Romkerhall
Geschichte der Königlich- Hannoveranischen- Kammergut- Staatsdomäne Romkerhall

Neue Landschaftsordnung

für das 

Herzogthum Braunschweig
vom 12. October 1832

Dekoration Romkerhall


Wappen Herzogthum Braunschweig



Braunschweig,
Verlag von Friedrich Vieweg.
1832



Dekoration Romkerhall




Von Gottes Gnaden, Wir Wilhelm, Herzog von Braunschweig und Lüneburg &c.

Eingedenk Unsers hohen Berufes, das Glück Unserer getreuen Unterthanen nach Kräften zu befördern und die Rechte Aller zu sichern, haben wir eine Revision der Landschaftsordnung von 1820 nothwendig  erachtet, und nach beendigter Berathung und getroffener Uebereinkunft mit getreuer Landschaft erlassen Wir, mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, die gegenwärtige neue Landschaftsordnung, als das Grundgesetz des Landes; jedoch hinsichtlich der im § 109 und 110 enthaltenen, sich auf das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht beziehenden, Bestimmungen, unter ausdrücklichem Vorbehalt der dieserhalb mit den fürstlichen Häusern Waldeck und Pyrmont, Lippe und Schaumburg-Lippe, zu treffenden Verabredungen:

Dekoration Romkerhall



Erstes Kapitel.

Von dem Herzogthume, der Regierungsform und dem Landesfürsten.

Dekoration Romkerhall


§ 1.

1. Untheilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Landes.

Die sämmtlichen Herzogl. Lande bilden einen, durch dasselbe Grundgesetz verbundenen, untheilbaren Staat, und kein Bestandtheil des Herzogthums kann ohne Zustimmung der Stände, Gränzberichtigungen ausgenommen, veräußert werden.

§ 2.

2. Regierungsform.

Die Regierungsform des Herzogthums ist die erblich-monarchische.

§ 3.

3. Staatsoberhaupt.

Der souveraine Landesfürst, als Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich die gesammte, ungetheilte Staatsgewalt, und übt sie auf verfassungsmäßige Weise aus.
Seine Person ist heilig und unverletzlich.

§ 4.

4. Reversalen.

Der Landesfürst wird in dem Patente, durch welches er seinen Regierungsantritt verkündigt und die allgemeine Huldigung anordnet, zugleich bei seinem fürstlichen Worte versichern, daß er die Landes-Verfassung in allen ihren Bestimmungen, beobachten, aufrecht erhalten und beschützen wolle.
Die Urschrift dieses Patents, unter des Landesfürsten Hand und Siegel, wird dem ständischen Ausschusse zur Aufbewahrung in dem ständischen Archive zugestellt.

§ 5.

5. Innere Verwaltung.

Die gesammte Staatsverwaltung geht vom Landesfürsten aus. Sie wird nur vermöge der von ihm verliehenen Gewalt unmittelbar oder mittelbar in seinem Namen ausgeübt, und steht unter seiner Oberaufsicht.
Kein Landesgesetz und keine Verordnung tritt in Kraft, bevor sie von der Landesregierung verkündigt sind.

§ 6.

Fortsetzung. Der Landesfürst kann in einzelnen Fällen Dispensationen von den gesetzlichen Vorschriften ertheilen, jedoch, insofern dritte Personen wegen ihrer Rechte betheiligt sind, nur mit deren Zustimmung.

§ 7.

6. Auswärtige Verhältnisse.

Der Landesfürst vertritt den Staat in allen Verhältnissen zu dem teutschen Bunde und zu anderen Staaten.
Er ordnet die Gesandtschaften und Missionen an, schließt Staats-Verträge und erwirbt dadurch Rechte für das Herzogthum, so wie er dasselbe zur Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeiten verpflichtet.

§ 8. 

Fortsetzung. Der Ständeversammlung wird, sobald es die Umstände zulassen, von solchen Verträgen in Kenntniß gesetzt.
Die zur Ausführung derselben erforderlichen Mittel bedürfen der ständischen Bewilligung, und, sollen in deren Folge neue Landesgesetze erlassen oder die bestehenden aufgehoben oder abgeändert werden; so ist hiezu die verfassungsmäßige ständische Mitwirkung erforderlich.

§ 9.

7. Militairhoheit.

Dem Landesfürsten steht die Verfügung über die bewaffnete Macht, deren Formation, Organisation, Ausbildung und Disciplin ausschließend zu.
Ohne seine Erlaubniß darf sich in dem Herzogthume keine bewaffnete Macht bilden oder aufstellen.

§ 10.

8. Verleihung von Titeln, Würden u. s. w.

Der Landesfürst hat allein das Recht, Titel, Rang, Würden, gesetzlich zulässige Privilegien, Standeserhöhungen und Ehrenzeichen zu verleihen.
Titel, Rang und Würden, Privilegien, Standeserhöhungen und Ehrenzeichen, welche Landeseinwohnern von auswärtigen Regierungen verliehen worden, dürfen nur mit Zustimmung des Landesfürsten angenommen werden.

§ 11.

9. Verhältniß des Herzogs zu dem Deutschen Bunde.

Der Landesfürst theilt als Mitglied des teutschen Bundes alle aus diesem herfließenden Rechte und Verpflichtungen.

§ 12. 

Fortsetzung. Allgemeine Anordnungen und Beschlüsse des teutschen Bundes erhalten dadurch Gesetzeskraft für das Herzogthum, daß sie von dem Landesfürsten verkündigt werden.

§ 13.

10. Sitz der Regierung.

Der Sitz der Regierung kann, dringliche Nothfälle ausgenommen, nicht außer Landes verlegt werden.

§ 14.

11. Regierungserbfolge.

Die Regierung wird vererbt in dem fürstlichen Gesammthause Braunschweig-Lüneburg nach der Linealerbfolge und dem Rechte der Erstgeburt, und zwar zunächst in dem Mannsstamme aus rechtmäßiger, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe.
Erlischt der Mannsstamm des fürstlichen Gesammt-Hauses, so geht die Regierung auf die weibliche Linie nach gleichen Grundsätzen über.

§ 15.

12. Volljährigkeit des Landesfürsten.

Der Landesfürst wird mit vollendetem 18ten Jahre volljährig.

§ 16.

13. Regierungsvormundschaft.

Eine Vormundschaft tritt ein, wenn der Landesfürst wegen Minderjährigkeit zur eigenen Ausübung der Regierung nicht fähig ist.

§ 17.

a. Anordnung derselben für den minderjährigen Regierungsnachfolger.

Der Landesfürst kann für seinen minderjährigen Nachfolger den Vormund bestellen.
Er wird diesen aber aus den regierungsfähigen Agnaten des Hauses wählen, oder, Falls besondere Gründe hiervon abzugehen, vorhanden seyn sollten, seiner Gemahlin oder seiner Mutter die Vormundschaft übertragen, und nur wenn keine dieser Personen vorhanden ist, steht es ihm zu, einen nicht regierenden volljährigen Prinzen aus den zum Deutschen Bunde gehörenden Fürstenhäusern zum Regenten zu ernennen.

§ 18. 

Fortsetzung. Hat der Landesfürst keine Anordnung über die Vormundschaft getroffen, so gebührt dieselbe dem, nach der Erbfolgeordnung, zunächststehenden volljährigen, regierungsfähigen Agnaten, und falls dieser die Regentschaft ausschlüge, dem nachfolgenden, sodann der Mutter des minderjährigen Landesfürsten, und endlich dessen Großmutter von väterlicher Seite, sofern diese im Wittwenstande verblieben sind.

§ 19. 

Fortsetzung. Wäre keine der Personen, welche das Gesetz zur Vormundschaft beruft, vorhanden, oder schlügen dieselben die Vormundschaft auf, so wählt die Ständeversammlung, auf den Vorschlag des Staatsministeriums, den Vormund aus den volljährigen, nicht regierenden Prinzen der zum Deutschen Bunde gehörenden Fürstenhäuser.

§ 20.

b. Reversalen des Vormundes.

Der Vormund verkündet durch ein Patent den Eintritt der vormundschaftlichen Regierung, und stellt die Reversalen nach den § 4 enthaltenen Bestimmungen für die Dauer der Vormundschaft aus.

§ 21.

c. Erlöschen der Vormundschaft.

Die Vormundschaft erlischt, sobald der Landesfürst volljährig geworden ist, und seinen Regierungsantritt auf die verfassungsmäßige Weise verkündigt hat (§ 4).

§ 22.

14. Erziehung des Regierungsnachfolgers.

Wenn der vorhergehende Landesfürst über die Erziehung des minderjährigen Landesfürsten keine Bestimmung getroffen hat, so gebührt die Leitung der Erziehung des minderjährigen Landesfürsten dem Vormunde unter Beirath des Staats-Ministeriums.
Die Mutter des minderjährigen Landesfürsten, und nach dieser dessen Großmutter von väterlicher Seite, sind indeß berechtigt, hiebei mit ihrem Gutachten und Rathe gehört zu werden.

§ 23.

15. Hausgesetze.

Die inneren Verhältnisse des herzoglichen Hauses werden von dem Landesfürsten, als dem Oberhaupte der Familie, durch Hausgesetze geordnet. Diese bedürfen der ständischen Zustimmung nicht, es können indeß durch dieselben keine in diesem Landesgrundgesetze enthaltenen Bestimmungen abgeändert werden.


Dekoration Romkerhall




Zweites Kapitel. 

Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Unterthanen.

Dekoration Romkerhall


1. Landeseinwohnerrecht.

§ 24.

a. Dessen Erwerbung.

Wer auf gesetzliche Weise das Recht des Wohnsitzes innerhalb der Grenzen des Staatsgebietes erworben hat, ist Landeseinwohner.

§ 25.

b. Dessen Folgen.

Alle Landeseinwohner sind dem Landesfürsten Treue, Ehrfurcht und Gehorsam schuldig, und verpflichtet, den Gesetzen und den dieselben vollziehenden Behörden zu gehorchen. Sie genießen sämmtliche, durch Verfassung und Gesetz zugesicherte, Rechte, vorbehaltlich der in Bezug auf die Ausübung einzelner Rechte geltenden Beschränkungen.

§ 26.

c. Bedingungen und Ausübung politischer Rechte.

Erbhuldigungseid. Nur Landeseinwohner sind zur Ausübung politischer Rechte im Herzogthume befugt.
Alle männlichen Landeseinwohner sind nach zurückgelegten ein und zwanzigsten Lebensjahre verpflichtet, den Erbhuldigungseid zu leisten. Dieser soll also lauten:
"Ich schwöre Treue und Gehorsam dem durchlauchtigsten Landesfürsten und dessen Nachfolgern an der Landesregierung aus dem durchlauchtigsten Hause Braunschweig, so wie Gehorsam den Gesetzen."

§ 27.

d. Dessen Erlöschen.

Das Landes-Einwohnerrecht geht durch Auswanderung verloren.
Einzelne darin begriffene Befugnisse erlöschen durch den Verlust der dieselben bedingenden Eigenschaften, oder in Folge der Uebertretung bestimmter Gesetze.

§ 28.

2. Fremde.

Fremde, während ihres Aufenthalts im Staatsgebiete, genießen den Schutz der Gesetze und sind zu deren Beobachtung verpflichtet.
Die Verwaltungs-Behörden entscheiden, ob und wie lange ihnen der Aufenthalt zu gestatten sei.

§ 29.

3. Einzelne Rechte.

a. Religionsfreiheit.

Jedem Einwohner wird vollkommene Freiheit des Gewissens und des religiösen Glaubens, auch das öffentliche Bekenntniß desselben in einer der im Staate jetzt gestatteten kirchlichen Gesellschaften gewährt. Niemand darf jedoch seine Religion vorschützen, um sich einer gesetzlichen Verpflichtung zu entziehen. Äußere Religionsübung ist der Oberaufsicht des Staates unterworfen.

§ 30.

b. Freiheit der Meinungen.

Niemand darf wegen geäußerter Meinung zur Verantwortung gezogen werden, es sey denn, daß durch deren Aeußerung eine gesetzliche Vorschrift übertreten, oder daß zu gesetzwidrigen Handlungen angereizt wäre.

§ 31.

c. Freiheit der Presse und des Buchhandels.

Die Freiheit der Presse und des Buchhandels soll bestehen unter Beachtung der Beschlüsse des Deutschen Bundes und der gegen den Mißbrauch dieser Freiheit zu erlassenden Gesetze.

§ 32.

d. Sicherheit der Person und des Eigenthums.

Der Staat gewährt jedem Einwohner und jeder rechtlich bestehenden Corporation Sicherheit der Person, des Eigenthums und der übrigen Rechte, und unterwirft sie keinen anderen Beschränkungen, als denen, welche auf Recht und Gesetzen beruhen.

§ 33. 

Fortsetzung. Privateigenthum und Privatgerechtsame können für wesentliche Zwecke des Staats oder einer Gemeinde nur in den gesetzlich bestimmten oder durch dringende Nothwendigkeit gebotenen Fällen, gegen vorgängige volle Entschädigung, auf Verfügung der competenten Verwaltungsbehörden, in Anspruch genommen werden. War es unmöglich, die Entschädigung vorgängig zu ermitteln, so muß dieselbe nachträglich ohne Anstand festgestellt und geleistet werden.
Ein Streit über den Betrag der Entschädigung ist im ordentlichen Rechtswege zu erledigen.

§ 34.

e. Freie Wahl des Berufs und Rechtsgleichheit zum Staatsdienst.

Die Wahl des Berufs und Gewerbes, so wie der vorbereitenden Bildungsanstalten des In- und Auslandes, ist frei. Die Verschiedenheit des Standes und der Geburt soll  bei Besetzung von Civil-Aemtern und Militairgraden keinen Vorzug begründen.

§ 35.

f. Auswanderung.

Jeder Landeseinwohner hat das Recht der Auswanderung ohne Erlegung einer Abzugssteuer, jedoch unter den durch die Verpflichtung zum Kriegsdienste oder sonstige Verbindlichkeiten gegen den Staat und Privatpersonen eintretenden Beschränkungen.

§ 36.

g. Ablösbarkeit der gutsherrlichen und sonstigen Realrechte.

Alle privatrechtlichen Reallasten an Zehnten, Hand- und Spanndiensten, Geld-, Getraide- und sonstige Natural-Abgaben und Leistungen, womit das Eigenthum oder das erbliche Besitzrecht an einem Grundstücke beschwert ist, oder in Zukunft beschwert werden könnte, so wie auch alle blos persönliche, d. h. gewissen Personen ohne den Besitz eines Grundstücks obliegende, Dienste und Leistungen sind, ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund ihrer Entstehung, der Ablösung dergestalt unterworfen, daß ihre Aufhebung gegen eine Entschädigung, welche das Gesetz bestimmten wird, verlangt werden darf.

§ 37.

h. Aufhebung der Feudalrechte.

Alle im Umfange des Herzogthums belegene Lehne jeder Art, es mögen solche von dem Landesfürsten, von öffentlichen Anstalten, Corporationen, oder von Privatpersonen releviren, unmittelbare oder Afterlehne sein, sind der Aufhebung des landesherrlichen und agnatischen Lehnsverbandes in den noch gesetzlich zu bestimmenden Verhältnissen unterworfen.

§ 38.

i. Recht der Beschwerde.

Jederman darf seiner Angelegenheit schriftliche Bitten an den Landesfürsten und die Landesbehörden in vorschriftsmäßiger Weise und mit Beobachtung der vorgeschriebenen Ordnung richten, und Beschwerden über gesetz- und ordnungswidriges Verfahren der Behörden bis zur obersten Staatsbehörde, welche ihn unmittelbar bescheiden wird, schriftlich verfolgen.

4. Einzelne Pflichten

§ 39.

a. Staatslasten.

Die Theilnahme an den Staatslasten trifft Alle, welche im Staatsgebiete wohnen oder Grundeigenthum besitzen, allgemein und nach gleichmäßigen Grundsätzen. Nur Erlasse, jedesmal höchstens für die Dauer einer Finanzperiode, keine Befreiungen von denselben können bewilligt werden. Die fürstlichen Schlösser, Palläste, Gebäude und Gärten und das Grundeigenthum und Einkommen der Kirchen und übrigen frommen Stiftungen, soweit dasselbe jetzt von den ordentlichen Steuern befreiet ist, sind frei von Staatslasten.

§ 40.

b. Waffendienst.

Alle Landeseinwohner sind in dem gesetzlichen Verhältnisse zur Vertheidigung des Vaterlandes im Kriegsdienste, und zum Waffendienste behuf des Gemeindeschutzes verpflichtet.


Dekoration Romkerhall




Drittes Kapitel.   

Von den Gemeinden.

Dekoration Romkerhall


A. Allgemeine Bestimmungen.


§ 41.

a. Gemeinde-Bezirke.

Jedes Grundstück im Lande muß einem bestimmten Gemeindebezirke angehören.
Die Landesregierung wird diese Gemeindebezirke, soweit sie noch zweifelhaft sind, durch Verordnungen bestimmen.

§ 42.

b. Gemeinde-Genossen.

Jeder Landeseinwohner muß einer bestimmten Gemeinde angehören, und zwar derjenigen, in welcher er, den gesetzlichen Bestimmungen zufolge, seinen Wohnsitz hat.

§ 43.

c. Markgenossen.

Grundbesitzer, welche das Recht des Wohnsitzes in der Gemeinde nicht erlangt haben, genießen wegen ihres Besitzthums denselben Schutz, welcher den Einwohnern gewählt wird; sie sind aber auch, wie diese, zu den auf den Grundstücken haftenden Lasten verpflichtet.

§ 44.

d. Bildung neuer Gemeinden.

Keine Gemeinde kann sich bilden ohne Genehmigung der Landesregierung, und ohne diese darf eine Gemeinde weder ihrem Gemeindeverwaltungsverband durch Aufnahme anderer Gemeinden erweitern, noch durch Bildung neuer und besonderer Gemeinden zu verändern, noch ihre rechtliche Tätigkeit bestehende Gemeindeverfassung eigenmächtig umgestalten.

§ 45.

e. Vermögensverhältnisse.

1) In Beziehung zum Staate. Das Vermögen und Einkommen der Gemeinden und ihrer Anstalten darf nie mit den Staatsvermögen oder den Staatseinnahmen vereinigt werden.

§ 46. 

Fortsetzung. Die Gemeinden haben ihr Vermögen durch ihre Behörden selbstständig zu verwalten. Die Oberaufsicht der Regierungsbehörden erstreckt sich nur darauf, daß die Verwaltung überhaupt den bestehenden Gesetzen gemäß geschehe, daß insbesondere das Gemeinde-Vermögen erhalten, das Einkommen davon zu Gemeindezwecken verwandt, und daß bei der Vertheilung der Gemeinde-Abgaben nach gleichmäßigen Grundsätzen verfahren werde.
Der Regierungsbehörde steht die Entscheidung auf die Beschwerden zu, welche gegen die Gemeinde-Verwaltung erhoben werden.

§ 47. 

2) Mehrere Gemeinden. In den Ortschaften, welche aus verschiedenen Gemeinden zusammengesetzt sind, bleibt die Verwaltung des, einer jeden derselben besonders zustehenden, Vermögens und der Gerechtsame getrennt, es sey denn, daß das Gegentheil durch ordnungsmäßig gefaßte Beschlüsse der betheiligten Gemeinden festgestellt würde.

§ 48. 

3) Einzelner Gemeindemitglieder. Durch die mit dem Wohnsitzrechte verbundene Aufnahme in die Gemeinde allein werden keine Anrechte an den Gemeindegütern gewonnen, deren Mitbenutzung an den Besitz gewisser Grundstücke in der Gemeinde geknüpft ist, auch nicht an den Gütern, welche gewissen Genossenschaften gehören.

f. Gemeindelasten

§ 49. 

1) Allgemeine Pflicht dazu. Von den verfassungsmäßig der Gemeinde oder mehreren im Verbande stehenden Gemeinden aufgelegten Gemeindelasten und Leistungen kann kein Mitglied der Gemeinde oder des Verbandes, so wie auch kein in derselben belegenes Grundstück anders, als aus gesetzlichen Gründen befreiet werden.

§ 50. 

2) Deren rechtliche Begründung. Keine Gemeinde kann mit Leistungen und Ausgaben beschwert werden, wozu sie nicht nach allgemeinen Gesetzen oder besonderen Rechtsverhältnissen verbunden ist. Dasselbe findet auch auf mehrere im Verbande stehende Gemeinden Anwendung.

§ 51. 

3) Entschädigung wegen allgemeiner Lasten. Alle Lasten, welche nicht durch die örtlichen Bedürfnisse der Gemeinde, oder eines Verbandes von Gemeinden, sondern durch die Erfüllung allgemeiner Verbindlichkeiten des Landes oder einzelner Theile desselben herbeigeführt werden, z. B. Einquartierungen und Kriegsfuhren, müssen, insowie nicht besondere Rechtsverhältnisse eine Ausnahme begründen, von dem gesammten Lande oder dem betreffenden Landestheile in dem Maaße getragen werden, daß diejenigen, welchen die Last wirklich aufgelegt ist, Entschädigung erhalten.

g. Gemeindebeamten.

§ 52. 

Sämmtliche Vorstände, so wie die übrigen Beamten der Gemeinden, sind auf Festhaltung der Landesverfassung und Wahrnehmung der dadurch begründeten Rechte der Gemeinden zu verpflichten.


B. Besondere Bestimmungen

1) Für die städtischen Gemeinden.

§ 53. 

a. Allgemeine Rechte. Die Bürgerschaft ist in den Städten und denjenigen Flecken, welchen eine städtische Verwaltung zugestanden ist, soll berechtigt sein:
1) durch eine doppelte Wahlhandlung ihre Vertreter zu wählen;
2) durch diese Vertreter und die stimmführenden Mitglieder des Magistrats die Beamten der Stadtverwaltung frei zu wählen, und zwar in dem Maaße, daß nur die stimmführenden Mitglieder des Magistrats der landesfürstlichen Bestätigung bedürfen;
3) durch diese Vertreter bei der Verwaltung aller Gemeindeangelegenheiten, insbesondere bei allen denen, welche das Vermögen, die Rechte und Verbindlichkeiten, so wie die Bewilligung der von der Gemeinde zu tragenden Lasten und Leistungen zum Gegenstande haben, mitzuwirken.

§ 54. 

b. Städteverordnungen. Auf den Grund der Bestimmungen dieses Kapitels sollen die Rechtsverhältnisse der städtischen Gemeinden und deren Beamten durch die allgemeine Städteordnung, und die jeder einzelnen städtischen Gemeinde durch ein besonderes Statut näher und ausführlicher festgesetzt werden.

2) Für die Landgemeinden.

§ 55. 

a. Ortsvorsteher und Ortsgeschworene. Den Landgemeinden steht das Recht zu, ihre Ortsvorsteher unter Vorbehalt der Bestätigung von Seiten der Regierungsbehörde, zu wählen. Gleichfalls haben sie das Recht, ihre Ortsgeschworenen selbst zu wählen, und durch diese alle Gemeindeangelegenheiten mit zu berathen, insofern nicht, bei wichtigen gegenständen, den Rath der versammelten gemeinde zu vernehmen erforderlich erachtet würde.
Diesen Grundsätzen gemäß sollen die Verhältnisse der Landgemeinden durch eine Gemeindeordnung festgestellt, und in dieser über die Wahl des Ortsvorstehers und der Ortsgeschworenen das Nähere bestimmt werden.

§ 56. 

b. Neue Anbauer. Neue Anbauer sollen nicht ohne vorgängige Vernehmung der Landgemeinde, und im Falle eines Widerspruchs, nicht ohne vorgängige Entscheidung der Verwaltungsbehörden über die vorgebrachten Gründe, zugelassen werden.


Dekoration Romkerhall




Viertes Kapitel.

Von den Landständen.

Dekoration Romkerhall


Erster Titel. 

Von dem Wesen und Zwecke der Landstände und von der Zusammensetzung der Stände-Versammlung und des ständischen Ausschusses.

Erster Abschnitt. 

Wesen und Zweck der Stände.


§ 57. 

Die Stände des Herzogthums vertreten in dem grundgesetzlichen Verhältnisse zu den Landesregierung die Gesammtheit der Landeseinwohner und sind daher berechtigt und verpflichtet, deren verfassungsmäßige Rechte und allgemeine Interessen wahrzunehmen, und auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise geltend zu machen.

§ 58. 

Die gesammte Landschaft bildet ein ungetrenntes Ganzes.

§ 59. 

Sie übt ihre verfassungsmäßige Wirksamkeit entweder in voller Versammlung auf Land- und Convocationstagen durch die Ständeversammlung, oder, zwischen den Landtagen und während deren Vertagung, durch das Organ des ständischen Ausschusses.


Zweiter Abschnitt.

Zusammensetzung der Ständeversammlung.


I. Zahl der Abgeordneten, deren Vertheilung auf die Standes-Klassen und Art ihrer Erwählung.

A. Im Allgemeinen.

§ 60. 

Die Ständeversammlung besteht aus 48 Abgeordneten des Landes, und zwar aus
10 Abgeordneten der Ritterschaft,
10 Abgeordneten der Städte,
10 Abgeordneten der Fleckenbewohner, Freisassen und Bauern, und
16 Abgeordneten, welche gemeinschaftlich von diesen drei Standesklassen gewählt werden.


B. In den einzelnen Klassen.

1. Bei der Ritterschaft

§ 61. 

a. Wahlbezirk. Die in die Rittermatrikel eingetragenen landtagsfähigen Güter des Herzogthums bilden einen Wahlbezirk bei der Wahl der ritterschaftlichen Abgeordneten.

§ 62. 

b. Wahlart. Die Ritterschaft wählt ihre Abgeordneten durch eine einfache Wahlhandlung.

2. Bei den Städten.

§ 63. 

a. Wahlbezirke. Die Städte des Herzogthums bilden folgende sieben Wahlbezirke:
Erster Bezirk - Braunschweig,
Zweiter Bezirk - Wolfenbüttel,
Dritter Bezirk - Helmstädt,
Vierter Bezirk - Königslutter, Schöningen und Schöppenstädt,
Fünfter Bezirk - Gandersheim und Seesen,
Sechster Bezirk - Holzminden und Stadtoldendorf,
Siebenter Bezirk - Blankenburg und Hasselfelde.

§ 64. 

b. Vertheilung der Abgeordneten auf Bezirke. Der erste dieser Bezirke sendet sechs Abgeordnete, jeder der übrigen einen Abgeordneten.

§ 65. 

c. Wahlart. Die Abgeordneten der Städte werden durch eine doppelte Wahlhandlung gewählt, indem die Stimmberechtigten Wahlmänner ernennen, und diese, sammt den stimmführenden Mitgliedern des Magistrats, die Abgeordneten wählen.

3. Bei den Fleckenbewohnern, Freisassen und Bauern.

§ 66. 

a. Wahlbezirke. Das Herzogthum wird, in Beziehung auf die Wahl der Abgeordneten der Fleckenbewohner, Freisassen und Bauern, in folgende zehn Wahlbezirke getheilt:
1ster Bezirk - die Aemter Vechelde und Riddagshausen,
2ter Bezirk - die Aemter Wolfenbüttel und Salder,
3ter Bezirk - die Aemter Helmstedt, Schöningen und Schöppenstedt,
4ter Bezirk - die Aemter Königslutter, Vorsfelde und Calvörde,
5ter Bezirk - die Aemter Harzburg, Seesen und Lutter a. B.,
6ter Bezirk - die Aemter Gandersheim und Greene,
7ter Bezirk - die Aemter Holzminden und Stadtoldendorf,
8ter Bezirk - die Aemter Eschershausen und Ottenstein,
9ter Bezirk - das Amt Thedinghausen,
10ter Bezirk - die Aemter Blankenburg, Hasselfelde und Walkenried.

§ 67. 

b. Vertheilung der Abgeordneten. Von den 10 Abgeordneten dieser Standesklasse wählt jeder Bezirk Einen.

§ 68. 

c. Wahlart. Diese Abgeordneten werden durch eine doppelte Wahlhandlung gewählt, indem die Stimmberechtigten Wahlmänner ernennen, und diese die Abgeordneten werden.

4. Bei den übrigen Abgeordneten.

§ 69. 

Die übrigen 16 Abgeordneten werden gemeinschaftlich von allen Standesklassen, und zwar von der Ritterschaft durch eine doppelte, von den Übrigen durch eine dreifache Wahlhandlung gewählt.
Es wird zu diesem Ende für das ganze Land ein Wahlcollegium gebildet, zu welchem das ritterschaftliche und jedes städtische und ländliche Wahlcollegium so viel Wahlmänner sendet, als dasselbe Abgeordnete zu wählen hat.


C. Wahlgesetz.

§ 70. 

Die näheren Bestimmungen über das Stimmrecht bei den Wahlen der Wahlmänner und Abgeordneten, so wie über das Verfahren bei deren Wahlen, enthält das Wahlgesetz, welches zwar keinen Theil der Landschafts-Ordnung bildet, aber ohne ständische Zustimmung nicht abgeändert werden kann.


II. Gesetzlich erforderliche Eigenschaften der Abgeordneten

1) Allgemeine Erfordernisse für alle Abgeordnete.

§ 71. 

Um als Abgeordneter Wählbar zu seyn, muß man
1) das 30ste Jahr zurückgelegt und
2) seit fünf Jahren im Herzogthume seinen Wohnsitz gehabt haben,
3) sich eines unbescholtenen Rufes erfreuen,
4) weder für seine Person, noch wegen seines Vermögens unter Curatel steht,
5) keine Rückstände an öffentlichen oder Communalabgaben haben, wegen welcher die Execution bereits verfügt ist.

§ 72. 

Fortsetzung. Mitglieder des Herzogl. Staats-Ministeriums können nicht Abgeordnete seyn. Eben so wenig diejenigen, welche wirkliche Hof-, Militair- und Civilbeamte eine auswärtigen Staats sein. Es findet jedoch eine Ausnahme hinsichtlich derjenigen, welche in königl. hannoverischen Diensten stehen, Statt, so lange im Königreiche Hannover ein Gleiches beobachtet wird.
Diejenigen Mitglieder des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts zu Wolfenbüttel, welche von den, mit Braunschweig zu Haltung dieses Gerichtshofes verbundenen, Fürsten ernannt sind, werden als auswärtige Staatsdiener nicht betrachtet.

§ 73. 

Fortsetzung. Alle übrige, im diesigen Dienste stehende, Civilbeamten, active Militairpersonen, Geistliche oder Schullehrer sind wählbar. Sie müssen aber, bevor sie die Wahl annehmen, dazu die Erlaubniß der Regierung erhalten haben, welche nicht versagt werden wird, wenn nicht das Beste des Dienstes dieses nothwendig macht.

§ 74. 

Fortsetzung. Vater und Sohn können nicht zugleich Abgeordnete seyn, und wenn sie sich darüber, wer zurücktreten soll, nicht vereinigen können, geht der Vater vor.

§ 75. 

Fortsetzung. Niemand kann die Wahl zum Abgeordneten von mehreren Wahl-Collegien annehmen.

2) Besondere Erfordernisse für die einzelnen Classen der Abgeordneten.

§ 76. 

a. Bei der Ritterschaft. Wählbar als Abgeordnete der Ritterschaft sind nur Eigenthümer und lebenslängliche Nutznießer eines landtagsfähigen, in die Rittermatrikel eingetragenen Gutes.

§ 77. 

b. Bei den städtischen Abgeordneten. Wählbar als Abgeordnete der Städte sind die stimmführenden Mitglieder des Magistrats und alle diejenigen Bürger, welche entweder Handel oder Gewerbe oder Ackerbau treiben, Grundeigenthum im Bezirke der Stadt besitzen, und daselbst ihren wirklichen Wohnsitz haben, auch nach den zusammen zu rechnenden Ansätzen der Rollen sämmtlicher directen und Communalsteuern, zu den Höchstbesteuerten ihrer Stadt gehören. Die Anzahl der Höchstbesteuerten soll in jeder Stadt aus so viel Personen bestehen, als die Zahl 10 in der Zahl der vorhandenen Wohnhäuser aufgeht, zu welchen Höchstbesteuerten jedoch, falls mehrere den geringsten dieser höchsten Steuersätze zahlen, diese alle noch hinzuzurechnen sind.
Sofern unter den Höchstbesteuerten sich nicht mindestens die sechs höchstbesteuerten Handel-  oder Gewerbe-Treibenden des Wahlbezirks befinden sollten, sind diese jedenfalls unter die Zahl der Wählbaren aufzunehmen.

§ 78. 

c. Bei den ländlichen Abgeordneten. Als Abgeordnete dieser Standesclasse sind nur diejenigen wählbar, welche Eigenthümer oder lebenslängliche Nutznießer eines Freisassenhofes oder einer Reihestelle sind, in dem ländlichen Wahlbezirke wohnen, Landwirthschaft als Erwerbszweig treiben und nach dem Contributions-Cataster zu den Höchstbesteuerten ihres Amtes gehören. Die Anzahl der Höchstbesteuerten soll in jedem Amte aus so viel Personen bestehen, als die Zahl 4 in der Zahl der, in dem Amte belegenen, Reihestellen, bei welcher Landwirthschaft betrieben wird, aufgeht, zu welchen indeß, falls mehrere den geringsten dieser höchsten Contributionssätze zahlen, diese alle hinzuzurechnen sind. Aus den Gemeinden, in welchen nach diesen Bestimmungen sich nicht mindestens drei Wählbare befinden, sollen jedenfalls die drei Höchstbesteuerten unter die Wählbaren aufgenommen werden.

§ 79. 

d. Bei den Abgeordneten. Die übrigen 16 Abgeordneten werden, ohne Rücksicht auf Standesclassen, jedoch nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes, unter den Männern von höherer Geistesbildung gewählt, welche überhaupt wählbar sind (§ 71).
Zwei derselben sollen der höheren Geistlichkeit, bis zum Superintendenten einschließlich angehören.


III. Stellvertreter der Abgeordneten.

§ 80. 

Für jeden Abgeordneten wird zugleich ein Stellvertreter gewählt, der dieselben Eigenschaften haben muß, wie dieser, und einberufen wird, wenn der Abgeordnete den übernommenen Auftrag niederlegt, oder nicht fort besorgen kann.
Für die 10 Abgeordneten der Ritterschaft sollen indeß nur 5 Stellvertreter ernannt, nach dem Lebensalter einberufen, und bei jeder Abgeordnetenwahl neu gewählt werden.

§ 81. 

Fortsetzung. Über die Einberufung der Stellvertreter entscheidet die Ständeversammlung oder der Ausschuß.


IV. Ablehnung des Abgeordneten-Auftrages.

§ 82. 

Jeder ist verpflichtet, die auf ihn gefallene Wahl als Abgeordneter oder Stellvertreter anzunehmen, er könnte denn nachweisen,
1) daß er das 65ste Lebensjahr überschritten habe, oder
2) daß er durch Krankheit oder Körperschwäche auf längere Zeit für die Geschäfte der Ständeversammlung untüchtig gemacht sey, oder
3) daß er in häuslichen oder Geschäfts-Verhältnissen stehe, welche seine persönliche und dauernde Anwesenheit wesentlich erfordern.

V. Erneuerung der Ständeversammlung durch neue Wahlen

§ 83. 

1. Regelmäßige neue Wahlen. Vor dem Beginnen jedes ordentlichen Landtages, also alle drei Jahre tritt die Hälfte der Abgeordneten jeder Classe aus und wird neu gewählt.
Um dieses Austreten für die Folge zu ordnen, werden beim Schlusse des ersten ordentlichen Landtages die Abgeordneten jeder Classe, und, falls in einer Classe ein Wahlbezirk mehrere Abgeordnete sendet, siese unter sich, diejenigen durch das Loos bestimmen, welche austreten.
Vor dem dritten ordentlichen Landtage treten die Zurückgebliebenen aus, und bei dieser Reihenfolge hat es sein Bewenden.

§ 84. 

2. Nach einer Auflösung der Ständeversammlung. Nach einer, vom Landesfürsten verfügten, Auflösung der Ständeversammlung werden die Abgeordneten allgemein neu gewählt, und es findet am Schlusse des Landtages eine neue Loosung Statt, um die vor dem nächsten ordentlichen Landtage austretenden Mitglieder zu bestimmen.
Sowohl in diesem, als in dem, in dem vorhergehenden §§ erwähnten Falle können die Austretenden wieder gewählt werden.

§ 85. 

3. In einzelnen Fällen. Wenn sowohl der Abgeordnete, als dessen Stellvertreter vor Ablauf der Zeit, für welche sie gewählt waren, ihren Auftrag niederlegen, oder zu dessen Ausrichtung unfähig werden, erläßt die Landesregierung für den betreffenden Wahlbezirk neue Wahlausschreiben.

VI. Erlöschen des Auftrags der Abgeordneten

§ 86. 

Der Auftrag der Abgeordneten erlischt:
1) durch den Ablauf der Zeit, für welche sie gewählt sind,
2) durch Auflösung der Ständeversammlung, und zwar in beiden Fällen mit Beendigung der neuen Wahl des betreffenden Wahlcollegiums;
3) durch Verlust einer der Eigenschaften, welche erforderlich sind, um als Abgeordneter wählbar zu sein,
4) durch Annahme eines Staatsamtes, welches der Abgeordnete zur Zeit seiner Wahl noch nicht bekleidete, jedoch kann der Austretende wieder gewählt werden,
5) durch die Niederlegung des Auftrags, welche nur aus den § 82 unter 2. und 3. aufgeführten Gründen zulässig ist,
6) zur Strafe, wenn die Ständeversammlung die Ausschlieúng eines Mitgliedes auf den Grund der Geschäftsordnung verfügt.

Dritter Abschnitt. 

Zusammensetzung des ständischen Ausschusses.

§ 87. 

1. Zahl und Eigenschaften seiner Mitglieder. Der ständische Ausschuß soll aus 7 Abgeordneten des Landes bestehen.
Ein Mitglied desselben muß aus der ritterschaftlichen, eines aus den städtischen und eines aus den ländlichen Abgeordneten genommen werden.

§ 88. 

2. Wahl desselben. Die Ständeversammlung wählt den Ausschuß aus ihrer Mitte durch absolute Stimmenmehrheit auf, die, für die Wahl der Abgeordneten vorgeschriebene, Weise.

§ 89. 

3. Zeit der Ernennung desselben. Der Ausschuß wird ernannt, wenn der Landtag vertagt, verabschiedet oder aufgelöset wird, vor dessen Auseinandergehen.

§ 90. 

4. Stellvetreter der Auschuß-Mitglieder. Bei der Wahl des Ausschusses wird zugleich für jedes Mitglied desselben ein Stellvertreter auf gleiche Weise gewählt.
Dieser tritt in den Ausschuß ein, wenn das Mitglied, für welches er gewählt worden, behindert ist. Sollte auch der Stellvertreter selbst behindert oder bereits einberufen sein, so rückt statt seiner der an Jahren Aelteste der übrigen Stellvertreter ein.
Über die Einberufung der Stellvertreter entscheidet der Ausschuß.

§ 91. 

5. Ernennung des Ausschusses. Die Mitglieder des Ausschusses werden, wie die Abgeordneten, alle drei Jahre zur Hälfte ausscheiden, und durch neue Wahl ersetzt. Am Schlusse des ersten ordentlichen Landtages sollen daher 3 Mitglieder des Ausschusses und deren Stellvertrter aus den Abgeordneten, welche, dem Loose nach, vor dem zweiten ordentlichen Landtage ausscheiden, und vier Mitglieder und deren Stellvertreter aus denen, welche alsdann zurückbleiben, gewählt werden, und bei den folgenden Landtagen ist immer die abgehende Zahl der Ausschußmitglieder durch neue Wahl aus den zurückgebliebenen Abgeordneten zu ersetzen.
Nach einer Auflösung der Ständeversammlung findet eine allgemeine neue Wahl des Ausschusses Statt, bei welcher eben so verfahren wird, wie am Schlusse des ersten ordentlichen Landtages.

§ 92. 

Fortsetzung. Sind sowohl von den Mitgliedern des Ausschusses, als von deren Stellvertretern vor Ablauf der Zeit, für welche sie gewählt waren, so viele abgegangen, daß die Uebriggebliebenen nicht wenigstens noch die Zahl von sieben ausmachen, so ist zu einer Ergänzung des Ausschusses durch neue Wahlen zu schreiten.

§ 93. 

6. Erlöschen des Auftrages der Auschuß-Mitglieder. Der Auftrag der Mitglieder des Ausschusses erlischt mit dem Abgeordneten-Auftrage, jedoch in den § 86 unter 1. und 2. aufgeführten Fällen erst am Tage der Eröffnung der neuen Ständeversammlung.


Zweiter Titel. 

Von den Rechten und Pflichten der Landschaft.

Erster Abschnitt.  

Allgemeine Grundsätze.

§ 94. 

Die Landstände haben die heilige Pflicht, in ihrem Wirkungskreise, der Verfassung gemäß, die Wohlfahrt des Vaterlandes, frei von anderen Rücksichten, gewissenhaft zu befördern.

§ 95. 

Sie sind schuldig, bei Ausübung ihrer ständischen Rechte und Befugnisse die Verfassung genau zu beobachten, und dürfen sich nur mit den Gegenständen beschäftigen, welche Bestimmungen der Verfassung ihrem Wirkungskreise überwiesen haben.

§ 96. 

Alle Abgeordneten sind in ihren landschaftlichen Rechten und Pflichten einander gleich. Keiner ist als der besondere Vertreter seiner Standesklasse zu betrachten.


Zweiter Abschnitt. 

Einzelne Rechte und Pflichten der Ständeversammlung.

I. Mitwirkung im Finanzwesen.

§ 97. 

Die Bestimmungen über die Mitwirkung der Ständeversammlung im Finanzwesen sind im sechsten Kapitel enthalten.


II. Mitwirkung bei der Gesetzgebung.

§ 98. 

a. Fälle, wo die Zustimmung der Stände erforderlich ist. Die ständische Zustimmung ist erforderlich:
1) wenn dieses Landesgrundgesetz, oder die mit demselben erlassenen Gesetze ergänzt, erläutert oder abgeändert,
2) wenn neue organische Staatseinrichtungen getroffen, oder die bestehenden verändert,
3) wenn Landesgesetze gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt werden, die das Landes-Finanz- und Steuerwesen, die Militairpflichtigkeit und die Aushebung der Mannschaften, das bürgerliche oder Straf-Recht, den bürgerlichen oder Straf-Prozeß betreffen.

§ 99. 

b. Fälle, wo das gutachten der Stände erfordert wird. Bei allen übrigen, namentlich den das Landespolizeiwesen betreffenden, gesetzlichen Bestimmungen, müssen die Stände zuvor mit ihrem Gutachten und Rathe gehört, und es können in solchen Gesetzen Polizeistrafen bis zu einmonatigem einfachen Gefängniß oder diesem entsprechenden Geldstrafen angedroht werden.

§ 100. 

c. Form der Gesetze. Die Gesetze sollen im Eingange der erfolgten Zustimmung, oder des vorher angehörten Gutachtens und Raths der Ständeversammlung oder des ständischen Ausschusses ausdrücklich Erwähnung thun.
Alle in dieser verfassungsmäßigen Form von dem Landesfürsten verkündigten Gesetze müssen von allen Landeseinwohnern, Behörden und Gerichten befolgt werden.

§ 101. 

d. Verordnungen. Verordnungen, d. h. solche Verfügungen, welche aus dem allgemeinen Verwaltungs- und Oberaufsichts-Rechte der Regierung hervorgehen, oder welche die Ausführung und Handhabung der bestehenden Gesetze betreffen, erläßt die Landesregierung, ohne Mitwirkung der Stände.


III. Mitwirkung beim Militairwesen.

§ 102. 

Ein größeres, als das durch die Bundesgesetzgebung vorgeschriebene Truppencorps wird, ohne Zustimmung der Stände, nicht aufgestellt werden.
Ohne deren Bewilligung kann weder das Truppencorps, noch eine Abtheilung desselben, in den Dienst eines auswärtigen Staates gegeben werden.
Gleichfalls ist deren Bewilligung erforderlich, wenn durch Werbung, besonders von Ausländern, Truppen gebildet werden sollen.


IV. Rechte in Beziehung auf Rechtspflege.

§ 103. 

a. Unabhängigkeit der gerichte. Die Stände haben das Recht, auf die, durch die Landes- und Bundesgesetzgebung festgestellte, Unabhängigkeit der Gerichte in den Grenzen ihrer Zuständigkeit zu halten.
Insbesondere wird es den Parteien, welche sich durch landesfürstliche Verfügungen in der gerichtlichen Verfolgung ihrer Rechte für beeinträchtigt halten, gestattet, sich an die Ständeversammlung zu wenden, und diese ist befugt, auf die Abhülfe der, von ihr begründet erachteten, Beschwerden bei der Landesregierung anzutragen.

§ 104. 

b. Präsentationsrecht zu zwei Rathsstellen im Landesgerichte. Die Ständeversammlung hat das Recht, zu zwei Rathsstellen im Herzogl. Landesgerichte Candidaten zu präsentiren.
Sie wählt diese durch absolute Stimmenmehrheit, und ihre Wahl kann auf Jeden fallen, der ein Richteramt oder ein öffentliches juristisches Lehramt 5 Jahre bekleidet, oder 10 Jahre hindurch mit Auszeichnung die advocatische Praxis betrieben und in den beiden letzten Fällen die vorschriftsmäßige Prüfung zur Erlangung des Richteramtes bestanden hat.


V. Recht der Vorschläge.

§ 105. 

Die Ständeversammlung ist berechtigt, dem Landesfürsten Vorschläge zu Gesetzen, Verordnungen, allgemeinen Verfügungen und zur Errichtung öffentlicher Anstalten zu machen; diese Vorschläge werden genau geprüft werden, und es sollen stets landesfürstliche Entschließungen, und zwar im Ablehnungsfalle mit Anführung der Gründe, darauf erfolgen.

VI. Recht der Mitaufsicht auf die übrigen Landesangelegenheiten.

§ 106. 

Die Ständeversammlung ist befugt, wegen bemerkter Mängel oder Mißbräuche bei der Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten, Vorträge an die Landesregierung zu richten, und sich über deren Abstellung gutachtlich zu äußern.

§ 107.

Sie hat das Recht, darüber zu wachen, daß Niemand in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt, insonderheit ohne gesetzlichen Grund und ohne eine ordnungsmäßige Verfügung der competenten Polizei- oder Gerichtsbehörde verfolgt, verhaftet, bestraft, oder sonst an Freiheit oder Eigenthum gekränkt werden, und sie kann in einem solchen Falle auf Abstellung der Beschwerde und auf Bestrafung der Schuldigen bei der Landesregierung antragen.


VII. Recht der Anklage.

§ 108. 

1. Antrag auf Bestrafung. Die Ständeversammlung kann auf Bestrafung der Mitglieder des Staatsministeriums und des ständischen Ausschusses antragen, welche einer Verletzung der, auf den vorliegenden Fall unzweifelhaft anwendbaren, Bestimmungen dieses Landesgrundgesetzes sich schuldig gemacht haben.
Ein solcher Antrag muß spätestens binnen sechs Jahren nach eingetretener Verletzung gemacht werden.
In Ansehung der, dem Staatsministerium untergeordneten, Beamten sind dergleichen Anträge von der Ständeversammlung nur dann statthaft, wenn diese Beamten da, wo sie in den Grenzen eigener Verantwortlichkeit handeln, die Verfassung verletzt zu haben beschuldigt werden, und der Antrag auf Bestrafung bei den vorgesetzten Behörden und zuletzt bei dem Staatsministerium angebracht und 8 Wochen lang unbeachtet geblieben ist. In diesem Falle wird der Antrag auf Bestrafung bei dem Landesgerichte gemacht, welches die Untersuchung durch zwei seiner Mitglieder zu führen und das erste Erkenntniß abzugeben hat, gegen welches die ordentlichen Rechtsmittel zulässig sind.

§ 109. 

2. Bildung eines gemeinschaftlichen Gerichtshofes. Soll aber ein Antrag auf Bestrafung eines Mitgliedes des Staatsministeriums oder des ständischen Ausschusses wegen verletzter Verfassung gemacht werden, so wird zuvörderst ein eigener Gerichtshof gebildet, welcher aus sieben Mitgliedern der höheren Justizcollegien bestehen soll. Drei Mitglieder desselben werden durch das Loos aus den Mitgliedern des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts, auf den Antrag des Ausschusses oder der Ständeversammlung, die übrigen vier aus den Mitgliedern des Landesgerichts, und zwar zwei von der Landesregierung und zwei von der Ständeversammlung erwählt. Das Präsidium übernimmt das älteste der Mitglieder aus dem Oberappellationsgerichte. Die erforderlichen Secretarien werden dem Gerichte durch das Oberappellationsgericht beigeordnet.

§ 110. 

3. Verfahren und Erkenntniß. Fassen die Stände den Beschluß, auf eine Untersuchung und Bestrafung anzutragen, so wählen sie zugleich die zwei Mitglieder des Gerichtshofes und machen von diesem Beschlusse und dessen Gründen, so wie von der getroffenen Wahl bei der Regierung Anzeige, mit dem Ersuchen, daß diese gleichfalls die erforderlichen Wahlen treffe. Zugleich benachrichtigen sie hiervon das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht, welches verpflichtet ist, den gemeinschaftlichen Gerichtshof zu constituiren, und daher im Falle, daß die erforderliche Zahl der Mitglieder des Landesgerichts nicht binnen 4 Wochen erwählt sein sollte, die fehlenden durch das Loos bestimmen läßt.
Dieser Gerichtshof prüft zuvörderst: ob Grund zu einer Untersuchung vorhanden sei? nachdem ihm der umständlich zu entwickelnde und erforderlichen Falls mit den gehörigen Documenten versehene Antrag auf Bestrafung übergeben ist. Er leitet bei vorhandenem Grunde die Untersuchung ein, führt dieselbe nach den Regeln des Untersuchungsprocesses, und fällt das Erkenntniß in erster und letzter Instanz. Dieses Erkenntniß beschränkt sich auf die Beantwortung der Frage: ob der Angeklagte sich der Verletzung einer, auf den vorliegenden Fall unzweifelhaft anwendbaren, Bestimmung dieses Landesgrundgesetzes schuldig gemacht habe oder nicht ? und überläßt die Beurtheilung des, in der Verletzung des Grundgesetzes etwa liegenden, gemeinen Vergehens, so wie die aus derselben entspringenden Entschädigungsansprüche den ordentlichen Gerichten. - Wird der Angeklagte schuldig erkannt; so ist davon bei dem Beamten Dienstentlassung, und bei den Mitgliedern des Ausschusses Verlust der Abgeordneten-Eigenschaft und der Wählbarkeit die unmittelbare Folge.
Gegen das Erkenntniß findet kein anderes Rechtsmittel Statt, als die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wegen neuaufgefundener Thatsachen oder Beweisgründe.
Die Verhandlung und das Erkenntniß findet kein anderes Rechtsmittel Statt, als die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wegen neuaufgefundener Thatsachen oder Beweisgründe.
Die Verhandlungen und das Erkenntniß sollen auf Kosten des Gerichtsfiscus durch den Druck öffentlich bekannt gemacht werden.

§ 111. 

4. Abolition solcher Untersuchung. Die Abolition eienr Untersuchung wegen verletzter Verfassung ist unzulässig, und der Verurtheilte kann im Staatsdienste nicht wieder angestellt werden.

§ 112. 

5. Ausschließliche Competenz der Ständeversammlung. Nur die Ständeversamlung entscheidet darüber, ob ein Verfahren wegen verletzter Verfassung einzuleiten sei. Hat sie durch einen ordnungsgemäßen Beschluß das Verfahren der Mitglieder des Staatsministeriums oder des Ausschusses gebilligt, so findet eine ständische Anklage nicht weiter Statt.
Die ordentlichen Gerichte dürfen daher wegen verletzter Verfassung gegen die Mitlgieder des Staatsministeriums und des ständischen Ausschusses von Amtswegen nicht verfahren.


VIII. Recht der Convocationstage.

§ 113. 

Kraft althergebrachten Rechts, darf sich die Ständeversammlung in den, durch das Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen, aber auch nur in diesen, auch ohne landesfürstliche Berufung versammeln, berathen und Beschlüsse fassen.
Dieses Convocationsrecht soll Statt finden:
1) auf Veranlassung einer plötzlichen allgemeinen Landesgefahr,
2) wenn dieses Landesgrundgesetz verletzt wird, und Anträge zu dessen Schutze zu machen sind, insbesondere wenn der Landtag nicht binnen 3 Jahren berufen wird,
3) wenn der ständische Ausschuß zu ergänzen ist,
4) wenn bei dem Landgerichte von der Landschaft zu besetzende Vacanzen zwischen den Landtagen, und zwar 4 Monate vor der Versammlung des nächsten Landtages, entstanden sind,
5) wenn die Stelle des Landsyndicus erledigt ist.
In einer solchen Versammlung darf nichts vorgenommen werden, als der Gegenstand, der sie veranlaßt hat.
Nach einer, von dem Landesfürsten verfügten, Auflösung der Ständeversammlung kann das Convocationsrecht vor Eröffnung des Landtags nicht ausgeübt werden, ausgenommen in dem unter 1. aufgeführten Falle.


IX. Recht, Bittschriften anzunehmen.

§ 114. 

Die Ständeversammlung kann von einzelnen und Corporationen in den §§ 103 und 107 erwähnten Fällen Bittschriften annehmen, wenn die Bittsteller nachweisen, daß sie bei der Landesregierung um Abhülfe ihrer Beschwerde vergeblich nachgesucht haben.
Bittschriften oder Eingaben anderen Inhalts von Einzelnen oder Corporationen anzunehmen, ist die Ständeversammlung nicht befugt.


X. Ernennung des Landsyndicus und dessen Substituten.

§ 115. 

Der Ständeversammlung steht das Recht zu, einen Landsyndicus zu bestellen, und zwar wird derselbe durch absolute Stimmenmehrheit auf die, für die Wahl der Abgeordneten vorgeschriebene, Weise erwählt. Seine Anstellung ist lebenslänglich, jedoch damit die Verwaltung eines anderen Staatsamtes unvereinbar.
Die Bestimmungen des Gesetzes über den Civil-Staatsdienst finden auf ihn nur in sofern Anwendung, als dieses in der Bestallung erklärt ist.
Auch wird die Ständeversammlung für die Dauer jeder Landtagsversammlung dem Landsyndicus einen Substituten bestellen, und diesen gleichfalls nach absoluter Stimmenmehrheit erwählen.
Von der Erwählung des Landsyndicus und des Subsituten wird der Landesregierung Anzeige gemacht, und der Erwählte von der Ständeversammlung oder dem ständischen Ausschusse auf sein Amt, zugleich mit Ablegung des Erbhuldigungseides, vereidigt.


XI. Gerichtssporteln, Stempel- und Porto-Freiheit.

§ 116. 

Die Landschaft hat die Freihehti von Gerichtssporteln, Stempeln und Porto ferner zu genießen.


XII. Siegel.

§ 117. 

Die Landschaft führt ein eigenes Siegel.



Dritter Abschnitt. 

Rechte und Pflichten des ständischen Ausschusses

A. Allgemeiner Grundsatz.

§ 118. 

Der Ständische Ausschuß hat das Recht und die Pflicht:
1) zwischen den Landtagen auf die Vollziehung der, zwischen dem Landesfürsten und den Ständen getroffenen Vereinbarungen zu sehen, so wie die ihm in dieser Hinsicht erforderlich schienenden Anträge bei der Landesregierung zu machen;
2) diehenigen besonderen Befugnisse auszuüben, welche im das Gesetz zuweiset.


B. Besondere Befugnisse.

§ 119.

1. Im Finanzwesen.

Die Mitwirkung des ständischen Ausschusses im Finanzwesen ist in dem sechsten Capitel bestimmt.

§ 120.

2. Bei der Gesetzgebung.

Gebietet das Staatswohl dirngende Eile, oder würde der vorübergehende Zweck des Gesetzes durch Verzögerungen vereitelt, so können zwischen den Landtagen die das Landes-, Finanz- und Steuerwesen, so wie die Militairpflicht und die Aushebung der Mannschaft betreffenden Gesetze, mit Zustimmung des Ausschusses erlassen werden. Die Landesregierung entscheidet, unter Verantwortlichkeit sämmtlicher stimmführenden Mitglieder des Staatsministeriums, darüber: ob jene Voraussetzungen eingetreten seien ? Gesetze dieser Art sind der Ständeversammlung baldigst zur Genehmigung vorzulegen, und treten außer Wirksamkeit, wenn diese versagt wird.

§ 121. 

Fortsetzung. Einzelne, das bürgerliche und Strafrecht, den bürgerlichen und Straf-Proceß betreffende Gesetze (nicht aber ganze Gesetzbücher, die Hypotheken-Ablösungs- und Gemeinheits-Theilungsordnung) können zwischen den Landtagen, mit Zustimmung des Ausschusses, erlassenen werden.

§ 122. 

Fortsetzung. Durch die, mit Zustimmung des Ausschusses, erlassenen Gesetze kann indeß nie dieses Landesgrundgesetz oder ein mit demselben publiciertes Gesetz ergänzt, oer abgeändert, oder eine organische Einrichtung getroffen oder verändert werden.

§ 123. 

Fortsetzung. Alle Gesetze, bei welchen das Gutachten und der Rath der Stände gehört werden muß, können zwischen den Landtagen, mit dem Gutachten und Rath des Ausschusses, erlassen werden, mit Ausnahme einer allgemeinen Polizeiordnung,

§ 124.

3. Verbindlichkeit, der Landesregierung Berichte und Gutachten zu erstatten.

Die Landesregierung kann von dem ständischen Ausschusses, so oft es ihr gut dünkt, Nachrichten, Berichte und Gutachten einziehen.
Insbesondere kann sie Gesetzentwürfe, welche sie demnächst an die Ständeversammlung zu bringen denkt, dem Ausschusse zuvor zur Begutachtung vorlegen.

§ 125.

4. Recht, die Ständeversammlung zu berufen.

Der Ausschuß ist befugt, in den § 113 aufgeführten Fällen die Ständeversammlung zusammenzuberufen, um die erforderlichen Beschlüsse und Wahlen zu veranlassen.
Von einer solchen Berufung, so wie von deren Zwecke, ist sogleich bei der Erlassung der Convocationsschreiben der Landesregierung Anzeige zu machen.

§ 126.

5. Besondere Anträge.

Die Ständeversammlung kann, mit Zustimmung der Landesregierung, dem Ausschusses durch specielle Vollmacht für einzelne bestimmte Geschäfte alle die Rechte übertragen, welche sie selbst hat.

§ 127.

6. Sonstige Befugnisse.

Außerdem hat der ständische Ausschuß die Oberaufsicht über das landschaftliche Archiv, die Führung der Rittermatrikel, die Ertheilung der landschaftlichen Stipendien, die Keitung der Verwaltung der Sammlungen, Capitalien und Grundstücke der Landschaft, so wie die ihm durch die Geschäftsordnung übertragenene Functionen, zu besorgen.


Dritter Titel.

Von den Landtagen, der Behandlung der Geschäfte auf denselben, so wie von den Verhandlungen des ständischen Ausschusses.

Erster Abschnitt.  

Von den Landtagen

§ 128.

1. Ordentliche und außerordentliche Landtage.

Die Ständeversammlung muß alle 3 Jahre zu einem ordentlichen Landtage von der Landesregierung berufen werden.
Die ordentlichen Landtage sollen in der Regel in dem Monate November beginnen. Außerdem steht es dem Landesfürsten frei, jederzeit, wenn er es für nothwendig hält, die Ständeversammlung zu einem außerordentlichen Landtage zu convociren.

§ 129.

2. Ungesetzliche Versammlungen.

Mit Ausnahme der, in dem § 113 aufgeführten, Fälle, dürfen die Abgeordneten sich nicht versammeln, ohne von dem Landesfürsten berufen zu sein.
Solche landesfürstlich nicht berufene Versammlungen sind strafbar und deren Beschlüsse ungültig.

§ 130.

3. Berufung der Ständeversammlung.

Der Landesfürst beruft die Abgeordneten durch eine Verordnung, in welcher er zugleich die Zeit und den Ort der Versammlung bestimmt, und in der Regel die den Ständen vorzulegenden Propositionen, insofern sie Gesetzentwürfe betreffen, im Allgemeinen bezeichnet.

§ 131.

4. Eröffnung des Landtags.

Der Landtag wird von dem Landesfürsten in Person oder durch einen landesfürstlichen Bevollmächtigten unter den, von Höchstdemselben zu bestimmenden, Feierlichkeiten eröffnet.

§ 132.

5. Eid der Abgeordneten.

Bei der Eröffnung des Landtages schwört jeder Abgeordnete folgenden Eid:
"Ich schwöre Treue dem regierenden Landesfürsten und Höchstdessen Nachfolgern aus dem Hause Braunschweig, Gehorsam den Gesetzen, und gewissenhafte Ausübung und Erfüllung der Rechte und Pflichten eines Abgeordneten."
Dieser Eid wird bei den folgenden Landtagen nur von denen geleistet, welche zum ersten Male als Abgeordnete gewählt sind. Mitglieder, die bei Eröffnung des Landtags nicht beeidigt sind, leisten den Eid bei ihrem Eintritte in die Ständeversammlung vor dieser.

§ 133.

6. Unzulässigkeit von Instructionen und Mandaten.

Die Abgeordneten haben bei ihren Abstimmungen ganz allein ihrer, auf sorgfältige Prüfung der vorliegenden Gegenstände gegründeten, eigenen Ueberzeugung und ihrem Gewissen zu folgen, keineswegs aber Instructionen von Andern anzunehmen und zu beachten. Sie können ihre ständischen Befugnisse nur bei persönlichem Erscheinen in der Ständeversammlung ausüben.

§ 134.

7. Recht der Aeußerung.

Die Mitglieder der Landschaft haben bei ihren Berathungen das Recht, ihre Meinung frei zu äußern, und können wegen Verletzungen der Geschäftsordnung, welche weder ein besonderes Verbrechen, noch eine persönliche Beleidigung enthalten, nur von der Ständeversammlung selbst zur Verantwortung gezogen werden.

§ 135.

8. Persönliche Unverletzlichkeit der Mitglieder der Ständeversammlung.

Kein Mitglied der Ständeversammlung kann während der Landtagsversammlung verhaftet werden, als entweder im Wege des Wechselverfahrens, oder wenn dasselbe auf frischer verbrecherischer That ergriffen wird, oder mit Zustimmung der Ständeversammlung. In den beiden ersten Fällen hat die verhaftende Behörde dem Staatsministerium, und dieses der Ständeversammlung sofort Anzeige von der Verhaftung zu machen.

§ 136.

9. Von den Beamten der Ständeversammlung.

Die Ständeversammlung wählt ihre Beamte aus ihrer Mitte, nämlich einen Präsidenten und einen Vicepräsidenten.
Diese Wahl wird von dem an Jahren ältesten Mitgliede der Versammlung geleitet, und geschieht vermittelst verschlossener Zettel durch absolute Stimmenmehrheit, wobei nach den, für die Wahl der Abgeordneten vorgeschriebenen, Grundsätzen verfahren wird.
Zu der Stelle des Präsidenten und Vicepräsidenten werden für jede Stelle drei Candidaten dem Landesfürsten präsentirt, von denen derselbe einen bestätigt, der alsdann sein Amt sofort antritt.
Das Amt des Präsidenten und Vicepräsidenten erlischt mit ihrer Eigenschaft als Abgeordnete.

§ 137.

10. Gehülspersonal.

Für die Schreiberei und Registratur werden von dem Präsidenten die für die Zeit der ständischen Versammlungen nöthigen Officianten angenommen, und zur Verschwiegenheit und gehörigen Verrichtung ihrer Dienstgeschäfte eidlich verpflichtet und angewiesen.

§ 138.

11. Gegenstände der ständischen Berathung.

Die landesfürstlichen Propositionen, die Anträge der Abgeordneten und die eingegangenen verfassungsmäßig zuläsigen Bittschriften bilden die Gegenstände der Verhandlungen. Von allen zur Berathung stehenden Gegenständen kommen die landesfürstlichen Propositionen zuerst zum Vortrage und zur Berathung, und müssen, insofern nicht zwischen der Landesregierung und den Ständen ein anderes vereinbart wird, in der Ordnung, in welcher sie vorgelegt sind, erledigt werden.

§ 139.

12. Von der Beschlussnahme.

A. Erforderliche Zahl der Mitglieder. Die Ständeversammlung kann auf Land- und Convocationstagen keinen Beschluß fassen, wenn nicht mindestens zwei Drittheile der gesetzlichen Zahl ihrer Mitglieder anwesend sind.

§ 140. 

B. Regel. Sie faßt über die, zur Berathung und Entscheidung kommenden, Angelegenheiten den Beschluß nach absoluter Mehrheit der Stimmen.

§ 141. 

C. Erste Ausnahme. Wenn ein Antrag auf Abänderung dieses Landesgrundgesetzes gemacht wird, so müssen wenigstens zwei Drittheile der ganzen Landschaft demselben beistimmen, um ihm Folge zu geben.

§ 142. 

D. Zweite Ausnahme. Wenn eine Abänderung in der Vertretung einer der drei Standes-Classen vorgenommen werden soll, so muß die Mehrzahl der Abgeordneten des betheiligten Standes der, für die Änderung stimmenden, erforderlichen Mehrheit beigetreten seyn.

§ 143. 

Wiederholung eines solchen abgelehnten Vorschlags. Wird ein solcher Vorschlag abgelehnt und auf dem nächsten Landtage wieder vorgebracht, hat derselbe alsdann wiederum die Mehrheit der Stimmen des betheiligten Standes gegen sich, bilden aber zugleich sämmtliche für denselben abgegebene Stimmen die erforderliche Mehrheit der ganzen Ständeversammlung, so ist der Vorschlag angenommen.

§ 144.

13. Mitwirkung der Beschlüsse.

Die Wirkung und Beförderung eines gefaßten Beschlusses darf weder durch Verwahrungen, noch durch Berufung auf höchste Entscheidung, noch auf andere Weise aufgehalten oder gehindert werden, sondern jedes ständische Mitglied muß sich das Resultat der Abstimmung schlechterdings gefallen lassen. Gleichwohl steht es einzelnen oder mehreren Abgeordneten frei, ihre besondere Meinung schriftlich auszuführen, und zu verlangen, daß ihre Ausführung, mit dem Beschlusse der Landschaft, der Landesregierung mitgetheilt werde.

§ 145.

14. Landesfürstliche Entschließung darauf.

Ein Beschluß der Ständeversammlung erhält nicht eher gesetzliche Gültigkeit, als bis ihm die landesfürstliche Zustimmung ertheilt und als Gesetz publiciert ist.
Ob der Landesfürst ständischen Beschlüssen und Anträgen seine Zustimmung ertheilen wolle ? - hängt von dessen freier Entschließung ab.
Wird die Zustimmung versagt, so werden die Gründe der Versagung den Ständen mitgetheilt werden.

§ 146.

15. Dauer des Landtags.

Die Landtagsverhandlungen sollen binnen drei Monaten vollendet werden. - Nur mit besonderer landesfürstlicher Bewilligung kann der Landtag über drei Monate dauern.

§ 147.

16. Vertagung, Verabschiedung und auflösung der Ständeversammlung.

Der Landesfürst hat das Recht, die von ihm berufene Ständeversammlung zu vertagen, zu verabschieden und aufzulösen.
Eine Vertagung über drei Monate hinaus ist unzulässig.
In der Verodnung, durch welche die Ständeversammlung aufgelöset wird, sind zugleich die Wahlen neuer Abgeordneter zu verfügen, und es ist der Tag der Eröffnung der neugewählten Ständeversammlung, und zwar innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten, zu bestimmen.

§ 148.

17. Schluß des Landtags.

Vor dem Schlusse des Landtags werden die verschiedenen Gegenstände, worüber die Landesregierung und die Stände sich vereinigt haben, in einem Landtagsabschied kurz zusammengetragen, und dieser ist von dem Landesfürsten und, von Seiten der Stände, von dem Präsidenten und dem Landsyndicus in doppelter Ausfertigung zu unterzeichnen, zu besiegeln und durch den Druck zur öffentlichen Kunde zu bringen.


Zweiter Abschnitt.  

Verhandlungen des Ausschusses.

§ 149.

1. Wahl des Präsidenten.

Der ständische Ausschuß wählt sich einen Präsidenten aus seiner Mitte nach Stimmenmehrheit.

§ 150.

2. Art der Geschäftsführung und Beschlußnahme.

Der Ausschuß betreibt die Geschäfte collegialisch, faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit, ist aber zu eienr Beschlußnahme nur befugt, wenn vier Mitglieder desselben anwesend sind.

§ 151.

3. Vortrag der vorgenommenenGeschäfte bei der Ständeversammlung.

Ein Mitglied des Auschusses hat von den zwischen den Landtagen vorgekommenen Geschäften auf dem nächsten Landtage der Ständeversammlung ausführlichen Vortrag zu erstatten.

Dritter Abschnitt.

§ 152.

Geschäftsordnung.

Die näheren Bestimmungen über die Verhandlungen und die Formen der Berathungen und Abstimmungen in der Ständeversammlung und dem Ausschusse sind in der landschaftlichen Geschäftsordnung enthalten, welche zwar keinen Bestandtheil der Verfassung bildet, aber nur durch Übereinkünft zwischen dem Landesfürsten und den Ständen abgeändert werden kann.


Dekoration Romkerhall




Fünftes Kapitel. 

Von den obersten Landesbehörden und dem Civil-Staatsdienste.

Dekoration Romkerhall


1. Staatsdienst.

§ 153. 

a. Verantwortlichkeit. Alle Civil-Staatsdiener sind in dem ihnen angewiesenen Wirkungskreise für die Beobachtung der Gesetze und der Landesverfassung verantwortlich.

§ 154. 

b. Eid der Civil-Staatsdiener. Dieselben sollen bei Ablegung des Diensteides mit auf die Erfüllung dieser Pflicht vereidigt werden.

§ 155. 

c. Contrasignatur. Um den verfassungsmäßigen Gang der Staatsverwaltung und die dem Staatsministerium untergeordneten Staatsbeamten wegen ihrer Verantwortlichkeit zu sichern, sind die unter der Höchsten Unterschrift des Landesfürsten erlassene Verfügungen in Landesangelegenheiten nur alsdann vollziehbar, wenn sie mit der Contrasignatur eines stimmführenden Mitglieds des Staatsministeriums versehen sind.

§ 156. 

d. Verantwortlichkeit der Mitglieder des Staatsministeriums. Die stimmführenden Mitglieder des Staatsministeriums sind insbesondere für die Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit der von ihnen contrasignirten oder unterzeichneten Verfügungen verantwortlich.
Diese Verantwortlichkeit trifft diejenigen höchsten Staatsbeamten, welcher contrasignirt oder unterzeichnet hat, persönlich, und ohne Zulassung der Berufung auf eine vorher mündlich oder schrifltich erklärte abweichende Meinung.

§ 157. 

e. Gesetz über den Staatsdienst. Die übrigen Rechtsverhältnisse der Staatsbeamten sind durch das hieneben erlassene Staatsdienstgesetz bestimmt.

2. Staatsministerium.

§ 158. 

Die unmittelbar unter dem Landesfürsten mit der obersten collegialischen Leitung der Landesverwaltung ausschließlich beauftragte Behörde ist das Staatsministerium.
Für die einzelnen Verwaltungszweige bestehen Ministerial-Departements.
Dasselbe wird stets mindestens mit drei stimmführenden Mitgliedern besetzt seyn, welche der Landesfürst nach eigener Wahl ernennt und nach Gefallen verabschiedet.

3. Ministerial-Commission.

§ 159. 

Zur Berathung der Gesetzentwürfe und anderer wichtigen Landesangelegenheiten, und zur Entscheidung der zwischen den Verwaltungsbehörden und Gerichten eintretenden Competenzstreitigkeiten, soll eine Commission bestehen.
Dieselbe soll zusammengesetzt seyn aus den stimmführenden Mitgliedern des Staatsministeriums und den von dem Landesfürsten berufenen Beisitzern.
Mit der Entscheidung der Compentenz-Conflicte soll eine eigene Section dieser Commission beauftragt werden, weche aus höheren Justizbeamten und aus höheren rechtskundigen Verwaltungsbeamten besteht, und in welcher das mit dem Departement der Justiz beauftragte Mitglied des Staatsministeriums den Vorsitz führt.
Das Nähere über die Organisation dieser Behörde bestimmt das Gesetz.

4. Kreis-Directionen.

§ 160. 

Die Landesverwaltung und Polizei soll unmittelbar unter dem Staatsministerium durch Kreis-Directoren geleitet werden, deren Organisation und Geschäftskreis durch ein Gesetz bestimmt ist.


Dekoration Romkerhall



Sechstes Kapitel. 

Von den Finanzen.

Dekoration Romkerhall


§ 161.

1. Sonderung des Fürstl. Haushalts von dem Staatshaushalte.

Zur Beförderung einer geregelten Finanzverwaltung soll der Fürstl. Haushalt von dem Staatshaushalte getrennt, das gesammte, zur Bestreitung der Staatshaushaltsbedürfnisse bestimmte, Einkommen aus den Überschüssen des Cammerguts und der Steuerverwaltung aber vereinigt werden.

§ 162.

2. Cammergut

 

Die sämmtlichen Herzoglichen Domainen, Forsten, Jagden und Fischereien, die damit verbundenen Gefälle und Gerechtsame, so wie die heimfallenden Lehne, ferner die Berg- und Hüttenwerke, die Salinen, Glas- und Ziegelhütten, Steinbrüche, Kalk- und Gypsbrennereien, Braunkohnengruben und Torfstiche, die Porzellan-Fabrik und die Münze sollen das Cammergut bilden.

§ 163.

3. Stifter St. Blasii et Cyriaci.

Die Güter und Gerechtsame der auf den Grund des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 aufgehobenen Stifter St. Blasii et Cyriaci werden, vorbehaltlich der den Präbendarien ausgesetzten Pensionen, dem Cammergute einverleibt, wie solches in Ansehung der Abtei Gandersheim und des Klosters St. Ludgeri vor Helmstedt früher schon geschehen ist.

§ 164.

4. Rechtsverhältnisse des Cammerguts.

Die bisherigen Rechtsverhältnisse des Cammerguts, und namentlich die Bestimmungen des Edicts vonm 1. Mai 1794, bleiben unverändert.
Dasselbe ist daher fortwährend in seinem ganzen Bestande zu erhalten, und auf eine das nachhaltige Einkommen sichernde Weise zu benutzen. Die dazu gehörigen Grundstücke, Gerechtsame und Einkünfte können ohne Zustimmung der Stände nicht veräußert, also auch nicht verpfändet werden.
Veräußerungen ohne ständische Zustimmung sind nichtig; der Käufer hat weder gegen den Landesfürsten, noch gegen eine öffentliche Behörde ein Klagerecht auf Rückzahlung des gezahlten Kaufgeldes, sondern er kann sich nur an die Personen halten, mit denen er contrahirt hat. Selbst in dem Falle, daß die von ihm gezahlten Münzstücke in einer öffentlichen Kasse noch vorhanden wären, kann er solche nicht vindiciren.

§ 165. 

Fortsetzung. Durch die nothwendige Erhaltung des Cammergutes in seinem Bestande sind jedoch diejenigen, unter Zustimmung der Stände, zu treffenden Veränderungen nicht ausgeschlossen, welche bei einzelnen Besitzungen zur Beförderung der Landescultur, oder sonst zur Wohlfahrt des Staats und Entfernung wahrgenommener Nachtheile, durch Verkauf, Austausch oder Vererblichund nothwenig oder gut befundenen werden sollten. Wird eine Ablösung der zum Cammergute gehörenden Dienste, Zehnten und Gefälle gegen Geld eintreten, oder eine Veräußerung einzelner Theile des Kammerguts im gesetzlichen Wege beschlossen, so ist gleichzeitig verfassungsmäßig über die nützliche Verwendung der eingehenden Gelder Vorsorge zu treffen.

§ 166.

5. Verwaltung des Cammerguts.

Das Kammergut wird, unter unmittelbarer Leitung des herzoglichen Staats-Ministerii, von der herzoglichen Cammer in drei abgesonderten Directionen für die Domainen, Forsten und Bergewerke verwaltet. Das Nähere hierüber ist durch das hierneben erlassene Gesetz bestimmt.

§ 167.

6. Verwendung des Cammerguts.

Die Aufkünfte des gesammten Cammerguts sollen, nach Absatz der Administrations- und Erhaltungskosten und der auf die Amortisation und Verzinsung der Cammerschuld zu leistenden Zahlungen, wie bisher, zur Bestreitung der Bedürfnisse des Fürsten und des Landes verwendet werden. Die successive Tilgung der Cammerschuld wird durch eine besondere Vereinbarung mit den Ständen bestimmt werden.

§ 168.

7. Cammer-Etat und Rechnungen.

Der über die Verwaltung des Cammerguts vor dem Anfange und auf die Dauer einer dreijährigen Finanzperiode aufgestellte Cammer-Etat wird den Ständen zur Erläuterung des, in dem Staatshaushalts-Etat (§ 184) aufzuführenden, Einnahmepostens von den Überschüssen des Cammergutes mutgetheilt; auch werden dieselben mit ihren gutachtlichen Anträgen und Bemerkungen darüber gehört. Gleichergestalt werden den Ständen, auf deren Verlangen, die Cammer-Rechnungen von der abgelaufenen Finanzperiode zur Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte vorgelegt.

§ 169.

8. Bedarf des Landesfürsten.

Der Bedarf des Landesfürsten und seines Hauses haftet zunächst und zuvörderst auf dem Reinertrage des Cammerguts. Die zur Bestreitung dieses Bedarfs erforderliche, von dem Landesfürsten vorbehaltene, Summe ist in der mit den Ständen getroffenen besondern Übereinkunft näher bestimmt.
Außerdem bleiben für den Bedarf der Hofhaltung vorbehalten:
die herzoglichen Schlösser, sämmtliche Hofgebäude, Gärten, Anlagen und Inventarien, sow wie die bisher bei dem Oberhofmarschall-Amte und bei dem Oberstallmeister-Amte unmittelbar erhobenen Gefälle und herkömmlichen Naturallieferungen.
Die zur Hofhaltung gehörigen Immobilien sind von dem Lande untrennbar, und können ohne ständische Zustimmung nicht veräußert werden.

§ 170. 

Fortsetzung. Unter dem Bedarfe des Landesfürsten und des Fürstl. Hauses sind mitbegriffen:
die Kosten des Hofstaats, die Besoldungen und Pensionen der Hofdienerschaft, die Kosten des Marstalls, des Gestüts zu Harzburg, des Theaters und der Capelle, die Unterhaltung der Schlösser und der für die Hofhaltung bestimmten Gebäude, Gärten, Anlagen und Inventarien.
Ueber die Verwendung der zur Bestreitung des Bedarfs vorbehaltenen Summe, so wie über die Benutzung der im § 169 erwähnten Gegenstände, steht den Ständen eine  Controlle nicht zu.

§ 171.

9. Apanagen, Witthümer und Schloßbaukosten.

Von der vorerwähnten Summe werden jedoch nicht bestritten:
1) die für die Prinzen und Prinzessinen, Söhne und Töchter des regierenden Herzogs, bei selbstständiger Einrichtung, so wie bei deren Vermählung auszusetzenden Apanagen, Einrichtungs- und Ausstattungskosten;
2) das der Wittwe des Landesfürsten zu bewilligende standesmäßige Auskommen.
Diese unter Nro 1 und 2. erwähnten Ausgaben werden, insofern höhere, als die durch Observanz feststehenden Summen erfordert werden, oder eine solche Observanz nicht bestehen sollte, von dem Landesfürsten nach vorgängiger Übereinkunft mit den Ständen festgestellt.
3) Die Kosten der Erbauung und der ersten Einrichtung eines Residenzschlosses in der Hauptstadt, welche von den Ständen besonders bewilligt und auf den Credit des Cammerguts aufgenommen werden.

§ 172.

10. Bedarf des Landes.

Die Ueberschüsse auf der Cammer-Verwaltung nebst den bei der Cammer-Casse vorhin erhobenen sonstigen Einkünften, namentlich den Lehnsgefällen, den Zöllen, Meß- und Packhofs-Einnahmen, der Lotteriepacht, den Gerichtssporteln, Chaussee-, Wege-, Pflaster- und Brückengeldern, auch Postintraden, fließen in die Hauptfinanzkasse, und werden nebst den zur Deckung des Bedarf bewilligten, bei derselben Casse zu vereinnahmenden Steuern zur Besteitung der Bedürfnisse des Landes verwenden.

§ 173.

11. Steuer-Verwilligung.

a. Recht und Pflicht der Verwilligung.

Die Stände haben das Recht, daneben aber zugleich die Pflicht, die zur Erreichung der Staatszwecke erforderlichen Mittel zu bewilligen, insoweit dieselben aus den Überschüssen des Cammerguts und dem übrigen Staatsvermögen nicht bestritten werden können.
Insbesondere dürfen sie nie die Deckung derjenigen Ausgaben verweigern, welche auf den Grund verfassungsmäßig entstandener Verbindlichkeiten aus den Staats-Cassen gefordert werden können.

§ 174. 

Fortsetzung. Keine allgemeine Steuer oder Landeslast kann ausgeschrieben, erhoben oder verändert werden, ohne ständische Bewilligung.
Es macht hierbei keinen Unterschied, welche Gegenstände solche allgemeine Landesauflagen und Leistungen betreffen: ob sie auf Grundstücke, Vermögen, Personen, Gewerbe, oder auf den Verbrauch von Lebensmitteln und Consumtibilien gelegt werden sollen; auch bezieht sich dieses Bewilligungsrecht auf solche Abgaben und Leistungen, welche die Leitung des Handels und der gewerbe betreffen, oder welche ur Ausführung polizeilicher Einrichtungen und Maaßregeln erforderlich sind, namentlich auf Weggelder, Zölle, Packhausentrichtungen, imgleichen auf Gerichtssporteln.

§ 175.

b. Umfang des Steuerverwilligungsrechts.

Das ständische Bewilligungsrecht erstreckt sich, bei seiner Ausübung, nicht allein auf die Art und den Betrag der öffentlichen Abgaben und Leistungen, sondern auch auf die Grundsätze der Verhältnisse, nach welchen selbige auf Gegenstände oder Personen zu legen und zu vertheilen sind, so wie auf die Dauer, Erhebungsweise und Verwendung der aufzulegenden Steuer.

§ 176.

c. Art der Steuerausschreiben.

Nachdem über dieses Alles zwischen der Landesregierung und den Ständen eine Übereinkunft getroffen worden, wird in deren Gemäßheit die verwilligte Auflage durch ein, auf die gewöhnliche Weise und "mit Bezug auf die Zustimmung der Landschaft" zu publicirendes, Gesetz ausgeschrieben und ihre Erhebung verfügt.

§ 177.

d. Dauer der Verwilligung.

Alle Abgaben werden längstens auf die Dauer eines regelmäßigen Finanzperiode von drei Jahren bewilligt, und können nach dem Ablaufe derselben höchstens noch für ein Jahr, welches in die neue Finanzperiode einzurechnen ist, erhoben werden.
Die für einen kürzeren Zeitraum verwilligten Abgaben hören jedoch mit Ablauf der Verwilligungszeit, und die für einen vorübergehenden Zweck ausgeschriebenen Steuern, mit der Erreichung desselben auf.

§ 178. 

Fortsetzung. Die Steuer-Verfassung erlischt jedoch nicht, und die neu bewilligten Steuern werden in der folgenden Finanzperiode auf den Grund der bestehenden Steuerverfassung so lange ausgeschrieben, bis über die Abänderung derselben, so wie über die Einführung eines neuen Steuersystems auf verfassungsmäßigem Wege, eine anderweitige Bestimmung getroffen worden ist.

§ 179. 

Fortsetzung. Die im § 177 bestimmte Dauer der Steuererhebung kann bei den indirecten Steuern und bei den auf den Handel gelegten Abgaben, mit Zustimmung der Stände verlängert werden; auch sollen diejenigen Abgaben dieser Art, welche nach der bisherigen Verfassung von der Landesregierung ohne Mitwirkung der Stände bestimmt wurden und deren unveränderliche Beibehaltung von Seiten der Landesregierung durch die bestehenden Handels-Verträge zugesichert ist, für die Dauer dieser Verträge fortbestehen.

§ 180.

e. Ausnahmen von dem ständischen Bewilligungsrechte.

Ausnahmsweise müssen ohne Bewilligung der Stände diejenigen außerordentlichen allgemeinen Lasten und Leistungen von dem Lande aufgebracht und getragen werden, welche erforderlich sind:
1) außerordentlicher Weise zur Abwendung einer plötzlichen allgemeinen Landesgefahr,
2) zur Erfüllung der Bundesverpflichtungen,
wobei jedoch dem ständischen Ausschusse die Gründe der desfallsigen Ausschreiben stets vorgelegt werden sollen.
Hinsichtlich der Art und Weise der Aufbringung der zu diesem Zwecken erforderlichen Mittel ist indeß die verfassungsmäßige ständische Mitwirkung erforderlich.

§ 181.

Communal- und Locallasten.

Fortsetzung. Eben so wenig bedarf es der ständischen Bewilligung und Zustimmung in Hinsicht der Aufbringung und Repartition der, ihrer Natur und Beschaffenheit nach, einzelnen Gemeinden, Städten, Ortschaften und Bezirken obliegenden Lasten, Ausgaben und Kosten, welche nach den Bestimmungen der Gesetze und des Herkommens, und in Ermangelung derselben von der Regierung, durch die betreffenden Behörden zu reguliren sind.

§ 182.

12. Steuerdirection.

Die Verwaltung der Steuern und aller dahin gehörenden Landesabgaben ist der Steuerdirection übertragen, deren Organisation und Geschäftsführung durch das hieneben erlassene Gesetz bestimmt worden ist.

§ 183.

13. Finanz-Collegium.

Die obere Leitung des gesammten Finanzwesens, die Aufsicht über das Rechnungs- und Cassenwesen, so wie die Führung der allgemeinen Finanz-Controlle ist dem Finanz-Collegio, über dessen Organisation und Geschäfts-Verwaltung das hieneben erlassene Gesetz das Nähere enthält, übertragen worden. Die Haupt-Finanz-Casse, in welche alle zur Bestreitung der Bedürfnisse des Landes bestimmte Einnahmen fließen, ist demselben untergeordnet, und allein nach dessen Anweisungen zu verfahren verpflichtet.

§ 184.

14. Staatshaushalts-Etat.

Die Grundlage der dem Finanz-Collegio übertragenen allgemeinen Finanz-Verwaltung bildet der Staatshaushalts-Etat, welcher, vor dem Anfange der dreijährigen Finanz-Periode und für die Dauer derselben, aus den Special-Einnahme- und Ausgabe-Etats aller einzelnen Verwaltungszweige zusammengestellt wird.

§ 185. 

Fortsetzung. Den Ständen steht das Recht zu, gemeinschaftlich mit der Landesregierung den Staatshaushalts-Etat nach den einzelnen Abtheilungen festzustellen. Die Verwendung und Vertheilung der für jede einzelne Abtheilung im Ganzen bewilligten Summen bleibt jedoch der Bestimmung der Landesregierung überlassen, und es kann, wenn die Verwendung nur für diese Abtheilung und ohne Überschreitung der feststehenden Special-Etats statt findet, gegen eine von den einzelnen Positionen derselben eingetretene Abweichung an sich, eine Erinnerung von Seiten der Stände nicht gemacht, wohl aber eine Nachweisung der Zweckmäßigkeit dieser Abweichung verlangt werden.

§ 186.

15. Leihhaus-Anstalt.

Die unter landesfürstlicher Oberaufsicht als ein selstständiges Institut bisher bestandene Leihhausanstalt wird, nebst deren Forderungen und Schulden, vom Staate übernommen, und unter dessen Gewähr fortbestehen; dieselbe soll zu dem Ende dem Finanz-Collegio unmittelbar untergeordnet werden, und neben deren ursprünglichem Zwekce, welcher auch ferner in Gemäßheit der Leihhaus-Ordnung zu erfüllen ist, eine Hülfs-Credit-Anstalt für den Staat bilden und in ihren Operationen nach Anweisung der Finanz-Collegii verfahren.
Der von den Operationen der Anstalt zu erwartende Gewinn soll zu den Staatseinkünften gezogen werden.

§ 187.

16. Staats-Anleihen.

Staatsanleihen können nicht ohne Einwilligung der Stände contrahirt werden. Über den Betrag, die Bedingungen und die Rückzahlung ist mit den Ständen eine Vereinbarung zu treffen.
Das Landesschuldenwesen wird gleichfalls nach gemeinsamen Beschlüssen regulirt.

§ 188.

17. Beaufsichtigung des Finanzwesens.

Den Ständen steht das Recht der Aufsicht über das Finanzwesen zu, und es werden ihnen daher die Staatshaushalts-Rechnunge der abgelaufenen Finanzperioden zur Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte vorgelegt werden.

§ 189.

18. Befugnisse des ständischen Ausschusses im Finanzwesen.

a. regelmäßige.

Dem Ausschusse ist die Ausübung der ständischen Mitaufsicht über die Finanzverwaltung in dem Maaße übertragen, daß ihm die Voranschläge des Staatshaushalts-Etats des zweiten und des dritten Jahres jeder Finanzperiode zur Berathung, sowie die Rechnungen der einzelnen abgelaufenen Finanzjahre zur Einsicht von der Landesregierung mitgetheilt werden.
Auch kann derselbe, falls besondere Umstände die Veräußerung eines Staatsgutes nötig oder rathsam machen, die ständische Zustimmung ertheilen, wenn das zu Veräußernde einen Werth von 10.000 Thalern nicht übersteigt. Es ist jedoch zugleich über die Verwendung des eingehenden Preises eine Uebereinkunft zu treffen.

§ 190.

b. außerordentliche.

Wenn außerordentliche Ereignisse die zeitige Versammlung des Landtags unthunlich machen, oder wenn Gefahr mit dem Verzuge verbunden ist und die ordentlichen Bewilligungen und Geldmittel zur Erreichung des Staatszwecks und zur Erhaltung des Staatswohles unzureichend sind, können mit Bewilligung des ständischen Ausschusses
1) die Steuern erhöhet und neue Steuern auferlegt werden, jedoch nicht länger als sechs Monate, und
2) Staatsanleihen bis zu einem Betrage von 100.000 Thalern geschlossen werden.
Alle in Folge einer solchen Uebereinkunft von der Landesregierung getroffenen Maaßregeln und deren Gründe sind indeß, sobald als thunlich, der Ständeversammlung von der Landesregierung vorzulegen.
Steuerverwilligungen dieser Art hören in dem Augenblicke auf, Kraft zu haben, wo die Ständeversammlung ihnen ihre Zustimmung versagt. Staats-Anleihen dieser Art sind gültig, jedoch kann, wenn eine Bewilligung bis zu dem angegebenen Betrage erfolgt ist, ein neues Anlehen, bevor die Ständeversammlung zusammenberufen worden, nicht gemacht werden.
Darüber: ob die Versammlung der Stände unthunlich, oder ob Gefahr im Verzuge sei ? - entscheidet die Landesregierung, jedoch unter Verantwortlichkeit sämmtlicher stimmführenden Mitgliedern des Staatsministeriums, von welchen allen daher die zu erlassenden Verfügungen zu contrasigniren sind.


Dekoration Romkerhall




Siebentes Kapitel. 

Von der Rechtspflege.

Dekoration Romkerhall


§ 191.

1. Gerichtsbarkeit

Alle Gerichtsbarkeit geht vom Landesfürsten aus. Die Patrimonial-Gerichtsbarkeit bleibt aufgehoben.

§ 192.

2. Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung.

Die bürgerliche und die Straf-Rechtspflege soll, mit Ausnahme der durch das Gesetz den Einzelrichtern überwiesenen Gegenstände, ferner der Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie bisher, getrennt von der Landes-Verwaltung, durch collegialisch gebildete Gerichte, in gesetzlicher Instanzen-Ordnung, ausgeübt werden.
Jeder richterlichen Entscheidung sind die Gründe derselben beizufügen.

§ 193.

3. Unabhängigkeit der Gerichte.

Die Gerichte sind in ihrer Amtsführung der landesfürstlichen Oberaufsicht unterworfen, jedoch bei der Beurtheilung von Rechtssachen, innerhalb der Grenzen ihrer Competenz, unabhängig. sie entscheiden daher in allen Instanzen mit voller Freiheit der Meinungen, und werden in der Ausübung ihres Amtes nöthigenfalls durch den Beistand der Civil- und Militairbehörden geschützt. Die Strafurtheile der Gerichtshöfe bedürfen keiner Bestätigung des Landesfürsten, doch soll die Vollziehung der durch das Gesetz bezeichneten schweren peinlichen Strafen nur nach landesfürstlicher Genehmigung erfolgen.

§ 194.

4. Mitwirkung der Polizei-Gewalt.

Die Polizeigewalt, selbstständig in ihrem Wirkungskreise, leistet zugleich der richterlichen Beistand, bei der Sicherung der Rechte der Landeseinwohner und der Vollziehung der Rechtssprüche. Bei Vergehungen verfolgt auch sie den Thäter und wirkt mit zur Ermittelung des Thatbestandes. Sie richtet nie über die That.

§ 195.

5. Verwaltungshandlungen.

Die Verfügungen aller nicht gerichtlichen, d. h. der Verwaltungs-Behörden und Beamten innerhalb des denselben angewiesenen, von der Rechtspflege getrennten Wirkungskreises, gehören nicht zur Competenz der Gerichte, und können in ihrer Ausführung von denselben nicht gehemmt werden.

§ 196.

6. Competenz-Conflicte.

Die Beurtheilung, ob eine Sache zum gerichtlichen Verfahren geeignet, gebührt zunächst dem Richter. Erklärt das Gericht sich competent, während eine Verwaltungs-Behörde dessen Zuständigkeit in Zweifel zieht, so darf letzte durch einen dem Gerichte zu eröffnenden, die Gründe anführenden Einspruch, die weitere gerichtliche Verhandlung hemmen.
Das Nähere über das in solchen Fällen eintretende Verfahren soll durch ein Gesetz bestimmt werden.

§ 197.

7. Entschädigungsklage gegen den Staat.

Die Frage, welche Entschädigung vom Staate demjenigen gebühre, welcher durch Handlungen der Regierungs- und Verwaltungsbehörden in seinen wohlerworbenen Rechten verletzt ist, fällt, ohne Zulassung eines Competenz-Conflicts, lediglich der Entscheidung der Gerichte anheim.
Die verfassungsmäßige Erlassung gesetzlicher Vorschriften kann zu keiner anderen, als der im Gesetze bestimmten, Entschädigung berechtigen.

§ 198.

8. Rechtssachen des Fiscus.

Der Fiscus, als der Vertreter aller das Staatsvermögen und die Einkünfte des Staats betreffenden Rechte und Verbindlichkeiten, ist in steitigen Rechtssachen den ordentlichen Gerichten unterworfen. Die Vollziehung des gerichtlichen Erkenntnisses wird gegen die in demselben bezeichnete Behörde und Casse verfügt.

§ 199.

9. Beschränkung der Privilegien des Fiscus.

Die bisherigen Vorrechte des Fiscus, in Beziehung auf gerichtliche Verfolgung seiner Ansprüche, Privatpersonen gegen über, werden hierdurch aufgehoben.
Ein Vorzugs- oder stillschweigendes Pfandrecht behält derselbe nur wegen öffentlicher Abgaben.

§ 200.

10. Gleichheit vor dem Richter.

Alle Landeseinwohner sind vor dem Richter gleich. Der priviligirte Gerichtsstand ist und bleibt abgeschafft.

§ 201.

11. Rechtsschutz.

Niemand darf seinem gesetzlichen Richter, es sey in bürgerlichen oder strafrechtlichen Fällen, entzogen, noch sonst an der Betretung und Verfolgung des Rechtsweges vor den Gerichten gehindert weren. Die Justizcollegien dürfen jedoch zu Verhandlungen und Untersuchungen, welche dem Urtheilsspruche vorhergehen, einzelnen Gerichtsmitgliedern oder einem ihnen untergeordneten Gerichte Aufträge ertheilen; auch kann die Landesregierung in außerordentlichen und dringenden Fällen, wenn die Zahl der gewöhnlichen Mitglieder des zuständigen Gerichts nicht ausreicht, dieses durch Mitglieder anderer Gerichte verstärken.

§ 202.

12. Gesetzliche Verfolgung.

Jeder Verhaftete muß binnen 24 Stunden nach seiner Verhaftung verhört, von deren gesetzlicher Ursache in Kenntniß gesetzt und, im Falle der Fortdauer dieser Ursache, ohne Verzug seinem zuständigen Richter überliefert werden.
Dieser wird dem Antrage des Verhafteten auf Entlassung gegen genügende Caution Statt geben, dafern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens wider ihn vorliegen.

§ 203. 

13. Rechte der Angeschuldigten.

Keinem Angeschuldigten darf das Recht der Beschwerdeführung während der Untersuchung, das Recht der Vertheidigung, oder der verlangte Richterspruch versagt werden.

§ 204.

14. Schutz gegen Verlängerung der Haft.

Die Gerichts- und Polizeibehörden des Landes, welchen der verfassungsmäßige Schutz der bürgerlichen Freiheit zunächst anvertraut ist, sind in den Untersuchungen gegen verhaftete Angeschuldigte dafür verantwortlich, daß deren Haft nicht länger dauere, als die Erforschung der Verbrechen und die zu sichernde Anwendung der Strafe erfordert. Besonders wird den Obergerichten die Pflicht auferlegt, über die Befolgung dieser Vorschrift strenge zu wachen und Uebertretungen derselben zu ahnden.

§ 205. 

15. Vergehen im Auslande.

Landes-Einwohner, welche im Auslande strafbare Handlungen begangen haben, können im hiesigen Staatsgebiete nicht anders zur Untersuchung und Strafe gezogen werden, als insofern jene Handlungen nach gemeinem teutschen Criminalrechte mit Strafen bedrohet sind.
Gegen Fremde, welche im Auslande Vergehen begangen haben, können die hiesigen Gerichte nur verfahren, wenn ein Verbrechen gegen den hiesigen Staat oder gegen Landes-Einwohner begangen ist, oder zufolge einer von der Landesregierung erhaltenen Ermächtigung.

§ 206.

16. Auslieferung der Verbrecher.

Die Auslieferung von Landes-Einwohnern an fremde Regierungen findet nicht Statt.
Die Auslieferung von Fremden an auswärtige Regierungen darf nicht ohne Genehmigung der Landesregierung geschehen.
Diese wird nicht versagt werden, wenn die Auslieferung von einer Regierung der Staaten des teutschen Bundes verlangt wird, gegen den Auszuliefernden von der zuständigen Behörde ein Verhaftsbefehl erlassen, und derselbe entweder Unterthan des requirirenden Staats, oder eines in dessen Gebiete begangenen, nach gemeinem Deutschen Criminalrechte mit Strafe bedrohten, Vergehens beschuldigt ist, und endlich, wenn die requirirende Regierung gleiche Grundsätze gegen den hiesigen Staat befolgt.
Alle diese Bestimmungen gelten jedoch nur unbeschadet der Vollziehung der über die Auslieferung der Verbrecher bereits bestehenden oder künftig, und zwar, insofern sie die Rechte der Landes-Einwohner betrefffen, mit Zustimmung der Stände abzuschließenden Staats-Verträge.

§ 207.

17. Confiscation.

Die Confiscation kann nur auf Gegenstände oder Werkzeuge einer Vergehung angewendet werden. Eine allgemeine Vermögens-Confiscation tritt in keinem Falle ein. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Beschlagnahme des Vermögens der Deserteure und ausgetretenen Militairpflichtigen sind hierdurch nicht aufgehoben.

§ 208.

18. Begnadigungsrecht.

Der Landesfürst kann in strafrechtlichen Sachen begnadigen, die Strafe mildern oder erlassen, aber in keinem Falle schärfen, und eine angefangene Untersuchung nur, nachdem das Ober-Appellationsgericht sich gutachtlich darüber geäußert hat, niederschlagen.

§ 209.

19. Moratorien.

Moratorien werden von der Landesregierung nie ertheilt; die Gerichte dürfen in gesetzlich bestimmten Fällen darauf erkennen.

§ 210.

20. Rechtshülfe in bürgerlichen Streitsachen.

In bürgerlichen Streitigkeiten wird den Gerichten auswärtiger Staaten jede gesetzliche Rechtshülfe geleistet, so lange dieselbe nicht in jenen Staaten den hiesigen Gerichten verweigert wird. Insbesondere sind die rechtskräftigen Erkenntnisse ausländischer Gerichte, wenn die Zuständigkeit der letzten in dem einzelnen Falle außer Zweifel ist, unter obiger Voraussetzung von den einheimischen Gerichten zu vollstrecken.


Dekoration Romkerhall




Achtes Kapitel. 

Von den christlichen Kirchen, den öffentlichen Unterrichts-Anstalten und milden Stiftungen, von dem Kloster- und Studienfonds.

Dekoration Romkerhall


§ 211.

1. Rechtsgleichheit der annerkannten christlichen Confessionen.

Allen im Herzogthume anerkannten, oder durch ein Gesetz aufgenommenen christlichen Kirchen wird freie öffentliche Religionsübung zugesichert; sie genießen gleichen Schutz des Staates und ihre Angehörigen gleiche bürgerliche Rechte.

§ 212.

2. Oberaufsicht des Staates.

Alle Kirchen stehen unter der auf der höchsten Staatsgewalt beruhenden Oberaufsicht der Landesregierung. Die Anordnung der rein geistlichen Angelegenheiten bleibt, unter dieser Oberaufsicht, der in der Verfassung jeder dieser Kirchen begründeten Kirchengewalt überlassen. Im Zweifel entscheidet darüber: ob eine Angelegenheit rein geistlich sei ? - die Landesregierung.

§ 213.

3. Kirchengewalt in der evangelisch-lutherischen Kirche.

In der evangelisch-lutherischen Kirche steht die Kirchengewalt dem Landesfürsten zu, welcher sie unter Mitwirkung und Beirath des mit evangelischen Geistlichen und Laien besetzten Consistoriums ausübt.
Die Ausübung der in Bezug auf das Kirchenwesen den einzelnen evangelischen Gemeinden zustehenden Rechte soll einem die Kirchengemeinde vertretenden Vorstande übertragen werden, über dessen Zusammensetzung und Wirkungskreis ein Gesetz das Nähere bestimmen wird.

§ 214. 

Fortsetzung. Sollte der Landesfürst sich zu einer andern, als der evangelisch-lutherischen Religion bekennen, so wird die alsdann eintretende Beschränkung in der persönlichen Ausübung der Kirchengewalt ohne Aufschub mit Zustimmung der Landstände festgestellt werden.

§ 215.

4. Kirchengewalt in den anderen christlichen Kirchen.

Die Landesregierung wird darüber halten, daß diejenigen, welchen, nach der Verfassung der andern christlichen Kirchen, die Kirchengewalt zusteht, solche weder mißbrauchen noch überschreiten.
Allgemeine Anordnungen, welche vermöge der Kirchengewalt getroffen, und Verfügungen, welche von auswärtigen geistlichen Obern erlassen sind, dürfen, welcher Art sie auch seyn mögen, ohne vorgängige Genehmigung der Landesregierung, weder bekannt gemacht, noch vollzogen werden.

§ 216.

5. Sicherung des Vermögens der Kirchen, Schulen, und Stiftungen.

Allen Stiftungen ohne Ausnahme, sie mögen für kirchliche Zwecke, für den Unterricht oder die Wohlthätigkeit bestimmt seyn, wird der volle Besitz und Genuß ihres Vermögens und Einkommens zugesichert. Dasselbe steht unter der besondern Obhut des Staats, und darf nicht zum Staatsvermögen gezogen werden.

§ 217. 

Fortsetzung. Das Vermögen der Kirchen, Schulen und Stiftungen darf nie seiner ursprünglichen Bestimmung entzogen werden. Soll dasselbe zu einem andern als dem bestimmten, bei der Stiftungsurkunde ausgedrückten Zwecke verwendet werden, so muß dieser ein ähnlicher seyn, und die Verwendung kann nur mit Zustimmung der betheiligten Privatpersonen und Gemeinden, und sofern Anstalten, welche das ganze Land angehen, in betracht kommen, mit Zustimmung der Landstände geschehen.

§ 218.

6. Verwaltung dieses Vermögens.

Ueber die bei der Verwaltung des Vermögens der Kirchen, Schulen und milden Stiftungen anzuordnende Mitwirkung des Vorstandes der Kirchengemeinden soll eine besondere gesetzliche Vorschrift erfolgen.

§ 219.

7. Von dem Kloster- und dem Studienfonds.

a. Vereinigung dieser Fonds.

Der Klosterfond soll mit dem, von der vormaligen Universität Helmstedt herrührenden, Studienfonds vereinigt und, Behuf Vereinfachung der Administration und thunlicher Kostenersparung, bei der Herzoglichen Cammer zugleich mit dem Cammergute verwaltet, auch zu den Verwaltungskosten ein angemessener Beitrag geleistet werden.

§ 220.

b. Verwaltung.

Ueber die Verwaltung der vereinigten Kloster- und Studienfonds soll ein besonderer Etat, in der bei dem Cammergute angeordneten Form, aufgestellt, und eine abgesonderte Cassen- und Rechnungsführung angeordnet werden.

§ 221.

c. Verwendung des Reinertrages.

Der Reinertrag dieses vereinigten Fonds soll, dessen Bestimmung gemäß, für Kirchen, Bildungsanstalten und wohlthätige Zwecke verwendet werden. Das Geschäft der Verwendung wird dem Finanz-Collegio übertragen werden, welches dabei nach Maaßgabe der aufgestellten Etats und der Vorschriften des Staatsministeriums zu verfahren, und über die sämmtlichen, in die Haupt-Finanz-Casse fließenden, Ueberschüsse aus der Administration besondere Rechnung zu führen hat.

§ 222. 

Fortsetzung. Die aus dem Kloster- und Studienfond für das Museum zu Braunschweig und die Bibliothek zu Wolfenbüttel bisher gezahlten Ausgaben stellen ferner aus diesem Fonds gezahlt werden, wogegen diese Sammlungen, welche unveräußerlich sind, der Bevörderung der Wissenschaft und Kunst gewidmet bleiben.

§ 223.

d. Mitwirkung der Stände.

Die Etats sowohl über die Verwaltung des vereinigten Kloster- und Studienfonds, als auch über die Verwendung des Reinertrages, werden von der Landesregierung gemeinschaftlich mit den Ständen festgestellt. Auch steht den Ständen, Behuf etwa zu machender Erinnerungen, die Einsicht der Rechnungen über die Verwaltung und Verwendung des vereinigten Fonds nach Ablauf des Rechnungsjahres zu.

§ 224.

e. Veräußerungen.

Die Güter und Gerechtsame des vereinigten Fonds können weder im Ganzen, noch in einzelnen Theilen, ohne ständische Einwilligung veräußert werden, und es kommen dabei dieselben Bestimmungen und Modificationen zur Anwendung, welche im § 164 und 165 bei dem Cammergute vorgeschrieben sind.

§ 225.

f. Vorbehalt.

Sowohl der Landesregierung, als den Ständen, bleibt es vorbehalten, die Verwaltung und Verwendung des Kloster- und Studienfonds durch eine besondere Behörde, falls solches für zweckmäßig erachtet werden sollte, zu veranlassen.

§ 226.

8. Von den Kirchen- und Schuldienern.

a. Deren Bestellung und Bestätigung.

Die Kirchen- und Schuldiener aller christlichen Confessionen im Lande, sofern sie nicht unmittelbar von der Landesregierung bestellt werden, bedürfen, bevor sie die Amtsgeschäfte antreten oder die Amtseinkünfte sich aneignen, der Landesfürstlichen Bestätigung; alle sind vor dem Amtsantritte auf die Beobachtung der Gesetze und der Landes-Verfassung zu beeidigen.
Die Patronate und Wahlrechte, so wie die gesetzlichen Befugnisse der Kirchengemeinden wegen der aus erheblichen Gründen zu verweigernden Annahme eines ihnen bestimmten Pfarrers, bleiben vorbehalten.

§ 227.

b. Deren Schutz.

Den verfassungsmäßig ernannten oder bestätigten Kirchen- und Schuldienern gewährt der Staat den zur Erfüllung ihrer Berufspflichten erforderlichen gesetzlichen Schutz.

§ 228.

c. Deren vorgesetzte Behörden.

In Allem, was das Amt und dessen Verwaltung betrifft, stehen die Kirchen- und Schuldiener zunächst unter der ihnen vorgesetzten verfassungsmäßigen Behörde, in Allem, was auf ihre bürgerlichen Verhältnisse und Handlungen Bezug hat, imgleichen bei Straffällen, welche nicht blos disciplinarischer Beschaffenheit sind, bleiben Kirchen- und Schuldiener der weltlichen Obrigkeiet unterworfen.
Ein besonderer Gerichtsstand für die Rechtssachen der Kirchen, Schulen und Stiftungen und der Diener derselben findet nicht statt, vielmehr haben darüber - wie auch in Ehesachen - die ordentlichen Gerichte, wie bisher, zu entscheiden.

§ 229.

d. Deren Suspension, Entlassung und Absetzung.

Die Suspension der Kirchen- und Schuldiener vom Amte und den Einkünften desselben kann im Disciplinarverfahren nur von den kirchlichen Behörden geschehen, und bedarf jedes Mal der Bestätigung der Landesregierung. Die Entlassung der Absetzung kann nur durch rechtskräftiges Erkenntniß des competenten Gerichtes, und zwar in Straffällen, welche nur die kirchliche Lehre betreffen, auf vorgängiges Gutachten der geistlichen Oberbehörde, verfügt werden.

§ 230.

9. Sorge für den öffentlichen Unterricht.

Die Erhaltung, Verbesserung und Vervollkommnung der öffentlichen Unterrichts-Anstalten bleibt ein vorzüglicher, jederzeit mit allen deshalb zu Gebote stehenden Mitteln zu befördernder, Gegenstand der Fürsorge der Landesregierung.


Dekoration Romkerhall




Schlußbestimmungen.

Dekoration Romkerhall


§ 231. 

Wenn die Landesregierung und die Stände eine verschiedene Ansicht über die Auslegung einzelner Bestimmungen des Landesgrundgesetzes haben sollten, so wird zuvörderst das Herzogliche Staatsministerium mit einer Deputation der Stände zusammentreten, um eine Angleichung zu versuchen.
Sollte aber dieser Versuch fruchtlos bleiben, so ist so wohl der Regierung als den Ständen unbenommen, die entstandene Differenz im Wege Rechtens entscheiden zu lassen. Diese Entscheidung soll in erster und letzter Instanz durch ein Compromiß-Gericht abgegeben werden, welches auf eben die Weise zusammengesetzt wird, wie der gemeinschaftliche Gerichtshof, welcher gebildet wird, wenn die Bestrafung wegen einer Verletzung der Verfassung angetragen ist.

§ 232. 

Alle Verordnungen, Landtagsabschiede, Reversalen und sonstige mit den Ständen getroffene Verabredungen werden, in soweit sie diesem Landesgrundgesetze entgegenstehen, hiedurch aufgehoben.

Es ist Unser landesfürstlicher Wille, da dieses Landesgrundgesetz, welches Wir beobachten, aufrecht erhalten und beschützen wollen, in allen seinen Bestimmungen für Jedermann, den es betrifft, und überall auf das Genaueste gehalten werde.

Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedruckten Herzoglichen Staats-Canzlei-Siegels,

Gegeben Braunschweig, den 12. October 1832



Signatur Wilhelm I. Herzog zu Braunschweig & Lüneburg

Wilhelm, Herzog

Dekoration Romkerhall




Staats - Canzlei -Siegel Herzogthum Braunschweig


von Schleinitz.
 





Dekoration Romkerhall