darüber Beschlüsse fassen und den Bittstellern von den Beschlüssen durch Protocollauszüge Kenntniß geben.
Anträge oder Petitionen können jedoch nie an eine Cammer, sondern nur an die allgemeine Ständeversammlung gerichtet werden.


VI. Kapitel. Von den Finanzen.


§. 78. (d. G. v. 5. Sept.)
Sämmtliche zu dem KöniglichenDomanium gehörenden Gegenstände, namentlich Schlösser, Gärten, Güter, Gefälle, Forsten, Bergwerke, Salien und Activcapitale machen das seinem Gesammtbestande nach stets zu erhaltende Krongut aus.
Dem Könige und dessen Nachfolgern in der Regierung verbleiben unter den folgenden Bestimmungen alle Rechte, welche dem Landesherrn daran bisher zugestanden haben.

§. 79. (d. G. v. 5. Sept.)
Das Krongut und die Einkünfte aus den Regalen können ohne Zustimmung der Stände rechtsgültig nicht verpfändet werden, mit Ausnahme des im §. 97 bezeichneten Falles einer außerordentlichen Anleihe.
Veräußerungen der Substanz können nur in Folge gesetzlicher Bestimmungen oder wegen ihrer Nützlichkeit eintreten. Das Äquivalent soll mit dem Krongute wieder vereinigt und dessen Anlegung oder Verwendung, welche jedoch für die Dauer im Königreiche geschehen muß, auf eine sichere und einträgliche Art sofort beschafft werden.
Über Veränderungen dieser Art soll der allgemeinen Ständeversammlung in jeder Diät eine Nachweisung mitgetheilt werden.
Freiwillige Äußerungen ganzer Domanialgüter oder bedeutender Forsten dürfen nicht ohne Einwilligung der allgemeinen Ständeversammlung geschehen, und es sind sofort Gegenstände von möglichst gleicher Einträglichkeit vorzugsweise und, so weit es zweckmäßig geschehen kann, Landgüter oder Forsten, an deren Stelle zu setzen.

§. 80. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Auskünfte des Krongutes sollen verwandt werden:
zur Bezahlung der Zinsen der auf dem Domanium haftenden Schulden und zum allmäligen Abtrage dieser Schulden;
zum Unterhalte und zur Hofhaltung des Königs, der Königin, des minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs,
zu dem standesmäßigen Auskommen der verwittweten Königin und verwittweten Kronprinzessin, zu den Jahrgeldern, Apanagen und Ausstattungskosten für den Kronprinzen, die Prinzessinen des Königlichen Hauses, so wie auch zu dem standesmäßigen Auskommen der Witwen der Prinzen des königlichen Hauses (vergl. §. 87);
endlich aber das Übrige, so wie die bisher mit der Dominal-Verwaltung vereinigt gewesenen Einkünfte von den Regalen zur Bestreitung anderweiter Staatsausgaben.

§. 81. (d. G. v. 5. Sept.)
Zur Deckung der für den Unterhalt und die Hofhaltung des Königs, der Königin, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs, erforderlichen Ausgaben dienen als Krondotation
1) die Zinsen eines in den Jahren 1784 bis 1790 in englischen dreiprocentigen Stocks belegten, aus Einkünften der Königlichen Cammer erwachsenen Capitals von £ 600,000 welches Capital unzertrennlich mit der Krone vereinigt und vererblich sein soll:
2) eine Summe von 500,000 *1 Conventions-Münze (513,888 *1 21 *2 4 *3 Courant), welche aus dem Ertrage des Krongutes jährlich zu bezahlen ist.

*1

*2

*3


§. 82. (d. G. v. 5. Sept.)
Außerdem verbleiben dem Könige und seinen Nachfolgern in der Regierung die in einem der Ständeversammlung mitzutheilenden Verzeichnisse aufgeführten Königlichen Schlösser und Gärten, die zur Hofhaltung bestimmten Königlichen Gebäude, Ameublements, das Silbergeräth nebst dem Silbercapitale und sonstigen Hofbarkeiten, alle zur Hofhaltung gehörenden Inventarien, die Bibliothek und die Königlichen Jagden im ganzen Umfange des Königreiches, wogegen derselbe die damit verbundene Ausgaben übernimmt.
Vorgedachte Gegenstände dürfen niemals verpfändet und nur unter Gegenzeichnung eines verantwortlichen Ministers veräußert werden.

§. 83. (d. G. v. 5. Sept.)
Die im §. 81 aufgeführten Einkünfte und die im §. 82 genannten Gegenstände bleiben der eigenen Verwaltung des Königlichen Hauses vorbehalten.

§. 84. (d. G. v. 5. Sept.)
Die aus der Krondotation zu bestreitenden Ausgaben sind die Kosten des Hof-Etats, des Marstalls, die Besoldung und Pensionen der Hofdienerschaft, die Kosten des Hoftheaters, die Unterhaltung der Königlichen Schlösser und Gärten und die Kosten der Königlichen Orden.

§. 85. (d. G. v. 5. Sept.)
Tritt eine Regentschaft ein, so müssen die mit derselben verbundenen Kosten aus der Krondotation bestritten werden. Dasselbe findet wegen der Kosten einer etwaigen Stellvertretung des Königs Statt.

§. 86. (d. G. v. 5. Sept.)
Alle aus dem Krongute und aus den Regalen aufkommenden Einnahmen, mit alleiniger Ausnahme der Einnahme aus den der unmittelbaren Verwaltung des Königlichen Hauses vorbehaltenen Gegenstände (§. 82) sollen mit den Landesabgaben, dem Ertrage der Eisenbahnen, den Chausseegeldern, Sporteln, Lehnsauskünften und sonstigen Landeseinnahmen in eine einzige Generalcasse fließen, aus welcher Casse alle Ausgaben bestritten werden, sofern dieselben nicht auf der Krondotation ruhen.

§. 87. (d. G. v. 5. Sept.)
Über Apanagen, Jahrgelder und Deputate der Prinzen und Prinzessinen, über Mitgaben für Prinzessinen, über Mitthümer, über das Privatvermögen des Königs und der Mitglieder des Königlichen Hauses, so wie über das Familien-Haus-fideicommiß gelten die Bestimmungen des Königlichen Hausgesetzes vom 19. November 1836.
Das Mitthum der Königin soll jedoch jährlich 60,000 *1 Gold betragen und die geringste Apanage eines zur Apanage berechtigten volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses aus 6000 *1 Gold bestehen.


*1



§. 88. (d. G. v. 5. Sept.)
Über die Verwendung der zur Krondotation, zu Apanagen oder Mitthümer der Mitglieder der Königlichen Familie ausgesetzten Einnahmen steht den Ständen keine Controle zu.

§. 89. (d. G. v. 5. Sept.)
Das Vermögen der jetzigen Schatull-Casse bleibt getrennt von den Staats-Cassen und zur ausschließlichen Verfügung des Königs.
Das Privatvermögen des Königs, der Königin, der Prinzen und Prinzessinnen, wohin namentlich auch dasjenige gehört, was aus den ihnen zustehenden Einkünften erworben worden, verbleibt nach Maßgabe der Hausgesetze, oder so weit diese darüber nicht entscheiden, der Landesgesetze, der völlig freien Verfügung der Berechtigten.

§. 90. (d. G. v. 5. Sept.)
Über die Ausgaben, welche die Verwaltung des Landes und dessen sonstige aus der General-Casse zu bestreitenden Bedüfnisse erforderlich machen, soll der allgemeinen Ständeversammlung ein Budget vorgelegt und mit den nöthigen, auf Antrag der Stände zu vervollständigenden Etats und Erläuterungen beleitet werden.

§. 91. (d. G. v. 5. Sept.)
Die allgemeine Ständeversammlung hat die Verpflichtung, für die Deckung der für den öffentlichen Dienst nothwendigen Ausgaben in so weit zu sorgen, als sie aus den Einkünften des Kronguts und der Regale nicht bestritten werden können.
Dagegen steht ihr das Recht zu, das Budget zu prüfen und zu bewilligen.
Ausgaben, welche auf bestimmten bundes- und landesgesetzlichen oder auf privatrechtlichen Verpflichtungen beruhen, darf die allgemeine Ständeversammlung nicht verweigern.

§. 92. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Ersparungen, welche bei dem Ausgabe-Etat des Kriegs-Ministeriums gemacht werden, sollen so lange baar in den Schatz niedergelegt werden, bis die gesammelten Summen die Hälfte des ganzen Militär-Etats erreichen. Übersteigt die Ersparung diesen Betrag, so soll über den weitern Überschuß mit Einwilligung der Ständeversammlung, welcher bei jeder Zusammenkunft eine Nachweise über den Bestand des Kriegsschatzes vorzulegen ist, anderweit verfügt werden.
Die Vorräthe dieses Kriegsschatzes sind für die Ausgaben des Kriegs-Ministeriums zu verwenden, sobald letztere die ordentlichen Mittel übersteigen.

§. 93. (d. G. v. 5. Sept.)
Für außerordentliche, während der Vertagung der allgemeinen Ständeversammlung eintretende Landesbedürfnisse, welche bei Feststellung des Budgets nicht Calamitäten, Kriegsrüstungen oder innerer Unruhen) schleunige Maßregeln oder Kostenverwendungen erfordern, soll ein in dem jährlichen Budget nicht besonders aufzuführender Reserve-Credit bestehen, welcher 5 Procent des ganzen Ausgabe-Budgets ausmacht.
Die Verfügung über diesen Reserve-Credit steht dem Gesammt-Ministerium auf dessen Verantwortung zu, die Verwendung aber soll der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft nachgewiesen werden.

§. 94. (d. G. v. 5. Sept.)
Gleichzeitig mit dem Anschlage der Ausgaben soll der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen vorgelegt werden, welcher alle oben (§. 86) bezeichneten Einnahmen umfaßt.

§. 95. (d. G. v. 5. Sept.)
Die zur Bestreitung der Landes-Ausgaben außer der Einnahme von dem Krongute und den Regalen erforderlichen Steuern und Abgaben bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung.
In dem erforderlichen Ausschreiben soll die ständische Bewilligung erwähnt werden.

§. 96. (d. G. v. 5. Sept.)
Sollten die von der Regierung in Antrag gebrachten, zu den Bedürfnissen des Landes erforderlichen Steuern und Abgaben bei Auflösung einer Ständeversammlung nicht bewilligt sein, so können die bestehenden Steuern und Abgaben, so weit sie nicht zu einem vorübergehenden, bereits erreichten Zwecke ausgeschrieben worden, noch sechs Monate vom Ablaufe der letzten Bewilligungszeit an unverändert forterhoben und zu dem Ende in Beziehung auf diesen Paragraphen ausgeschrieben werden.

§. 97. (d. G. v. 5. Sept.)
Anleihen behuf der aus der General-Casse zu bestreitenden Ausgaben können nur nach erfolgter Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung gemacht werden.
Sollte jedoch wegen außerordentlicher Umstände die ordentliche Einnahme der Casse so bedeutende Ausfälle erleiden, daß die bewilligten Ausgaben nicht bestritten werden können, oder sollten schleunige Kriegsführungen nothwendig werden, der im §. 92 festgesetzte Kriegsschatz aber in der erforderlichen Größe nicht vorhanden sein, oder sollte der oben §. 93 bestimmte Reserve-Credit benutzt werden müssen und dazu die Vorräthe und Einnahmen der Cassen nicht hinreichen: so hat der König, wenn die Stände nicht versammelt sind, das Recht, auf den Bericht des Gesammt-Ministeriums, nach Anhörung der ständischen Commissarien (§.100), zu bestimmen, daß eine Anleihe auf den Credit der General-Casse zur Deckung der bewilligten, oder aus dem Kriegsschatze zu bestreitenden, oder auf den Reserve-Credit anzuweisendenAusgaben, höchstens bis zu dem Belaufe von Einer Million Thaler gemacht werden darf.
Insofern Anleihen für Kriegsführung nöthig werden, ist der jedesmalige Bestand des Kriegsschatzes (§. 92) davon in Absatz zu bringen.
Die Verhandlungen über solche außerordentliche Anleihen sollen jedoch der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorgelegt und es soll denselben nachgewiesen werden, daß die gemachte Anleihe nothwendig gewesen und zum Besten des Landes verwandt ist. Der Betrag soll in die Landesschulden-Etats aufgenommen werden.

§. 98. (d. G. v. 5. Sept.)
Ohne Einwilligung der allgemeinen Ständeversammlung darf kein Papiergeld ausgegeben werden.

§. 99. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Rechnungen der General-Casse und aller dazu gehörigen Neben-Cassen sollen der allgemeinen Ständeversammlung zur Prüfung vorgelegt werden.

§. 100. (d. G. v. 5. Sept.)
Es sollen von der allgemeinen Ständeversammlung zwei Commissarien auf Lebenszeit ernannt werden, welche gemeinschaftliuch mit den General-Secretarien jeder Cammer, unter dem Vorsitze des Präsidenten der obersten Steuerverwaltung,
die vorgedachten Rechnungen zu prüfen und den Gang des Staatshaushaltes zu überwachen,
an der Verwaltung des Staatsschuldenwesens Theil zu nehmen,
und
bei der Verwaltung der Steuern mitzuwirken haben.
Außerdem haben die Commissarien nebst den General-Secretarien diejenigenBefugnisse auszuüben, welche durch den §. 181 des Landesverfassungs-Gesetzes dem Schatz-Collegium beigelegt sind.
Die Commissarien sollen als solche Mitglieder der Ständeversammlung sein.
Das bisherige Schatz-Collegium soll aufgehoben werden.



Siebtes Capitel.
Von den obern Landesbehörden und der Königlichen Dienerschaft.



§. 101. (d. G. v. 5. Sept.)
Die oberste Leitung der Regierung unter dem Könige geht von dem Staats-Ministerium aus, dessen Mitglieder der König nach eigener Wahl ernennt und nach Gefallen entläßt.
Für die einzelnen Verwaltungszweige bestehen besondere Ministerien.

§. 102. (d. G. v. 5. Sept.)
Alle vom Könige ausgehende Regierungsverfügungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Ministers oder Vorstandes des betreffenden Ministeriums.
Dies gilt auch von den Verfügungen, welche für die bewaffnete Macht erlassen werden, so weit sie nicht Ausfluß des Oberbefehls über das Heer sind.
Jeder Minister oder Vorstand eines Ministeriums ist dem Könige und dem Lande dahin verantwortlich, daß keine von ihm contrasignirte oder ausgegangene Verfügung eine Gesetzesverletzung enthalte.
Die allgemeine Ständeversammlung ist befugt, diese Verantwortlichkeit durch eine an den König selbst gerichtete Beschwerde geltend zu machen, welche die Entlassung der Minister oder des betreffenden Ministers zur Folge haben soll.
Wegen absichtlicher Verletzung des Verfassungs-Gesetzes kann die Ständeversammlung eine förmliche Anklage erheben.

§. 103. (d. G. v. 5. Sept.)
Zur Untersuchung und Entscheidung über die im vorigen §. gedachte förmliche Anklage ist nur das Ober-Appelationsgericht in Plenar-Versammlung zuständig.
Die Ständeversammlung muß dem Könige vier Wochen vor Anstellung der Anklage von derselben Anzeige machen. Die Anklage selbst wird von Seiten der Stände unmittelbar an das Gericht gebracht. Der König verspricht, eine von der Ständeversammlung beschlossene Anklage nie zu hindern.
Die Entscheidung des Gerichts kann nur dahin gehen, daß der Angeschuldigte der absichtlichen Verletzung des Landes-Verfassungsgesetzes, deren er angeklagt worden, schuldig sei oder nicht.
Im ersten Falle ist er durch den Ausspruch des Gerichts von selbst seiner Stelle verlustig und kann auch in einem anderen Amte nicht wieder angestellt werden.
Gegen die Entscheidung des Gerichts in solchen Fällen finden keine Rechtsmittel Statt; auch sind Adolition und Begnadigung ausgeschlossen.
Die Urtheile über solche Anklagen werden mit ihren Entscheidungsgründen durch den Druck öffentlich bekannt gemacht.
Hinsichtlich der gemeinrechtlichen Folgen behält es bei der ordentlichen Rechts- und Gerichtsverfassung sein Bewenden.

§. 104. (d. G. v. 5. Sept.)
Es soll ein Staatsrath bestehen, um wichtige Regierungs-Angelegenheiten, namentlich Gesetze und Verordnungen nach der darüber vom Gesammt-Ministerium zu treffenden Bestimmung, zu berathen, und die Dienstentlassungen solcher Staatsdiener, welche nicht lediglich zur Classe der Richter gehören (§. 177 des Landesverfassungs-Gesetzes),
zu begutachten.

§. 172. (d. L. V. G.)
Die Ernennung und Entlassung der königlichen Staatsdiener gehört, unter Beobachtung der verfassungsmäßigen Bestimmungen, zu den Rechten des Königs.
Der König übt dieses Recht entweder Selbst, oder durch die von ihm bestellten Behörden aus.
Die Rechte der Corporationen und Einzelner in Beziehung auf Präsentation, Wahl, Ernennung und Entlassung der öffentlichen Beamten werden durch die gegenwärtige Verfassungs-Urkunde nicht verändert.

§. 174. (d. L. V. G.)
Werden Dienstentlassungen wegen Veränderung der Landes-Behörden nothwendig, so hat der ausser Thätigkeit gesetzte Staatsdiener Anspruch auf ein seinen bisherigen Verhältnissen angemessenes Wartegeld.
Bei nothwendigen Dienstversetzungen hat der Staatsdiener ein Recht auf seinen bisherigen Gehalt und Rang.

§. 175. (d. L. V. G.)
Diejenigen Staatsdiener, welche wegen Altersschwäche oder anderer körperlichen oder geistigen Gebrechen ihren Dienstpflichten nicht mehr Genüge leisten können und daher in den Ruhestand versetzt werden müssen, sollen eine ihren Dienstjahren und ihrer Diensteinnahme angemessene Pension erhalten.

§. 176. (d. L. V. G.)
Keinem Staatsdiener soll die nachgesuchte Entlassung vom Amte verweigert werden. Indeß muss er sich vor dem wirklichen Austritte aus dem Dienste, auf Verlangen seiner vorgesetzten Behörde, aller ihm deshalb obliegenden Verbindlichkeiten vollständig entledigen.

§. 177. (d. L. V. G.)
Kein Staatsdiener - er mag vom Könige oder Dessen Behörden, von Corporationen oder Einzelnen präsentirt, erwählt oder ernannt sein - kann seines Amts willkürlich entsetzt werden.
Kein königlicher Diener, welcher lediglich ein Richteramt bekleidet oder welcher Mitglied eines Obergerichts ist, kann aus irgend einem Grunde ohne richterliches Erkenntnis seines richterlichen Amts entsetzt, entlassen oder auf ein minder einträgliches Amt versetzt oder mit Entziehnng des Gehalts suspendiert werden.
Ein Staatsdiener, welcher lediglich ein Richteramt bekleidet oder Mitglied eines Obergerichts ist, kann ohne richterliches Erkenntniß seines richterlichen Amts weder entsetzt noch entlassen, noch auf ein minder einträgliches Amt oder auf eine Verwaltungsstelle wider seinen Willen versetzt, noch mit Entziehung des Gehaltes suspendirt werden.
Dasselbe findet in Rücksicht der übrigen Staatsdiener Statt, wenn diese wegen Amts- oder gemeiner Verbrechen ihres Amts entsetzt werden sollen.
Wenn Königliche, nicht lediglich zur Classe der Richter gehörende Diener, nach fruchtlos vorhergegangener Warnung und Disciplinar-Strafe, ihren Dienstpflichten kein Genüge leisten, oder wenn sie durch ihr Betragen ein öffentliches Aergerniß geben, oder wegen eines gemeinen Verbrechens mit einer Criminalstrafe bereits belegt worden sind, so kann der König, nachdem Er das Gutachten des Staats-Rathes darüber vernommen hat, nach Befinden der Umstände, die Amts-Suspension mit Entziehung des Dienst-Einkommens, die Versetzung auf ein eine geringere Einnahme gewährendes Amt und selbst die Entlassung vom Amte verfügen.

§. 178. (d. L. V. G.)
Die Justiz- und Verwaltungs-Behörden sind befugt, wider die ihnen untergebene Dienerschaft Disciplinarstrafen zu verfügen.
Die höheren Behörden sind befugt, wider diese Dienerschaft, so weit sie von ihnen angestellt ist, eine Suspension vom Amte und Gehalte, welche jedoch die Dauer eines Monats nicht überschreiten darf, zu verfügen. Es kann ihnen auch eine gleiche Befugniß rücksichtlich derjenigen ihnen untergebenen Dienerschaft übertragen werden, welche eine andere oder eine höhere Behörde angestellt hat.

§. 179. (d. L. V. G.)
Die Dienstkündigung soll nur bei der untern Staatsdienerschaft vorbehalten, dieselbe jedoch nur von dem zuständigen Staats- und Departements-Minister zur Ausübung gebracht werden.


Achtes Kapitel.
Von der Gewähr der Verfassung


§. 181. (d. L. V. G.)
u.
§. 109. (d. G. v. 5. Sept.)
Die Rechte des Landes auf die Unverletzlichkeit dieser Verfassung sind von der allgemeinen Stände-Versammlung bei dem Könige oder nöthigenfalls bei der deutschen Bundes-Versammlung wahrzunehmen.
Wenn aber die in dieser Verfassungs-Urkunde begründete landständische Verfassung auf verfassungswidrige Art (§. 180) aufgehoben würde, wozu namentlich auch der Fall gehört, wenn die Stände-Versammlung nicht zu der Zeit, wo dies verfassungsmäßig geschehen muss (§. 106), zusammenberufen würde, so ist das Schatz-Collegium berechtigt und verpflichtet, den König um Aufrechthaltung jener Verfassung oder um schleunige Berufung der in Gemäßheit derselben bestehenden allgemeinen StändeVersammlung zu bitten, und wenn dieser Schritt fruchtlos bleiben sollte, den Schutz des deutschen Bundes für die aufgehobene landständische Verfassung anzurufen.
An der Ausübung dieser Amtspflicht des Schatz-Collegiums nehmen die vom Könige ernannten Mitglieder desselben keinen Antheil, und die Functionen des Präsidenten werden dabei von dem im Dienstalter am höchsten stehenden, von Ständen erwählten Schatz-Rate versehen.
Im Falle eines Thronwechsels wird der König die Stände sofort, spätestens binnen 14 Tagen, berufen.
Sollte dieses unterlassen werden, so sind die zuletzt zusammenberufen gewesenen Stände berechtigt und verpflichtet, sich selbst zu versammeln und die Rechte des Landes wahrzunehmen.
In diesem Falle kann die Ständeversammlung innerhalb vier Wochen von Zeit ihres Zusammentritts ohne deren Antrag weder aufgelöst noch vertagt werden.
(§. 57 und 60 dieses Gesetzes.)
Sollten die Stände zur Zeit eines Thronwechsels versammelt sein, so können sie gleichfalls innerhalb der nächsten vier Wochen nur auf ihren Antrag aufgelöst oder vertagt werden.




Schlussbestimmung.

§. 182. (d. L. V. G.)
Alle Gesetze, Verordnungen, Observanzen und Einrichtungen, welche mit den Bestimmungen der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde in Widerspruch stehen, werden hiemit für ungültig und unverbindlich erklärt.
-
Gegeben Hannover den 6. August des Jahres 1840, Unseres Reichs im Vierten.

Ernst August.
Georg Freiherr von Schele.


(Schluß des Gesetzes vom 5. September 1848)

Gegenwärtiges Gesetz ist durch die Gesetzsammlung zu verkünden.

Gegeben Hannover, den 5. September 1848.

Ernst August.
Bennigsen.   Prott.   Süve, Dr.   Braun.   Lehzen.   Düring.




Hannover 1848, H'elwing'sche Hofbuchhandlung



Bemerkungen:

Aus technichen Gründen sind die Fraktur-Sonderzeichen in den §§. 81 & 87 mit Fußnote *1, *2 & *3 eingefügt.

Es bedeuten die neben den §§. in Klammern gedruckten Buchstaben &c. (d. L. V. G.) "des Landesverfassungsgesetzes" und (d. G. v. 5. Sept.) "des Gesetzes vom 5. September 1848)."

Diejenigen §§. des Gesetzes v. 5. Septbr., welche nur die Aufhebung einer Bestimmung des L. V. Ges. aussprechen (§§. 11, 16, 22, 24, 27, 34, 77, 105, 107) sind ausgefallen, indem die aufgehobenen Bestimmungen weggefallen sind.

Die Änderungen, durch das Gesetz vom 5. September 1848, wurden in weiten Teilen zurückgenommen. Zu beachten sind folgende, nach dem 5. September 1848 erfolgten Gutachten & Verordnungen:

  • Der Bericht des Bundes-Verfassungsgerichtes zu den Änderungen des Gesetzes vom 6. August 1840
  • Die Verordnung vom 16. Mai 1855
  • Die Verordnung vom 1. August 1855