Romkerhall
Geschichte der Königlich- Hannoveranischen- Kammergut- Staatsdomäne Romkerhall

25. Juni.


Das Hauptquartier der Armee, wie auch dasjenige Seiner Majestät des Königs, war in der Nacht zu Groß-Behringen genommen und blieb daselbst bis zum Morgen des 26. Juni.

Die Feindseligkeiten wurden am 25. Morgens nicht wieder aufgenommen, weil seit dem verfehlten günstigem Momente zur Gewinnung des Debouchee's von Eisenach die militärische Lage der Armee durch das Eintreffen zahlreicher Verstärkungen, welche von den Divisionen Beyer und Göben während der Nacht mittelst der Eisenbahn Cassel-Eisenach dorthin geworfen waren, sich entschieden ungünstig gestaltet hatte. Auch erwartete man die Ankunft des General-Adjutanten Seiner Majestät des Königs von Preußen, General-Lieutenants von Alvensleben, welcher von Berlin eingetroffen war, um auf Grund der zu Gotha stattgehabten Verhandlungen einen Abschluß mit Seiner Majestät dem Könige herbeizuführen. Nach einem am 24. Juni eingetroffenen Telegramme des Minister-Präsidenten Grafen Bismark, in Folge dessen das Gefecht bei Mechterstedt und der Angriff Eisenach's inhidirt wurden, war der in Gotha formulirte Vorschlag, nach welchem den hannover'schen Truppen freier Abzug nach dem Süden gewährt werden sollte gegen die Verpflichtung, während eines Jahres nicht gegen Preußen zu fechten, angenommen, mit dem Vorbehalte, daß hannoverscherseits Garantien gegeben würden, über welche der General-Lieutenant von Alvensleben zu unterhandeln bestimmt war. *)

*) Die Depeche des Grafen Bismark traf am 24. Juni, kurze Zeit nachdem der mit der Abberufung des Majors von Jacobi beauftragte Rittmeister v. d. Wenseseinen Befehl ausgeführt hatte, jedoch noch in Gotha anwesend war, daselbst ein.

Der Herzog von Coburg sandte den Rittmeister v. d. Wense mit dieser Depeche nach Langensalza an Seine Majestät den König, worauf Allerhöchst derselbe das als Anlage 14 beigefügte Schreiben an Seine Hoheit den Herzog richtete. Dieses Schreiben, welches wiederrum der Rittmeister v. d. Wense überbrachte, traf erst in Gotha ein, als der dort verbliebene Major von Jacobi sich bereits auf Ersuchen des Herzogs von Coburg dazu verstanden hatte, durch das schon erwähnte an den Commandirenden der hannover'schen Truppen nach Fröttstedt erlassene Telegramm in die militärischen Operationen einzugreifen.

Bei diesen am 25. Juni im Hauptquartier zu Gr. Behringen gepflogenen Unterhandlungen stellte sich jedoch heraus, daß, selbst wenn auch Seine Majestät der König sich bereit erklärt hätte, der von seinem Bevollmächtigten in Gotha gemachten Consession, ein Jahr lang nicht gegen Preußen zu dienen, nachträglich die Allerhöchste Genehmigung zu ertheilen, unter jener in dem Telegramme ausgesprochenen Forderungen von Garantien Bedingungen und Pfänder verstanden waren, die unannehmbar waren und nicht zugestanden werden konnten. Die erwähnten Verhandlungen mit dem General-Lieutenant von Alvensleben hatten daher auch kein weiteres Resultat, als daß ein Waffenstillstand abgeschoben wurde und Seine Majestät der König sich verpflichtete, seine definitive Antwort auf die von dem genannten General überbrachten Propositionen bis 10 Uhr Morgens am 26. Juni nach Berlin zu senden.

Der Waffenstillstand war "bis auf Weiteres" geschlossen und nach dem (aus der Anlage 15 ersichtlichen) Wortlaut des betreffenden Uebereinkommens war man im Hauptquartier nicht zweifelhaft darüber, daß zur Beendigung desselben vorherige Kündigung erforderlich sei.

Die Armee verblieb am 25. Juni im Allgemeinen in den während der Nacht erreichten Stellungen und erfreute sich einiger Ruhe, welcher die durch Anstrengungen und Hitze bei mangelhafter Verpflegung erschöpften Truppen höchst bedürftig waren. Die Herbeischaffung der nothwendigen Lebensmittel aus dem nächsten Bereiche der Truppen war kaum noch möglich. Man beschloß deshalb, da der Waffenstillstand eine größere Ausbreitung ermöglichte und ohnehin der General-Lieutenant von Alvensleben den Wunsch ausgesprochen hatte, daß die Truppen von Mechterstedt und Eisenach weiter zurückgezogen werden möchten, die Armee am nächsten Tage in ein weitläufuges Cantonnement um Langensalza zu verlegen. Zu diesem Zwecke wurde am 25. Juni die in der Anlage 16 mitgetheilte Ordrean die Armee erlassen und darin im vollsten Vertrauen auf ungestörte Waffenruhe auch die Bestimmung mit aufgenommen, daß in den zu beziehenden Cantonnements nur innere Sicherheitsmaßregeln getroffen werden sollten. Um Collisionen mit preußischen Truppen in diesen Cantonnements zu verhüten, wurde die beabsichtigte Dislocation noch an demselben Tage dem commandirenden General von Falckenstein mitgetheilt. Letzterer befand sich bereits in Eisenach mit der Division Goeben und einem Theile der Division Beyer; erstere, welche sich am 24. Mittags noch zwischen Göttingen und Münden befunden hatte, wurde bis zum 25. Nachmittags vollständig bei Eisenach concentrirt.

Am 25. Nachmittags sandte Seine Majestät der König den Oberstlieutenant Rudorff mit der dem General von Alvensleben in Aussicht gestellten Antwort nach Eisenach ab, um sich von dort nach Berlin zu begeben. Der Oberstlieutenant wurde jedoch an der Ausführung dieser Mission verhindert, indem der General von Falckenstein die Beförderung desselben auf der Eisenbahn verweigerte. Er erfuhr zugleich auf zuverlässige Weise, daß der bestehende Waffenstillstand von dem General nicht anerkannt werde und schloß aus den in und bei Eisenach stattfindenden Truppenbewegungen, daß im Gegentheil ein Angriff auf die im Vertrauen auf den Waffenstillstand sorglos unmittelbar vor Eisenach bivoukirende Avantgarde der Brigade von bülow nahe bevorstehe. Nachdem es ihm noch gelungen war, durch andertweitige Vermittlungen ein Telegramm an Seine Majestät den König von Preußen abgehen zu lassen, welches sowohl die Vereitelung seiner Sendung, als auch die Nichtanerkennung des Waffenstillstandes von Seiten des Generals von Falkenstein constatirte *), eilte der Oberstieutenant in's Hauptquartier zurück, um den commandirenden General von dem von dieser Seite drohenden Angriffe zu benachrichtigen. Die Vortruppen der Brigade Bülow vor Eisenach waren auf seine Veranlassung bereits weiter zurück genommen und der Oberst von Bülow avertirt, worauf dieser mit einbrechender Nacht mit seiner ganzen Brigade den Rückzug nach Groß-Behringen antrat und in einer Bereitschaftsstellung westlich dieses Orts den Anbruch des nächsten Morgens erwartete.

*) Das betreffende Telegramm lautete:

An Seine Majestät den König von Preußen

Berlin.

"Oberstlieutenant Rudorff ist beauftragt, die Antwort Seiner Majestät des Königs von Hannover nach Berlin zu bringen. Er wird vom General-Lieutenant von Falckenstein zurückgewiesen. General v. Falckenstein erkennt den mit dem General von Alvensleben abgeschlossenen Waffenstillstand nicht an."


Fortsetzung des officiellen Kriegsberichtes: 26. Juni




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