Romkerhall
Geschichte der Königlich- Hannoveranischen- Kammergut- Staatsdomäne Romkerhall
Grundgesetz

für

das Königreich Hannover


Wappen Wilhelm IV von Hannover


nebst
dem Königlichen Patente,
die
Publication desselben betreffend.



Vom Königlichen Ministerio autorisirter Abdruck.
Hannover, 1833.
Im Verlage der Hahnschen Hofbuchhandlung


 




Patent, 
die Publication des Grundgesetzes des Königreichs betreffend



Wilhelm der Vierte von Gottes Gnaden König des vereinigten Reichs Groß-Britannien und Irland &c. auch König von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg &c. &c.

Da durch die Auslosung der vormaligen deutschen Reichsverfassung, durch die Errichtung eines deutschen Bundes und durch die Vereinigung aller sowohl åltern als neu erworbenen deutschen Besizungen Unsers Königlichen Hauses zu einem unabhängigen Königreiche, in der Verfassung desselben mehrfache wichtige Veränderungen hervorgebracht worden sind, andere Theile der Verfassung aber einer neuen Befestigung oder nåhern Bestimmung bedurfen, so haben Wir auf den Antrag Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung beschlossen, die innern Verhältnisse Unseres Königreichs Hannover durch die Erlassung eines neuen Staatsgrundgesetzes genauer festzustellen, und deshalb in der an Unsere getreue allgemeine Ständeversammlung erlassenen Declaration vom 11. Mai 1832 die Grundsätze zu demselben vorgeschrieben.

Nachdem Uns nunmehr die Resultate der danach Statt gehabten ausführlichen Beratung Unserer getreuen Stände über das Grundgesetz vorgelegt sind, und Wir dann deren Anträge in allen der Zustimmung derselben bedurfenden Puncten zu bestätigen Uns bewogen gefunden haben, solche auch übrigens zum größten Theile den von Uns ertheilten Vorschriften entsprechen, und nur in einigen wenigen Puncten zur Sicherstellung Unserer landesherrlichen Rechte und zum Besten Unserer getreuen Unterthanen von Uns einer Abänderung bedurftig gefunden sind, so sehen Wir Uns veranlaßt, in Beziehung auf die deshalb nothwendig gefundenen Veränderungen des aus den Berathungen Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung hervorgegangenen Grundgesehentwurfes, soweit sie nicht bloß Berichtigungen der Wortfassung betreffen, Folgendes zu erklären.

1.

So sehr Wir auch durch Unsere Erklärung vom 11. Mai 1832 die Aufrichtigkeit des Wunsches bethätigt haben, die für die Wohlfahrt Unseres Königreichs von Uns für angemessen erachtete Vereinigung Unserer landesherrlichen Cassen und der Landescasse zu erleichtern, so ist es Uns gleichwohl nach sorgfåltiger Erwägung aller Verhältnisse nicht ausführbar erschienen, den von Uns festgesetzten, auf den nothwendigsten Bedarf bereits beschränkten Betrag der Krondotation noch weiter herabzusehen und dem dieserhalb gemachten Antrage Unserer getreuen Stände Folge zu geben. Dagegen haben Wir, um das Land gegen Anspruche zu sichern, welche in Zukunft gemacht werden könnten, wenn in dem Falle des Ueberganges des Landes an die jezige Herzoglich Braunschweig- Wolfenbuttelsche Linie, den Erben Unseres jezigen Königlichen Hauses, eine Entschädigung von dem Thronfolger in Gemäßheit der frühern Hausverträge geleistet werden mußte, Uns bewogen gefunden, diese eventuelle Entschädigung auf Unsere Schatullcasse zu übernehmen, und die in dieser Beziehung in den Entwurf aufgenommene Bestimmung in dem jezigen Staatsgrundgesetze weggelassen.


2.

Der Antrag Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung, daß ein Regent, wenn er aus einem fremden deutschen Fürstenhause erwählt werden müßte, mindestens sein fünf und zwanzigſtes Jahr zurückgelegt haben solle, findet Unsere volle Genehmigung, weshalb Wir diesen Grundsatz auch für den Fall der Wahl des Regenten durch die allgemeine Ständeversammlung vorzuschreiben für angemessen gefunden haben. Dagegen haben Wir Uns nicht bewogen finden können, die Bestimmung, nach welcher der Regent den ihm obliegenden Eid im versammelten Ministerio abzuleisten hat, abzuändern; und wenngleich Wir geneigt sind, den Regenten in seinen Befugnissen nicht so weit zu beschränken, daß er in der Einrichtung der allgemeinen Ständeversammlung eine Änderung überall nicht vornehmen noch gestatten dürfte, so müssen Wir doch für nothwendig halten, eine Änderung des Grundsystems der allgemeinen Ständeversammlung durch einen Regenten gänzlich zu untersagen.


 3.

Wir verkennen überall nicht, daß die vielfach, insbesondere auch durch die Ablösbarkeit der gutsherrlichen Rechte verånderten Verhältnisse in mehrfacher Beziehung auf das Lehnwesen zuruckwirken, und sind um so mehr geneigt, den hierunter bezeigten Wünschen Uns willfährig zu beweisen, als Wir die Opfer nicht übersehen, welche die Besizer von Lehngütern durch Aufhebung oder Modification bestehender Vorrechte der öffentlichen Wohlfahrt und dem Besten des Landes bereitwillig gebracht haben. Wir werden daher in Gemäßheit des Untrages Unserer getreuen Stände den Entwurf zu einem Gesetze über die Lehnsverhältnisse und deren Ablösbarkeit ausarbeiten und zur verfassungsmäßigen Mitwirkung unverzuglich an dieselben gelangen lassen. Indeß haben Wir, zumal ehe die Folgen alle genau erwogen sind, welche die Aufhebung eines so tief in die öffentlichen Verhältnisse eingreifenden Instituts begleiten müssen, Bedenken getragen, den Grundsatz unbedingt festzustellen, daß der Lehnsnexus in jedem Falle auf den Antrag des Vasallen ablösbar seyn soll, und haben nothwendig erachtet, dem von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachten Paragraphen eine danach erforderlich gewordene veränderte Fassung geben zu lassen.


4.

Da es uns nicht entgangen war, daß eine zu große Ausdehnung der Befreiungen von der Gerichtsbarkeit der Untergerichte Beschwerden und Nachtheile für Unsere geliebten Unterthanen herbeiführte, so hatten Wir beschlossen, diese Befreiungen thunlichst zu beschränken und die beizubehaltenden Ausnahmen in dem Gesetzentwurfe angeben lassen. Dagegen würde es einer gleichmäßigen Justiz keinesweges förderlich seyn, wenn alle Gerichte des Landes ohne Rucksicht auf die besondern Verhältnisse der ihrer Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen und Sachen eine gleichmäßige innere Einrichtung erhalten sollten; und wenngleich Wir geneigt sind, auch in dieser Hinsicht etwa nicht mehr passende Institutionen zu verbessern und zu beseitigen, konnte es doch Unsere Absicht nicht seyn, deren gänzliche Aufhebung durch das Grundgesetz im Voraus zu bestimmen. Wir haben daher, um die dieserhalb vorgekommenen Zweifel zu beseitigen, der in das Grundgesetz aufgenommenen Vorschrift eine solche Fassung geben lassen, welche geeignet ist, irrigen Deutungen vorzubeugen und künftigen zweckmåßigen Anordnungen nicht entgegensteht.


5.

Eben so kann es der nothwendigen Unabhängigkeit der Justiz nachtheilig seyn, wenn die Übertragung der Gerichtsbarkeit von einem ordentlichen Gerichte des Landes auf ein anderes zu sehr erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Wenn Wir daher auch nichts dagegen zu erinnern finden, daß nach dem Wunsche Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung die Fälle, wo eine solche Übertragung Stattfinden kann, in einem Gesetze näher festgestellt werden, so erklären Wir doch hiemit ausdrücklich, daß gerade zu dem Zwecke, um die Justiz von störenden äußern Einflüssen unabhängig zu erhalten, der Grundsatz niemals aufgegeben werden kann und darf, daß der König als Quelle aller Gerichtsbarkeit unabhängig von den Ansichten der Gerichte eine solche Übertragung der
Gerichtsbarkeit in einem einzelnen Falle anzuordnen hat, und daß daher dieser Grundsatz auch bei einem solchen Gesetze stets aufrecht zu erhalten ist. Damit aber über Unsere Absicht in dieser Hinsicht ein Zweifel nicht obwalten könne, haben Wir der in das Gesetz hierüber aufgenommenen Bestimmung die geeignete Fassung geben lassen.


6.

So wenig Wir übrigens den Lauf der Justiz, wo er den Gesetzen gemäß Statt findet, hemmen, oder Unsern Verwaltungsbehörden solches zu thun gestatten werden, eben so wenig können Wir die Ausübung Unserer Hoheitsrechte jemals den Urtheilen Unserer Gerichte unterwerfen, oder die von Unsern Verwaltungsbehörden innerhalb ihrer Competenz getroffenen Verfügungen der Wiederaufhebung von Seiten der Gerichte aussetzen. Wir haben daher hierüber das Nöthige in das Grundgesetz aufnehmen lassen, und übrigens durch die in demselben getroffenen Bestimmungen den Schutz der Gerichte für die wohl erworbenen Rechte Unserer geliebten Unterthanen so weit ausgedehnt, als es mit einer wohlgeordneten Verwaltung irgend zu vereinbaren ist.


7.

Wenngleich Wir die Freiheit der Presse unter Beobachtung der gegen deren Mißbrauch zu erlassenden Gesetze und der Bestimmungen des deutschen Bundes gestatten wollen, und deshalb einen Gesetzentwurf an Unsere getreuen Stände, deren Antrage gemäß baldthunlichst gelangen lassen werden, wenn nicht zuvor von dem deutschen Bunde ein allgemeines Preßgesetz beschlossen werden sollte; so ergiebt doch der Umstand, daß die über den Mißbrauch der Pressen zu erlassenden Gesetze mit Unsern getreuen Ständen noch nicht haben verabredet werden können, bis dahin aber ein gesetzloser Zustand nicht geduldet werden kann, die Nothwendigkeit des von Uns angeordneten Zusatzes, daß bis zur Erlassung dieser Gesetze die bisherigen Vorschriften in Kraft bleiben.


8.

Indem Wir den Städten, Flecken und Landgemeinden in der Verwaltung ihres Vermögens die mit ihrem Wohle vereinbare Selbstständigkeit zugesichert haben, und deshalb auch die von unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in dieser Hinsicht gemachten Anträge bestätigen und nur bestimmen, daß das Armenwesen nach Maßgabe der örtlichen Verhåltnisse eignen Verwaltungen übertragen werden kann, haben Wir zugleich der Regierung die Aufsicht auf das Gemeindewesen, soweit sie zum Heile des Ganzen und zum eignen Besten der Gemeinden erforderlich ist, ausdrücklich vorbehalten. Zu dieser Aufsicht der Regierung gehört es nothwendig, daß dieselbe solche Gemeindebeamten, welche ihre Pflichten versäumen oder verletzen würden, gleich Unserer übrigen Staatsdienerschaft, durch Strafen zur Erfüllung dessen, was ihnen obliegt, anhalten oder selbst vom Dienste entfernen kann. Da dieses in der landesherrlichen Oberaufsicht wesentlich begründete und zum Besten der Gemeinden durchaus nothwendige Recht der Regierung durch den von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachten Vorbehalt einer besondern Gesezgebung über die Staatsdienstverhältnisse der Gemeindebeamten zweifelhaft werden könnte, so haben Wir diesem Vorbehalte Unsere Genehmigung nicht ertheilt und denselben in das Grundgesetz nicht aufnehmen lassen.


9.

Wenn Wir auch kein Bedenken haben, die Erklärung, daß das Heer, da es nicht aus geworbener Mannschaft besteht, sondern seine Ergänzung in Folge der allgemeinen Militairpflicht erhält, für ein Unserm Königreiche fremdes Interesse nicht verwandt werden soll, hiemit ausdrucklich zu erneuern, so hat doch die Betrachtung, daß es Fälle geben kann, wo der Grund, auf welchem das Interesse beruht, nicht zu Jedermanns Einsicht vorliegt und auch nicht sogleich bei den Vorbereitungen zu einem Kriege oder den zu dessen Abwendung nothwendigen Maßregeln erklärt werden kann, bei dem Heere selbst aber niemals Zweifel irgend einer Art über dessen Verbindlichkeiten eintreten dürfen, Uns bewogen, daß Wir die von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachte Bestimmung über die Verwendung des Heeres in das Grundgesetz nicht haben aufnehmen lassen.


10.

Den wegen der innern Organisation sowohl der Provinziallandschaften als der allgemeinen Ständeversammlung gemachten Anträgen haben Wir, wenngleich sie insonderheit in Hinsicht auf die letztere mit Unseren Propositionen nicht übereinstimmten, Unsere landesherrliche Bestätigung nicht versagt, indem Wir die Überzeugung hegen, daß das was höher steht, als jede äußere Form, der gute Geist und das Vertrauen die Stände jederzeit beseelen werden um Nüzliches zu wirken. Dagegen ist die Bestimmung, daß die Regierung das Recht haben soll, wenn sie es nöthig sindet, Commissarien zur Theilnahme an den ständischen Verhandlungen abzuordnen, vorzüglich nur aus Rücksicht auf den besonderen Antrag der allgemeinen Ständeversammlung in das Grundgesetz aufgenommen worden; Wir halten es aber der Stellung Unserer Regierung durchaus nicht für angemessen, ihr auch damit zugleich dem Antrage Unserer getreuen Stände gemäß eine Verpflichtung aufzulegen, auf das Verlangen der Stände solche Commissarien absenden zu müssen. Wir haben daher den dieserhalb in Antrag gebrachten Zusatz nicht genehmigt und behalten vielmehr der Regierung allein vor, zu ermäßigen, ob und unter welchen Umständen dieselbe gerathen hält, landesherrliche Commissarien an den ständischen Verhandlungen, soweit solches überhaupt zulässig ist, Theil nehmen zu lassen


11.

Da durch die für einen Kronprinzen auszusehende Apanage für das standesmäßige Auskommen einer verwitweten Kronprinzessinn nach Maßgabe des für Unser Königliches Haus zu erlassenden, zur Mitberatung Unserer getreuen Stände baldthunlichst zu bringenden Apanagegesetzes nicht hinreichend gesorgt werden kann, und daher nach Maßgabe der im Grundgesetze enthaltenen Bestimmung für das Auskommen einer verwitweten Kronprinzessinn, eben so wie für das Auskommen einer verwitweten Königinn, jedesmal besonders gesorgt werden muß, so haben Wir es angemessen gehalten, dies gleich bestimmt auszudrücken.


12.

Hiernächst haben Wir bedenklich erachten müssen, den von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachten Zusatz, wonach den von den Ständen zur Prüfung der Rechnungen der Generalcasse auf Lebenszeit zu erwählenden Commissarien die Erhaltung einer fortlaufenden Übersicht über den Gang des Staatshaushalts mit aufgetragen werden solle, in seiner großen Allgemeinheit in das Grundgesetz aufnehmen zu lassen, weil es zuvorderst ein Gegenstand reiflicher Erwägung sein wird, ob und in welcher Maße eine Einrichtung dieser Art getroffen werden kann, ohne zu einer Einmischung in die Verwaltung Veranlassung zu geben, welche, wie von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung selbst anerkannt worden, für das allgemeine Beste nur nachtheilig seyn würde.
Bei dieser Lage der Sache haben wir den hierauf gerichteten Zusatz in das Staatsgrundgesetz nicht aufnehmen lassen können.


13.

Wir haben ferner auf den Antrag Unserer getreuen Stände durch das Grundgesetz verordnet, daß der Diensteid der Civilstaatsdienerschaft auf die getreuliche Beobachtung des Grundgesetzes ausgedehnt werde. Da Wir es indes nicht angemessen finden, Unsere gesammte gegenwärtige Dienerschaft einen Diensteid nochmals ableisten zu lassen, so verweisen Wir dieselbe hiemit auf den von ihr bereits geleisteten Diensteid, und erklären, daß sie in jedem Betracht so angesehen werden soll, als wäre sie auf die treue Beobachtung des Grundgesetzes ausdrucklich eidlich verpflichtet.


14.

Endlich haben Wir es für angemessen erachtet, unter die im Grundgesetze angeführten Grunde, weshalb einer Unserer Civilstaatsdiener zur Strafe gezogen, oder selbst vom Dienste entlassen werden kann, auch grobes öffentliches Ärgerniß aufnehmen zu lassen, indem hiedurch das nothwendige Ansehen der Staatsdienerschaft wie der öffentliche Dienst mehr als durch sonstige Vernachlässigungen oder Vergehen benachtheiligt werden können.


 

Nachdem hienach die von Uns nothwendig erachteten Veränderungen des von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung vorgelegten Gesetzentwurfes gemacht worden sind, so ertheilen Wir demselben nunmehr Unsere landesherrliche Bestätigung, und befehlen, daß das auf solche Weise zu Stande gebrachte Grundgesetz Unseres Königreichs Hannover, vom Tage der Verkündigung an, und zwar so weit es dabei auf eine Abänderung verfassungsmäßig bestehender organischer Einrichtungen ankommt, nach Maßgabe der nach den Vorschriften des gegenwärtigen Grundgesetzes weiter zu treffenden Anordnungen und zu erlassenden gesetzlichen Vorschriften für alle Theile Unsers Königreichs in Kraft treten soll.

Was aber die Finanzen anbetrifft, so sollen die dieserhalb vorgeschriebenen Grundsätze von dem Eintritte des neuen Rechnungsjahrs, mithin vom 1. Julius 1834 an in Kraft treten, und die förmliche Vereinigung Unserer landesherrlichen und der Landescasse zu einer einzigen Generalcasse von eben diesem Zeitpuncte an Statt finden.
Übrigens verordnen Wir, um jede Ungewißheit über den bestehenden Rechtszustand zu vermeiden, hiemit noch ausdrucklich, daß die bisher bestehenden Gesetze, Anordnungen und Verfügungen der Behörden deshalb, weil die nunmehr vorgeschriebenen Formen bei denselben etwa nicht beobachtet sind, ihre Gültigkeit nicht verlieren sollen, sondern daß die Gültigkeit lediglich danach zu ermessen ist, was zu der Zeit ihrer Erlassung der Verfassung oder dem Herkommen gemäß war.


Gegeben Windsor - Castle, 

den 26. September des 1833sten Jahres, Unseres Reichs im Vierten.



Signatur Wilhelm IV. von Hannover &c. &c.


William R.

Dekoration Romkerhall



L. v. Ompteda.






Dekoration Romkerhall




Grundgesetz

des

Königreichs.


Wilhelm der Vierte, von Gottes Gnaden König des vereinigten Reichs Großbritannien und Irland &c., auch Konig von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Luneburg &c. &c.

Unter Bezugnahme auf Unser unter dem heutigen Tage erlassenes Patent wegen Publication eines Grundgesetzes für Unser Königreich Hannover bringen Wir dieses Gesetz hiemit zur öffentlichen Kunde.

Dekoration Romkerhall




Erstes Capitel.
Allgemeine Bestimmungen. 

Dekoration Romkerhall


§. 1.
Das Königreich Hannover bildet unter der Souverainität des Königs ein in allen seinen Bestandtheilen durch dasselbe Grundgesetz verbundenes Ganzes.
Bestandtheile des Königreichs können nur unter Zustimmung der allgemeinen Stände abgetreten werden. Friedensschlüsse und Berichtigungen streitiger Grenzen begründen hievon eine Ausnahme.

§. 2.
Das Königreich theilt in seiner Eigenschaft als Glied des deutschen Bundes alle aus diesem herfließenden Rechte und Verpflichtungen.
Die Beschlüsse der Bundesversammlung werden für das Königreich verbindlich, sobald sie vom Könige verkündigt sind. Die Mittel zur Erfüllung der hiedurch begründeten Verbindlichkeiten werden unter verfassungsmåßiger Mitwirkung der Stände bestimmt.

§. 3.
Die Regierungsform des Königreichs ist die erblichmonarchische.
Der König ertheilt dem Lande die feierliche Zusicherung, in der Ausübung Seiner Königlichen Rechte die Rechte Seiner Unterthanen, die Rechte der Gemeinden und Körperschaften im Königreiche, die Rechte der Kirchen, die Rechte der Provinziallandschaften und der allgemeinen Ständeversammlung nach Maßgabe des gegenwärtigen Grundgesetzes ungeschmälert aufrecht zu erhalten und gegen alle Eingriffe zu schůzen;
die Anordnung der Finanzen des Königreichs und seiner einzelnen Provinzen nicht ohne die verfassungsmåßige Mitwirkung der Stände zu treffen;
und bei der Einrichtung der Landesbehörden, so wie bei der Bestallung der Staatsdienerschaft dahin zu sehen, daß der öffentliche Dienst in allen Zweigen jederzeit verfassungsmåßig verwaltet wird, und seinen ungehinderten Fortgang zum Besten des Landes hat.

§. 4.
Der Sitz der obersten, dem Könige unmittelbar untergeordneten Regierungsbehörde kann nicht außerhalb des Königreichs verlegt werden, dringende Nothfälle ausgenommen.

§. 5.
Der König hat das Recht, bei längerer Abwesenheit eine Stellvertretung anzuordnen und deren Befugnisse zu bestimmen.
Würde die Stellvertretung Einer Person anvertraut, so kann dieselbe nur aus der Zahl der Agnaten gewählt werden.
Es können jedoch keinem Stellvertreter ausgedehntere Rechte übertragen werden, als einem Regenten nach den Bestimmungen dieser Verfassungsurkunde zustehen.





Zweites Capitel.
Vom Könige, von der Thronfolge und der Regentschaft.
Dekoration Romkerhall


§. 6.
Der König als Oberhaupt des Staats vereinigt in sich die gesammte Staatsgewalt, und übt sie auf verfassungsmåßige Weise aus.
Die Person des Königs ist heilig und unverletzlich.

§. 7.
Der König vertritt das Königreich in allen Beziehungen zu dem deutschen Bunde, zu den einzelnen Bundesstaaten und in allen auswärtigen Verhältnissen. Er ordnet die Gesandtschaften und sonstigen Missionen an, schließt mit andern Mächten Verträge und erwirbt dadurch Rechte für das Königreich, so wie Er dasselbe auch zur Erfüllung der vertragsmåßigen Verbindlichkeiten, und zwar für die Cap. VI. §. 92. bezeichneten Fälle nach Maßgabe der daselbst getroffenen Bestimmungen verpflichtet.

§. 8.
Ebenmäßig geht auch im Innern alle Regierungsgewalt von dem Könige aus, und wird durch die Landesbehörden, diese mögen unmittelbar bestellt seyn oder nicht, vermöge der vom Könige verliehenen Gewalt ausgeübt.
Kein Landesgesetz tritt in Gültigkeit, bevor es vom Könige verkündigt ist.
Dem Könige steht vermöge der Staatsgewalt die Kirchenhoheit zu. (Siehe Cap. III. §. 30. und Cap. V.)
Die bewaffnete Macht und deren Einrichtung, so wie alle sie betreffenden Anstellungen, Anordnungen und Befehle sind allein vom Könige abhängig.

§. 9.
Die Gerichtsbarkeit geht vom Könige aus und wird durch die ordentlichen Gerichte des Landes geübt, über welche Demselben die Aufsicht zusteht. Der König verspricht, den Lauf der Rechtspflege nicht zu hemmen und Straferkenntnisse nicht zu schärfen, hat aber das Recht, Straferkenntnisse im Wege der Gnade aufzuheben oder zu mildern, auch das Verfahren gegen den Beschuldigten einzustellen und niederzuschlagen.

§. 10.
Der König verleiht Rang, Titel und Würden, und hat das Recht, Standeserhöhungen vorzunehmen.

§. 11.
Die Krone des Königreichs Hannover vererbt ohne Theilung der Lande.
Sie gebührt zunächst dem Mannsstamme des Königlichen Hauses aus rechtmäßiger, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe. Die Ordnung der Thronfolge wird durch die Lineal-Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bestimmt. Erlischt der Mannsstamm der jezigen Königlichen Linie, so geht die Thronfolge nach Maßgabe der Hausgeseke auf den Mannsstamm der jezigen Herzoglich Braunschweig- Wolfenbüttelschen Linie, und nach dessen Erlöschen auf die weibliche Linie über.

§. 12.
Der König ist volljährig, sobald Er sein achtzehntes Lebensjahr vollendet hat.

§. 13.
Der König wird den Antritt Seiner Regierung durch ein Patent zur öffentlichen Kunde bringen, worauf nach den von Ihm für das ganze Land gleichmäßig zu ertheilenden Vorschriften die Huldigung erfolgt.
Im Patente, welches in Urschrift unter des Königs Hand und Siegel demnächst im ståndischen Archive niederzulegen ist, versichert der König bei Seinem Königlichen Worte die unverbruchliche Festhaltung der Landesverfassung.

§. 14.
Eine Regentschaft tritt ein, wenn der König entweder minderjährig oder sonst an der eignen Ausübung der Regierung verhindert ist.

§. 15.
Die Regentschaft gebührt dem nach der Reihe des Erbfolgerechts zunächst stehenden Agnaten, welcher das 18te Lebensjahr vollendet hat.
Sollte ein fähiger Agnat nicht vorhanden seyn, so geht die Regentschaft auf die Königinn, Gemahlinn des Königs, nach dieser auf die Mutter und endlich auf die Großmutter väterlicher Seite über; anderweite Vermählungen schließen dieselben jedoch von der Regentschaft aus.

§. 16
Wird die Regentschaft vom Könige selbst angeordnet, so steht dem Könige zu, einen regierungsfähigen Agnaten, und wenn deren nicht vorhanden seyn sollten, oder wenn der König Gründe hätte, von dem Seinen Agnaten gebührenden Vorzuge abzuweichen, einen nicht regierenden Prinzen aus den zum deutschen Bunde gehörenden Fürstenhäusern zum Regenten zu ernennen, welcher Letztere wenigstens das 25ste Lebensjahr vollendet haben muß.

§. 17.
Der König bestellt die Regentschaft entweder für Seine Person oder für den Thronfolger, auf den Fall, daß dieser zur Zeit des Anfalls der Krone, minderjährig oder sonst verhindert wäre.

§. 18.
Ermangelt es an einer solchen Anordnung, so tritt im Falle der Minderjährigkeit die gesetzliche Regentschaft von selbst ein. Bei anderer Verhinderung ist das Ministerium verpflichtet, entweder auf eignen Beschluß oder auf einen Antrag der versammelten allgemeinen Stånde des Königreichs, eine Zusammenkunft der Agnaten zu veranlassen. Zu dieser sind alle volljährigen Agnaten zu berufen, um, wenn mindestens drei derselben in Person, oder durch gehörig Bevollmächtigte erschienen sind, innerhalb drei Monaten auf erstattetes Gutachten des Ministerii nach absoluter Stimmenmehrheit einen Beschluß darüber zu fassen, ob eine Regentschaft nothwendig sey.
Das zur Regentschaft stehende Mitglied des Hauses und die weder in Person noch durch Bevollmächtigte erschienenen Agnaten haben keine Stimme.

§. 19.
Überzeugt sich die Versammlung der Agnaten von der Nothwendigkeit einer Regentschaft, so wird dieser Beschluß durch das Ministerium den allgemeinen Stånden des Königreichs, welche von demselben außerordentlich berufen werden müssen, insofern sie nicht bereits versammelt sind, mitgetheilt, um ihre Zustimmung zu erklären.

§. 20.
Sind keine Agnaten vorhanden oder erscheinen dieselben nicht in geseklicher Zahl, so richtet das Ministerium nach vorgångiger Untersuchung und Berichtserstattung an die Königinn, einen Antrag an die allgemeinen Stånde des Königreichs. Die Regentschaft tritt ein, wenn in Gemåßheit dieses Antrages die Stånde die Nothwendigkeit derselben anerkennen.

§. 21.
Ist in diesem Falle keine zur Regentschaft berechtigte Person vorhanden; so bestimmen die allgemeinen Stånde des Königreichs auf den Vorschlag des Ministerii unter den nicht regierenden Prinzen aus den zum deutschen Bunde gehörenden Fürstenhäusern den Regenten. Derselbe muß wenigstens das 25ste Lebensjahr vollendet haben, und seinen Aufenthalt im Königreiche nehmen.

§. 22.
Der Regent leistet bei Übernahme der Regentschaft im versammelten Ministerio in Gegenwart des Erblandmarschalls, der Präsidenten und Vicepräsidenten der allgemeinen Ständeversammlung, einen Eid auf die Aufrechthaltung der Verfassung und bringt hierauf den Eintritt der Regentschaft zur öffentlichen Kunde.

§. 23.
Der Regent übt im Namen des Königs die volle Staatsgewalt, wie sie dem Könige selbst verfassungsmäßig zusteht.
Der Regent darf jedoch eine Schmålerung der verfassungsmåßigen Rechte des Königs, so wie eine Änderung in dem Grundsysteme und in den verfassungsmäßigen Rechten der allgemeinen Ståndeversammlung überall nicht vornehmen noch gestatten.
Auch darf der Regent keine Standeserhdhungen vornehmen.

§. 24.
Die Regentschaft hört auf, sobald der König das Alter der Volljährigkeit erreicht hat, oder das anderweite Hinderniß der eignen Verwaltung der Regierung gehoben ist.

§. 25.
Die Erziehung des minderjährigen Königs gebührt, wenn der vorhergehende König deshalb keine andere Verfügung getroffen hat, der Mutter und nach dieser der Großmutter von väterlicher Seite, sofern diese nicht anderweit vermählt sind, und in Ermangelung auch dieser dem Regenten unter Beirath des Ministerii.
Auf gleiche Weise steht der Regent den zur Erziehung berechtigten Personen zur Seite, und hat, wenn deren Ansichten über die Wahl der Erzieher oder über den Erziehungsplan von den seinigen abweichen, die Entscheidung.
Die Aufsicht über die Person des durch Krankheit an der Ausübung der Regierung verhinderten Königs und die Sorge für denselben darf der Regent niemals übernehmen.

§. 26.
Die innern Verhältnisse des Königlichen Hauses werden vom Könige als Oberhaupte der Familie durch Hausgesetze bestimmt. Es soll jedoch das vom Könige zu erlassende und den allgemeinen Ständen mitzutheilende Hausgesetz, insoweit dasselbe die Erbfolge angeht, nicht ohne Zustimmung der Stände abgeändert werden.




Drittes Capitel.
Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen im allgemeinen.

Dekoration Romkerhall

§. 27.
Den vollen Genuß aller politischen und bürgerlichen Rechte im Königreiche kann nur ein Hannoverscher Unterthan haben.
Die Eigenschaft eines Hannoverschen Unterthans wird nach Maßgabe der Geseke durch Geburt oder Aufnahme erworben, und dauert so lange, bis sie auf rechtliche Weise verloren wird.
Die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte können durch ein Straferkenntniß beschränkt werden.

§. 28.
Alle Landeseinwohner sind gleichmäßig zum Kriegsdienste und zu Tragung der allgemeinen Staatslasten verpflichtet.
Zu diesen von allen Unterthanen nach gleichmäßigen Grundsätzen zu tragenden allgemeinen Staatslasten gehört auch die Unterhaltung des Heers ohne irgend eine hinsichtlich der Cavallerie oder anderer Waffengattungen Statt findende Ausnahme, einschließlich der Kriegerfuhren.
Für die bisherigen Befreiungen von dieser Staatslast erfolgt eine Entschädigung nicht.
Jedoch verbleibt denjenigen, welchen nach dem an die allgemeine Ständeversammlung erlassenen Königlichen Rescripte vom 18. Januar 1822 die Befreiung von der Einquartierung und Verpflegung zugesichert ist, welche aber nunmehr nach obigem Grundsatze zu dieser allgemeinen Staatslast gleichmäßig beizutragen haben, die Befugniß der Nichtannahme der ordinairen Natural-Einquartierung. Ebenso soll es auch mit der Naturalleistung der ordinairen Kriegerfuhren gehalten werden.
Die nach dem oben genannten Rescripte außerdem noch bestehenden Realeremtionen von allgemeinen Staatslasten sollen zwar ebenfalls wegfallen, jedoch verbleibt den bisher Eremten das Recht, die kunstig auf sie fallenden Naturalleistungen durch billige Geldbeiträge zu reluiren.
Die Vorrechte und Befreiungen von allgemeinen Staatslasten, welche den Mitgliedern der Königlichen Familie und den Standesherren zustehen, so wie die Ausnahmen, welche zu Gunsten der Königlichen und standesherrlichen Schlösser und Gärten und in Ansehung der Güter der Kirchen, Pfarren, Pfarrwitwenthümer, Schulen und Armenstiftungen bewilligt worden, sollen in der bisherigen Maße und wie sie durch die betreffenden Gesetze bestimmt sind, bestehen bleiben.
Die Befreiungen vom Militairdienste sind von den Bestimmungen der Militairgeseke abhängig.

§. 29.
Über die Lehnsverhältnisse und die zu gestattende Ablösbarkeit derselben soll ein besonderes Gesetz erlassen werden.
Durch dies Gesetz soll zugleich für eine zweckmäßige Erhaltung der größern Güter bei den Vasallenfamilien, so wie für Erleichterung der Stiftung von Majoraten und Fideicommissen gesorgt, auch über die Rechte der Agnaten und Erspectivirten und über die dem Heimfall nahe stehenden Lehne Bestimmung getroffen werden.

§ 30.
Allen Landeseinwohnern gebührt vollige Glaubens- und Gewissensfreiheit. Daher ist auch Jeder zu Religionsübungen mit den Seinigen in seinem Hause berechtigt.
Die Mitglieder der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte im Staate. Vergl. Cap V. §. 57.
Dem Könige gebührt das Recht, auch andere christliche Confessionen und Secten anzuerkennen. Den Anhängern solcher anerkannten christlichen Confessionen und Secten, wird der Genuß bürgerlicher Rechte und der Privatgottesdienst gestattet. Ihre politischen Rechte hangen jederzeit von einem besondern Gesetze ab; zur öffentlichen Religionsübung ist die besondere Bewilligung des Königs erforderlich.
Die Rechtsverhältnisse der im Königreiche wohnhaften jüdischen Glaubensgenossen sollen durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden.

§. 31.
Die Gerichte erster Instanz sind für alle Landeseinwohner dieselben.
Die von dieser Regel bestehenden Ausnahmen sollen durch ein baldigst zu erlassendes Gesetz, hinsichtlich des persönlich befreieten Gerichtsstandes auf die höheren Königlichen Behörden, die Besitzer landtagsfähiger Rittergüter, den landsässigen Adel, die höheren Staatsdiener, die höhere Geistlichkeit, so wie die jetzt canzleisåssigen Magistrate und Städte, und die Officiere, hinsichtlich des dinglichen Gerichtsstandes aber auf landtagsfähige Güter und die zu ihnen gehörenden Grundstücke, beschränkt, und alle übrigen Ausnahmen aufgehoben werden.
Bis zu erfolgter Publication dieses Gesekes besteht jedoch die jezige Competenz der Gerichte ungeändert.
Auch die Aufhebung der verbleibenden Ausnahmen soll bei künftiger, derselben entsprechender Veränderung der Gerichtsverfassung erfolgen.
Bis zu anderweiter Bestimmung bleiben die für gewisse Sachen oder Classen von Unterthanen angeordneten Gerichte in ihrer bisherigen Wirksamkeit, und die Gerichte überhaupt in ihrer bisherigen Verfassung.
Wegen der Gerichtsbarkeit über die nicht regierenden Mitglieder des Königlichen Hauses werden durch ein Königliches Familienstatut die erforderlichen Bestimmungen getroffen.

§. 32.
Die besondern Rechte der Standesherren, namentlich des Herzogs von Arenberg, des Herzogs von Looz-Corswaaren, des Fürsten von Bentheim, so wie der Grafen zu Stolberg-Wernigerode und Stolberg, sind durch Verordnungen und landesherrliche Zusicherungen festgestellt.

§. 33.
Die Freiheit der Person und des Eigenthums unterliegt keiner andern Beschränkung, als welche das Recht und die Gesetze bestimmen.
Algemeine Confiscation des Vermögens ist unzulässig.

§. 34.
Niemand darf verfolgt und verhaftet werden, als in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und in der gesetzlichen Form. Bis zur Erlassung der desfallsigen Gesetze behålt es bei den bisherigen Vorschriften sein Bewenden.
Der Verhaftete muß binnen 24 Stunden verhört und über die Ursache seiner Verhaftung im allgemeinen in Kenntniß gesetzt werden.
Kein Unterthan darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in den von den Gesehen im Voraus bestimmten Fällen, oder wenn der König aus besondern Gründen, auf den Bericht des Gesammt-Ministerii, die Competenz auf eine andere ordentliche Gerichtsbehörde zu übertragen nöthig findet.
Das Verfahren bei Störung der öffentlichen Ruhe soll durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden.

§. 35.
Die Staatsverwaltung hat keinen Anspruch an das Eigenthum und die Gerechtsame von Einzelnen oder Corporationen, als aus allgemeinen Gesehen oder besondern Privatrechtstiteln. Ausnahmsweise kann dieselbe jedoch gegen vorhergehende vollståndige Entschädigung die Abtretung von Eigenthum oder Gerechtsamen zu Staats- oder andern öffentlichen Zwecken verlangen, wenn entweder eine dringende Nothwendigkeit solches erheischt, oder wenn ausdrückliche Gesetze zu Zwecken des gemeinen Nutzens ihr dazu die Befugniß geben.

§. 36.
Die Frage, ob die Abtretung geschehen soll, wird nach vorgängiger Vernehmung aller Betheiligten von der betreffenden obern Verwaltungsbehörde entschieden.
Den Betheiligten steht jedoch wider die Entscheidung binnen gesetzlicher, oder in deren Ermangelung achtwöchiger Frist der Recurs an das Ministerium zu, welches über denselben unter Zuziehung des Geheimenrathscollegii entscheidet.
Der Betrag der Entschädigung wird unter Beobachtung der geseklichen Vorschriften über dessen Bestimmung, von der Verwaltungsbehörde festgesetzt. Will sich der Betheiligte bei deren Beschlüssen nicht beruhigen, und kann eine Vereinbarung nicht bewirkt werden, so ist die Sache im ordentlichen Rechtswege zu erledigen; es kann aber der zur Entschädigung Berechtigte bei Abtretung des Seinigen sofort die Überweisung der von der Verwaltungsbehörde ausgemittelten Entschädigung fordern.
Ist aber unwiederbringlicher Nachtheil mit dem Verzuge erbunden, so entscheidet die höchste zur Stelle befindliche Verwaltungsbehörde über die Abtretung. In diesem Falle hält der Recurs das Verfahren nicht auf und folgt die Entschädigung ausnahmsweise innerhalb möglichst kurzer Frist nach.

§. 37.
Jedem der sich von einer Verwaltungsbehörde durch Überschreitung ihrer Befugnisse in seinem wohlerworbenen Rechte verletzt erachtet, steht nach den nachfolgenden Bestimmungen der ordentliche Gerichtsgang offen.
Ist die Verlekung durch einen Staatsvertrag oder durch ein verfassungsmäßig erlassenes Gesetz bewirkt, so kann die selbe nicht zum Gegenstande eines Rechtsanspruches gegen den Staat oder gegen Verwaltungsbehörden gemacht werden.
Vielmehr kann nur die unrichtige oder unbefugte Anwendung von Staatsverträgen oder Geseken einen Rechtsanspruch begründen, sobald in einer Überschreitung der Befugnisse der Behörden außerdem die Erfordernisse einer Entschädigungsverbindlichkeit nach gemeinrechtlichen Grundſåken anzutreffen sind.
Die Gerichte können in solchen Fällen die einstweilige Ausführung von Verfügungen der Verwaltungsbehörden nicht hemmen, und dürfen eine gegen solche Verfügungen gerichtete Klage nur dann annehmen, wenn von dem Kläger zuvor nachgewiesen ist, daß er bei der vorgesekten höhern oder höchsten Verwaltungsbehörde bereits Hülfe gesucht, und solche innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht gefunden habe.
Wiederaufhebung von Verfügungen der Verwaltungsbehörden durch richterlichen Spruch kann nur in dem Falle Statt finden, wenn auf verfassungsmåßigem Wege (f. Cap. VIII. §. 156) entschieden ist, daß eine in Frage befangene Angelegenheit zur Competenz der Verwaltungsbehörde nicht erwachsen gewesen sey.

§. 38.
Wenn Ansprüche aus einem wohlerworbenen Privatrechte gegen den Fiscus, sowohl des Königs als des Staats, oder von demselben geltend gemacht werden sollen, gehört die Verhandlung und Entscheidung der hieraus entstehenden Rechtsstreitigkeiten auf gleiche Weise, wie andere Privatrechtssachen zur Competenz der ordentlichen Gerichte, und zwar, soweit dies nach bisherigen Gesetzen noch nicht der Fall gewesen, rücksichtlich der nach dem Tage der Publication des Staatsgrundgesetzes entstehenden Forderungen.
Die Vollziehung des gerichtlichen Erkenntnisses findet gegen die in demselben bezeichnete Behörde oder Casse Statt.

§. 39.
Den Unterthanen steht das Recht zu, in angemessener Form und auf gesetzliche Weise Bitten an den König, an die allgemeine Ständeversammlung, so wie an die Landesbehörden zu bringen.
Auch hat Jeder das Recht, in seiner Angelegenheit über gesez- und ordnungswidriges Verfahren einer Behörde oder über verzögerte Entscheidung bei der unmittelbar vorgesetzten Behörde Beschwerde zu führen und diese bis zur höchsten Behörde zu verfolgen.
Mehrere Gemeinden oder Corporationen dürfen über Angelegenheiten, in Ansehung deren sie nicht ohnehin in einem verfassungsmåßigen Verbande mit einander stehen, keine gemeinschaftlichen Gesuche übergeben.

§. 40.
Die Freiheit der Presse soll unter Beobachtung der gegen deren Mißbrauch zu erlassenden Gesetze und der Bestimmungen des deutschen Bundes Statt finden.
Bis zur Erlassung dieser Geseke bleiben die bisherigen Vorschriften in Kraft.

§. 41.
Jedem Landeseinwohner steht das Recht zu, unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften über die Militairpflicht auszuwandern.





Viertes Capitel.
Von den Gemeinden und Körperschaften.

Dekoration Romkerhall


§. 42.
Jeder Landeseinwohner muß in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse einer Gemeinde oder einem Verbande mehrerer Gemeinden des Königreichs angehören und zu deren Lasten, bis auf die unten vorbehaltenen persönlichen Ausnahmen, verhältnißmåßig beitragen. Nicht minder soll jedes Gut, Haus oder Grundstuck einer Gemeinde zugerechnet werden.

§. 43.
Eremtionen von Gemeindelasten sollen nicht ferner Statt finden. Rechtlich bestehende Eremtionen können gegen vorgångig auszumittelnde Entschädigung aufgehoben werden.
Gleichzeitig mit Aufhebung der Eremtionen ist auch die derselben entsprechende Regulirung des Gemeindewesens in den betreffenden Gemeinden vorzunehmen. Bei Ausmittelung der Entschädigung soll zu Gunsten der zu deren Leistung Verpflichteten auf die Beschaffenheit und den Zweck der zu übernehmenden Last, so wie auf deren in neuerer Zeit durch polizeiliche Einrichtungen etwa eingetretene Vermehrung billige Rücksicht genommen werden. Auch sind dabei die von dem Befreiten zu Gunsten der Gemeinde getragenen Lasten nebst den in Rücksicht auf eine getragene Last von den dazu Verpflichteten genossenen Vortheilen zur Ausgleichung zu bringen. Die zu weiterer Ausbildung dieser Vorschriften erforderlichen Bestimmungen über die Grundsätze und das Maß der Entschädigung, so wie über diejenigen Verhältnisse, bei welchen ausnahmsweise eine Eremtion auch ohne Entschädigung abgestellt werden kann, bleiben der provinziellen Gesetzgebung vorbehalten. Imgleichen sollen diejenigen Fålle, in denen ein persönliches Recht auf Befreiung von Gemeindelasten  aufrecht zu erhalten seyn möchte, gesetzlich bestimmt werden.

§. 44.
Die Bildung neuer Gemeindeverbände, so wie die Zusammenlegung oder Abänderung bestehender, kann, nach vorgangiger Vernehmung der Betheiligten, unter steter Berücksichtigung ihrer besondern Interessen und der Provinzialverhältnisse erfolgen.

§. 45.
Die bisher keiner Gemeinde angehörigen Domainen, Güter und Besikungen sollen auf eine den Provinzial- und Localverhältnissen angemessene Weise in einen bereits vorhandenen oder neu zu bildenden Gemeindeverband eingeschlossen werden.
Bis ein solcher Anschluß erfolgt ist, wird in deren Beziehungen zu den Gemeinden, durch vorstehende Bestimmung nichts verändert.
Insofern Lage und Verhältnisse die Vereinigung einer Domaine oder eines Guts mit einer Gemeine nicht angemessen erscheinen lassen, kann eine solche Domaine oder ein solches Gut eine abgesonderte Gemeinde bilden.

§. 46.
Die Art und Weise, wie die in einen Gemeindeverband eintretenden Grundbesitzer an den Gemeindeangelegenheiten Theil zu nehmen und zu den Gemeindelasten beizutragen haben, so wie die vorgängige angemessene Entschädigung der von solchen Lasten bisher rechtlich befreit Gewesenen, soll durch gutliche Vereinbarung zwischen den Gemeinden und den neu Eintretenden, unter Leitung der Regierungsbehörde oder der von ihr zu ernennenden Commissarien, in Ermangelung einer solchen Übereinkunft aber, unter Berücksichtigung der gegenseitigen Verhältnisse nach folgenden Grundsäken festgesetzt werden:
1) Die Vereinigung soll sich allein auf die öffentlichen, nicht aber auf die privatrechtlichen Verhältnisse der Gemeinde beziehen, sofern nicht von beiden Theilen eine Vereinigung auch in der lestern Rücksicht gewünscht wird.
2) Das Beitragsverhältniß der Eintretenden zu den Gemeindelasten, soll nach Maßgabe des, den Eintretenden zu Statten kommenden Antheils an den diesen Lasten zum Grunde liegenden Zwecken festgestellt werden.
Die Naturalleistungen der neu Eintretenden können mit Geld reluirt werden, mit Ausnahme der Fälle, wo Gefahr im Verzuge ist, und der Lasten, welche von den Eintretenden schon vorher in natura zu leisten waren.
Liegen den Eintretenden Lasten ob, welche zum Nutzen der Gemeinden gereichen, in welche sie eintreten, so ist rücksichtlich solcher Lasten eine Ausgleichung zu bewirken.
3) Den Eintretenden soll ein der Concurrenz zu den Lasten der Gemeinden, ihrem Interesse an den Gemeindeangelegenheiten, und ihren Verhältnissen zu anderen Mitgliedern der Gemeinden entsprechendes Stimmrecht beigelegt werden. Auch sollen die Besiker ganzer Güter befugt seyn, solches durch Bevollmächtigte auszuüben.

§. 47.
Die Aufnahme neuer Mitglieder in eine Gemeinde, welche nicht aus einem in den bestehenden oder noch zu erlassenden Gesetzen bestimmten Grunde ein Recht darauf haben, so wie die Zulassung neuer An- und Abbauer, hangt, unter Vorbehalt des Recurses an die vorgesetzte Regierungsbehörde, von der Gemeinde, in welche sie eintreten sollen, ab.

§. 48.
Das Vermögen und Einkommen der Gemeinden und ihrer Anstalten, so wie der Corporationen darf nie als Staatsvermögen behandelt oder zu den Staatseinnahmen geschlagen werden, so wie auch ihre Verbindlichkeiten den Staat nicht verpflichten.

§. 49.
Keine Gemeinde kann mit Leistungen oder Ausgaben beschwert werden, wozu sie nicht durch Gesetze oder andere Rechtstitel verbunden ist. Dasselbe gilt von mehreren in einem Verbande stehenden Gemeinden.

§. 50.
Ausgaben und Lasten, welche für die Zwecke und Bedürfnisse von Gemeinden oder Verbänden mehrerer Gemeinden erforderlich sind, müssen von den Mitgliedern der Gemeinden oder Verbände verhältnismäßig getragen werden, und sollen daher, wenn Einzelne zur Bestreitung einer solchen Ausgabe oder Last nach besonderen Rechtsverhältnissen bisher allein oder vorzugsweise verbunden waren, auf deren Antrag, insoweit die Verhältnisse nach dem Urtheile der vorgesekten Regierungsbehörde solches gestatten, gegen eine von ihnen zu leistende angemessene Entschädigung abgenommen oder bei Übernahme anderer Gemeindelasten angerechnet werden.

§. 51
Die Oberaufsicht der Regierungsbehörde auf die Vermögensverwaltung aller Gemeinden, so wie auf die Vertheilung und Verwendung der Gemeindeabgaben darf sich nicht weiter erstrecken, als dahin, daß das Vermögen erhalten, dessen Einkünfte ihrer Bestimmung gemåß verwandt und bei Anordnung und Vertheilung der Gemeindeabgaben angemessene, auch die Rechte der übrigen Landeseinwohner und das allgemeine Wohl nicht verletzende Grundsätze befolgt werden. Auch steht der Regierungsbehörde die Entscheidung von Beschwerden zu, die gegen die Gemeindeverwaltung erhoben werden möchten.

§. 52.
Den städtischen Obrigkeiten und deren Mitgliedern, wie auch den Beamten der Landgemeinden, liegt außer der Verwaltung der Gemeindesachen, auch die Besorgung der ihnen durch Gesetz, Verfassung oder Herkommen, oder von den höheren Behörden übertragenen Landesangelegenheiten in ihrer Gemeinde ob.

§. 53.
Die Verfassung und Verwaltung in den Städten des Königreichs soll nach vorgängiger Verhandlung mit denselben durch öffentlich bekannt zu machende, vom Könige oder dessen Stellvertreter zu vollziehende Urkunden geordnet werden.
Bei diesen Urkunden sollen folgende Grundsåße zur Anwendung kommen:
1) Die Bürgerschaften ernennen durch freie Wahl ihre Vertreter, welche nicht auf Lebenszeit gewählt werden können.
Die Städte haben das Recht, ihre Magistrate und übrigen Gemeindebeamten selbst zu wählen. An den Wahlen nehmen die Bürgerschaften, mit den Magistraten, erstere durch ihre Vertreter Theil.
2) Die höhere Bestätigung ist nur bei den Wahlen der stimmführenden Mitglieder des Magistrats und des Stadtgerichts erforderlich.
3) Die Vertreter der Bürgerschaften nehmen Theil an den Angelegenheiten, welche das Gemeinwesen der Stadt, deren Vermögen, Rechte und Verbindlichkeiten betreffen, namentlich auch an der Veranlagung und Vertheilung der Communalabgaben, Lasten und Leistungen.
4) Die Verwaltung des städtischen Vermögens und die Rechnungsablage über dieselbe ist ihrer Controle unterworfen.
5) Gemeinschaftliche Beschlüsse des Magistrats und der Vertreter der Bürgerschaft über die Verwendung der laufenden Einnahme des Gemeindevermögens bedürfen der höhern Genehmigung nicht; jedoch hat der Magisirat zu Anfang eines jeden Rechnungsjahrs einen von den Vertretern der Bürgerschaft genehmigten Haushaltsplan, so wie nach Ablauf des Rechnungsjahrs einen Auszug der von den Vertretern der Bürgerschaft abgenommenen städtischen Rechnungen der Bürgerschaft bekannt zu machen, und der die Oberaufsicht führenden Regierungsbehörde einzusenden, welche die Vorlegung der vollständigen Rechnungen verfügen kann.
6) Der Magistrat ist in allen städtischen Gemeindeangelegenheiten die einzige ausführende und verwaltende Behörde; inzwischen hat, was die Ausübung der Polizei betrifft, die Regierung das Recht, unter den Mitgliedern des Magistrats die Person zu bezeichnen, welche die städtische Polizei zu besorgen hat, auch wo besondere Umstände solches erforderlich machen, eine eigene Polizeibehörde anzuordnen.
Das Armenwesen kann nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse einer eigenen Verwaltung übertragen werden.
Es soll jedoch in den Fällen, wo die Verwaltung der Polizei nicht dem gesammten Magistrate verbleibt oder übertragen wird, der Geschäftskreis der städtischen Polizei in den einzelnen Städten durch Verhandlung mit denselben genau festgestellt, und dabei der Grundsatz befolgt werden, daß dem Magistrate die Besorgung alles desjenigen verbleibt, was die Gewerbsverhältnisse, die Einrichtung, Verwaltung und Beaufsichtigung der städtischen Güter und Anstalten, so wie der für gemeinsame städtische Zwecke bestimmten Privatanstalten zum Gegenstande hat.
Schon bestehende Verfassungsurkunden einzelner Stådte, welche den Befugnissen der Bürgerschaft, ihrer Vertreter und Obrigkeit engere Grenzen setzen, sollen revidirt und unter Berücksichtigung der Localverhältnisse, so wie unter Zuziehung von Vertretern der Bürgerschaft mit den vorstehenden allgemeinen Grundsaken in Übereinstimmung gebracht werden. Diese Grundsätze sinden auch auf die Verfassung der Flecken unter den, durch die Verhältnisse gebotenen Beschrånkungen und Ausnahmen ihre Anwendung.

§. 54.
Den Landgemeinden steht unter obrigkeitlicher Aufsicht (vergl. §. 51) die eigene Verwaltung ihres Vermögens, die Regulirung ihrer übrigen innern Gemeindeverhältnisse und der ihnen obliegenden Gemeindeabgaben und Leistungen, so wie eine Theilnahme an der Handhabung ihrer Flur- und Feldmarkspolizei zu.
Das Recht der Wahl ihrer Vertreter steht den Gemeinden jederzeit zu, jedoch sind selbige nicht auf Lebenszeit zu wählen.
Auch sollen die Landgemeinden in der Regel das Recht haben, ihre Gemeindebeamte, unter Vorbehalt obrigkeitlicher Bestätigung zu wählen. Ausnahmen von dieser Regel können sowohl auf den Grund bestehender Berechtigungen als besonderer Verhältnisse in den Gemeinden Statt finden.

§. 55.
In den Fällen, wo Ausgaben verfassungsmåßig von einem Verbande mehrerer Gemeinden gemeinschaftlich getragen und aufgebracht werden müssen, sollen zur Prüfung der Ausgaben selbst, so wie zur Feststellung der Repartition derselben gewählte, oder sonst berechtigte Mitglieder des Verbandes zugezogen, und diesen demnächst auch über die Aufbringung und Verwendung Rechnung abgelegt werden. Die nähere Einrichtung dieser Verbände soll nach Verschiedenheit der Provinzen gesetzlich regulirt werden.

§. 56.
Die in den verschiedenen Provinzen des Königreichs bestehenden ritterschaftlichen Corporationen behalten ihre statutenmäßigen Rechte, sofern letztere nicht durch das gegenwärtige Grundgesetz aufgehoben werden.
Namentlich bleibt ihnen die Befugniß, provinzielle Vereine, behuf Erhaltung ihrer Güter zu errichten.





Fünftes Capitel.
Von den Verhältnissen der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche zum Staate, von den Unterrichtsanstalten, so wie von den zu wohlthätigen Zwecken bestimmten Fonds.
Dekoration Romkerhall


§. 57.
Den Mitgliedern der evangelischen und der romisch-katholischen Kirche wird freie öffentliche Religionsübung zugesichert.

§. 58.
Dem Könige gebührt über beide Kirchen das in der Kirchenhoheit begriffene Schutz und Oberaufsichtsrecht.

§. 59.
Die Anordnung der innern geistlichen Angelegenheiten bleibt der in der Verfassung jeder dieser Kirchen gegründeten Kirchengewalt überlassen.

§. 60.
In der evangelischen Kirche werden die Rechte der Kirchengewalt vom Könige, und zwar durch Consistorial- oder Presbyterialbehörden, zusammengesekt aus evangelischen Geistlichen und weltlichen Personen, unter der Aufsicht des Ministerii, so wie unter Aufrechterhaltung der den Gemeinden und Einzelnen zustehenden Rechte ausgeübt.
Sollen für das Königreich oder ganze Landestheile neue Kirchenordnungen erlassen, oder in wesentlichen Grundsätzen derselben und namentlich der Liturgie Veränderungen gemacht werden, so ist darüber mit einer vom Könige zusammen zu berufenden Versammlung von geistlichen und weltlichen Personen, welche theils vom Könige bestimmt, theils von den Geistlichen und Gemeinden in den betreffenden Landestheilen auf die sodann gesetzlich anzuordnende Weise gewählt werden, zu berathen.
Die künftige Einrichtung und der Geschäftskreis der Consistorial- und Presbyterialbehörden, der Umfang der Aufsichtsrechte des Ministerii, die Einführung und Ausbildung von Synoden und Kirchenvorstånden, so wie die Art der Ausübung der den Gemeinden und Einzelnen zustehenden Rechte bleibt weiteren Bestimmungen vorbehalten, und sollen bei Bestimmung des kunstigen Geschäftskreises der Consistorialbehörden zugleich in Rücksicht der Überweisung der von ihnen bisher ausgeübten streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit an die weltlichen Gerichte die erforderlichen Anordnungen erfolgen.

§. 61.
Sollte der Fall eintreten, daß der König oder der Regent sich nicht zur evangelischen Kirche bekennte, so geht die Ausübung der Rechte der Kirchengewalt einstweilen auf die evangelischen Mitglieder des Gesammt-Ministerii über, und soll zur Sicherstellung des Rechtszustandes der evangelischen Kirche über die Art und Weise der Ausübung der Kirchengewalt in derselben mit Zustimmung der allgemeinen Ståndeversammlung das Nöthige verordnet werden.

§. 62.
In der römisch-katholischen Kirche gebührt den Bischöfen oder Administratoren der Diöcesen Hildesheim und Osnabrück die Ausübung der Rechte der Kirchengewalt, gemäß der Verfassung dieser Kirche.
Die Rechte der Kirchenhoheit, zu denen auch die Oberaufsicht über die zunächst unter dem Bischofe oder den Diöcesan-Administratoren stehende, und nach den Bestimmungen des §. 69 auszuůbende Verwaltung des Vermögens der römisch-katholischen Kirchen und kirchlichen Stiftungen gehört, werden vom Könige oder dessen Ministerio unmittelbar oder durch die römisch-katholischen Consistorien ausgeübt.

§. 63.
Alle allgemeinen Anordnungen der römisch-katholischen Kirchenbehörden bedürfen der Einsicht des Ministerii und sollen ohne dessen Genehmigung nicht verkündigt oder vollzogen werden. Betreffen sie reine Glaubens- oder kirchliche Lehr- und Disciplinarsachen, so soll deren Bekanntmachung nicht gehindert werden, sobald nur das Ministerium durch genommene Einsicht sich davon überzeugt hat, daß deren Inhalt für den Staat unnachtheilig ist.

§. 64.
Alle amtlichen Communicationen mit dem påpstlichen Stuhle, mit auswärtigen Kirchenversammlungen oder Kirchenobern müssen dem Ministerio zur Einsicht vorgelegt werden, und deren Beschlüsse, Erlasse, Bullen, Breven, Rescripte und sonstigen Schreiben an die römisch-katholische Kirche im Königreiche, an ganze Gemeinden oder einzelne Landeseinwohner, bedürfen vor ihrer Verkündigung oder Insinuation des landesherrlichen Placet. Dieses soll nicht verweigert werden, wenn sie von der am Schlusse des vorhergehenden Paragraphen angegebenen Beschaffenheit sind.
Ausgenommen von der Bestimmung dieses §. sind allein die Communicationen in Gewissenssachen einzelner Personen.

§. 65.
Das Ministerium ist verpflichtet, Mißbrauche oder Überschreitungen der Kirchengewalt zu verhüten, und dieselben von Amtswegen oder auf an dasselbe eingegangene Recurse abzustellen.
Beschwerden gegen untergeordnete Kirchendiener müssen jedoch zunächst an die Kirchenobern im Königreiche gebracht werden, können aber, wenn keine Abhilfe erfolgt, an das Ministerium gelangen.

§. 66.
Die Prediger und anderen höheren Kirchendiener der evangelischen wie der römisch-katholischen Kirche, deren Ernennung vom Könige oder dessen Behörden nicht unmittelbar erfolgt, sondern welche von Dritten ernannt oder präsentirt werden, bedürfen der Bestätigung des Königs oder der dazu bestimmten Behörden desselben, und können, so lange sie diese nicht erhalten haben, weder die Amtsgeschäfte ausüben, noch haben sie ein Recht auf die Amtseinkünftte.
Die Entscheidung über die canonischen Eigenschaften des zu Bestätigenden gebührt allein der geistlichen Behörde.
Die Bestätigung darf ohne erhebliche Gründe nicht verweigert werden.
Sämmtliche Kirchendiener sind in ihren bürgerlichen Beziehungen und Handlungen, wie auch in Rücksicht ihres Vermögens den Gesetzen des Staats unterworfen.
Der Staat gewährt ihnen jede zur ordnungsmåßigen Verwaltung und Erfüllung ihrer Amtsobliegenheiten erforderliche Unterstützung, und schützt sie in der ihnen zukommenden Amtswürde.

§. 67.
Die Entlassung der Kirchendiener von ihrem Amte und die Suspension vom Amte und zugleich vom Gehalte kann im Disciplinar-Verfahren nur geschehen, nachdem die kirchliche Behörde eine gehörige Untersuchung angestellt und den Kirchendiener mit seiner Vertheidigung hinreichend gehört hat. Sie bedarf in Ansehung der Prediger und übrigen höhern Geistlichkeit der Bestätigung des Ministerii.

§. 68.
Das jezige und künftige Vermögen der einzelnen Kirchen, Kirchenåmter, geistlichen und andern milden Stiftungen, Damen-Stifter und Klöster, Schulen und Armenanstalten, darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen gezogen oder zu andern, als den gesetz- oder stiftungsmåßigen Zwecken verwandt werden.
Eine Abänderung der Stiftung kann von der Staatsgewalt nur nach vorgängiger Vernehmung der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten und nur dann vorgenommen werden, wenn der Zweck der Stiftung auf die vorgeschriebene Weise nicht mehr zu erreichen ist. Indeß muß das Vermögen unter thunlichster Berücksichtigung der Wünsche der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten zu gleichen oder möglichst ähnlichen Zwecken wieder verwandt werden.
Dabei bleiben jedoch die Bestimmungen des §. 35 des Reichs-Deputations-Hauptschlusses vom 25sten Februar 1803 in Ansehung der in demselben bezeichneten Güter, insofern darüber eine endliche Verfügung noch nicht getroffen ist, ausdrücklich vorbehalten.

§. 69.
Insofern die Verwalter des Vermögens der einzelnen Kirchen und der dazu gehörenden Stiftungen und Armenanstalten den bestehenden Einrichtungen gemäß nicht von der Kirchengemeinde gewählt werden, und diese an der Verwaltung einen größern Antheil nicht gehabt, sollen den Verwaltern dieses Vermögens in jeder Kirchengemeinde nach den darüber zu erlassenden besonderen Verfügungen einige von der Kirchengemeinde zu erwählende Vorsteher unter Mitwirkung der Pfarrgeistlichen zur Seite stehen, welche zu allen wichtigen auf die Verwaltung sich beziehenden Maßregeln, bei Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens, wie auch der zur Dotation der Kirchenåmter und der zu Pfarrwitwenthumern gehörenden Grundstücke oder Gerechtsame, ferner bei Werken, die zu kirchlichen oder geistlichen Zwecken unternommen, nicht weniger bei Leistungen, die zu solchen Zwecken ausgeschrieben werden, und endlich zu der Rechnungsablage zugezogen werden müssen.
In denjenigen Fällen, in welchen der Kirchenpatron die Ausgaben ausschließlich bestreitet, tritt die Bestimmung dieses §. nicht ein.

§. 70.
Für die Erhaltung und Vervollkommnung der Landesuniversität und der übrigen öffentlichen Unterrichtsanstalten jeder Art soll stets nach Kräften gesorgt werden.
Der Unterricht in den Volksschulen bleibt zunächst der Aufsicht der Prediger anvertraut.

§. 71.
Das von den vormaligen Klöstern und andern ähnlichen Stiftungen in verschiedenen Theilen des Königreichs herrührende zu einem abgesonderten Fonds vereinigte Vermögen soll für immer von allen andern Staatscassen völlig getrennt bleiben, und allein zu den erforderlichen Zuschüssen behuf der Bedürfnisse der Landesuniversität, der Kirchen und Schulen und zu wohlthätigen Zwecken aller Art verwandt werden.
Die Verwaltung dieses Vermögens steht unter Leitung des Ministerii, jedoch soll der allgemeinen Ståndeversammlung jährlich eine Übersicht der Verwendungen aus demselben mitgetheilt werden. In Rücksicht der Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens finden alle diejenigen Vorschriften ihre volle Anwendung, die bei Veräußerungen von Domanialvermögen in der gegenwärtigen Verfassungsurkunde vorgeschrieben sind.



Sechstes Capitel.
Von den Landständen.

Dekoration Romkerhall

§. 72.
Für die einzelnen Provinzen des Königreichs sollen Provinciallandschaften, für das
ganze Königreich aber eine allgemeine Ständeversammlung bestehen.



Erster Abschnitt.
Von den Provinziallandschaften.

§. 73.
Provinziallandschaften sollen bestehen
1) für die Fürstenthumer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen nebst den vormals Hessischen Ämtern im Fürstenthum Göttingen und dem diesseitigen Eichsfelde,
2) für das Fürstenthum Lüneburg, mit Einschluß der diesseitigen Theile des Herzogthums Sachsen-Lauenburg,
3) für die Grafschaften Hoya und Diepholz, mit den vormals Hessischen Ämtern in diesen Provinzen,
4) für die Herzogthumer Bremen und Verden, mit dem Lande Hadeln,
5) für das Fürstenthum Osnabrück,
6) für das Fürstenthum Hildesheim nebst der Stadt Goslar,
7) für das Fürstenthum Ostfriesland und das Harlingerland.

§. 74.
Wegen Einführung provinziallandschaftlicher Einrichtungen in denjenigen Landestheilen, wo solche noch nicht bestehen, so wie wegen angemessener Verbindung bisher getrennter Provinziallandschaften sollen unter Mitwirkung von Abgeordneten der betreffenden Landestheile Einleitungen getroffen werden.

§. 75.
In sämmtlichen Provinziallandschaften sollen zwei Curien eingeführt werden, welchen gleiche Rechte und Befugnisse zustehen.
Die erste Curie soll bestehen aus den Prälaten, wo diesen eine Theilnahme an den Provinziallandtagen zusteht, und aus den Mitgliedern der Ritterschaft, deren Statuten revidirt und mit derselben festgestellt werden sollen.
Die zweite Curie soll in einem näher zu bestimmenden angemessenen Verhältnisse bestehen aus den Deputirten der mit Stimmrecht versehenen oder zu versehenden Städte und Flecken und der nicht zur Ritterschaft gehörigen Grundbesizer.
In denjenigen Provinzen jedoch, wo die Stådte in einer zweiten und die nicht zur Ritterschaft gehörigen Grundbesitzer in einer dritten Curie vertreten sind, sollen drei Curien fortbestehen, insofern nicht ein Anderes durch vorgängige Verhandlungen zwischen der Regierung und der betreffenden Landschaft festgesezt wird.

§. 76.
Auf den Provinziallandtagen sollen die vorkommenden Angelegenheiten und die zu machenden Anträge in voller Versammlung aller Stånde vorgetragen und berathen, sodann aber soll ohne eine nochmalige Berathung in den Curien auszuschließen, nach Curien abgestimmt und beschlossen werden.

§. 77.
Die fernere innere Organisation der Provinziallandschaften und insbesondere der Curien soll binnen drei Jahren in Gemäßheit obiger Grundsätze auf verfassungsmåßigem Wege näher festgestellt, und zu dem Ende soll zwischen der Regierung und den einzelnen Landschaften weitere Verhandlung zugelegt werden.
Sobald diese Organisation bewirkt ist, soll allen Provinziallandschaften das Recht der Zustimmung in der Art zustehen, wie solches im §. 79 festgesetzt ist. Bis zum Ablauf jener drei Jahre, insofern die Organisation nicht schon früher eingetreten seyn sollte, verbleiben einer jeden Landschaft in dieser Beziehung diejenigen Rechte, welche ihr bisher zustanden, in so weit solche mit dem gegenwärtigen Staatsgrundgeseke vereinbar sind.
Nach beendigter Organisation der Provinziallandschaften ist zu einer Abänderung der Verfassung und Rechte derselben die Zustimmung der betreffenden Landschaft erforderlich.

§. 78.
Den Provinziallandschaften verbleiben diejenigen ständischen Rechte, welche nicht auf die allgemeine Ständeversammlung übergegangen sind, und in so weit solche Rechte den Principien des gegenwärtigen Staatsgrundgesekes nicht entgegen stehen.

§. 79.
Die Zustimmung der Provinziallandschaften soll erforderlich seyn zu allen provinziellen Abgaben und Leistungen und zu dem wesentlichen Inhalte aller lediglich die speciellen Verhältnisse der Provinz betreffenden Provinzialgesetze, in so weit solche nicht allein die Ausführung und Handhabung bestehender Gesetze oder die Erlassung vorübergehender Verfügungen bezwecken, oder in Anordnungen der Sicherheits- oder Gesundheits-Polizei bestehen.
Bei der Verkündigung solcher Provinzialgesetze ist die Zustimmung der Provinziallandschaft zu erwähnen.
Diejenigen bestehenden Provinzialgesetze, zu deren Erlassung die Zustimmung der Landschaften erforderlich seyn würde, können nur mit Zustimmung der betreffenden Landschaft aufgehoben, abgeändert oder authentisch interpretirt werden, in so fern deren Aufhebung oder Abänderung nicht Folge verfassungsmäßig erlassener allgemeiner Landesgesetze ist.

§. 80.
Die Anträge und Beschlusse der Provinziallandschaften dürfen niemals die Ausführung der für das ganze Königreich bestehenden Gesetze hindern.

§. 81.
Falls Abgaben zu provinziellen Zwecken zu veranlagen sind, so soll der desfallsige Beschluß der Provinziallandschaft zuvorderst durch das Ministerium zur Kenntniß der allgemeinen Ståndeversammlung gebracht werden, damit diese im Stande ist, darüber zu wachen, daß durch dergleichen provinzielle Abgaben dem allgemeinen Abgabe- und Finanzsysteme des Königreichs kein Eintrag geschehe.
Die Art der Erhebung, Verwendung und Rechnungsführung wird mit der Provinziallandschaft regulirt.

§. 82.
Wenigstens alle drei Jahre soll ein Provinziallandtag in jeder Provinz Statt finden.



Zweiter Abschnitt.
Von der allgemeinen Ståndeversammlung.

§. 83.
Die allgemeine Ständeversammlung ist berufen, die grundgesetzlichen Rechte des Landes zu vertreten und dessen dauerndes Wohl möglichst zu befördern.

§. 84.
Über alle das ganze Königreich oder den Bezirk mehrerer Provinziallandschaften gemeinschaftlich und nicht lediglich specielle Verhältnisse der Provinzen betreffenden, zur ständischen Berathung gehörenden Gegenstände wird nur mit der allgemeinen Ståndeversammlung des Königreichs verhandelt.

§. 85.
Gesetze, welche das ganze Königreich oder den Bezirk mehrerer Provinziallandschaften betreffen, ohne sich lediglich auf specielle Verhältnisse der Provinzen zu beschränken, können nur mit Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung erlassen, aufgehoben, abgeändert oder authentisch interpretirt werden.
Beschließen die Stände Abänderungen des ihnen vorgelegten Gesetzentwurfs, so kann die Landesregierung denselben ganz zurücknehmen.
Das Recht der ständischen Zustimmung bezieht sich auf den ganzen wesentlichen Inhalt des Gesetzes; dagegen bleibt der Landesregierung überlassen, dasselbe in Übereinstimmung mit den beschlossenen Grundsätzen näher zu bearbeiten und zu erlassen.
Im Eingange des Gesetzes ist die erfolgte verfassungsmäßige Zustimmung der Stände zu erwähnen.

§. 86.
Die Mitwirkung der Stände ist nicht erforderlich zu denjenigen Verfügungen, welche der König über das Heer, dessen Formation, Disciplin und den Dienst überhaupt erläßt. Die Militair-Aushebungsgesetze, so wie die Rechte und Pflichten der übrigen Unterthanen in Beziehung auf das Heer  und die auf dessen bürgerliche Verhältnisse bezüglichen Gesetze können jedoch nur mit Zustimmung der Stände abgeändert und festgestellt werden.
Militair-Strafgesetze sind mit den Ständen zu berathen.

§. 87.
Verordnungen, welche zur Vollziehung oder Handhabung bestehender Gesetze erforderlich sind, werden von der Landesregierung ohne Mitwirkung der Stände erlassen.
Außerordentliche ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung bedürfende, aber durch das Staatswohl, die Sicherheit des Landes oder die Erhaltung der ernstlich bedroheten Ordnung dringend gebotene gesetzliche Verfügungen, deren Zweck durch die Verzögerung vereitelt werden würde, gehen von der Landesregierung allein aus.
Solche eilige gesetzliche Verfügungen, welche jedoch eine Abänderung im Staatsgrundgesetze nicht enthalten dürfen, müssen im Gesammt-Ministerio beschlossen werden, und ist, daß dieses geschehen, in denselben auszudrücken.
Auch sind solche den Ständen zur Mitwirkung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorzulegen; und falls während derselben die verfassungsmäßige Zustimmung nicht erfolgt, wieder aufzuheben.

§. 88.
Gesetzentwürfe gelangen von Seiten der Regierung an die Stånde; jedoch haben auch diese das Recht, auf Erlassung neuer oder abändernder Gesetze sowohl überhaupt anzutragen, als zu dem Ende Gesetzentwürfe vorzulegen.

§. 89.
Alle Gesetze und Verordnungen werden vom Könige unter Beobachtung der in gegenwärtiger Verfassungsurkunde vorgeschriebenen Form öffentlich verkundigt, und erhalten dadurch für alle Unterthanen unbedingte Verbindlichkeit. Alle Verwaltungsbehörden und Gerichte haben auf deren Erfüllung zu halten.
Sollten Zweifel darüber entstehen, ob bei einem gehörig verkündigten Gesetze die verfassungsmåßige Mitwirkung der Stände hinreichend beobachtet sey, so steht es nur diesen zu, Anträge deshalb zu machen.

§. 90.
Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, in Beziehung auf alle Landesangelegenheiten, insbesondere auf etwaige Mängel oder Mißbrauche in der Verwaltung oder der Rechtspflege ihre Wünsche, Vorstellungen und Beschwerden dem Könige oder dem Ministerio vorzutragen. Ein weiteres Eingreifen in die Verwaltung steht derselben nicht zu.

§. 91.
Die Rechte der allgemeinen Ständeversammlung in Beziehung auf den Staatshaushalt sind in folgendem Capitel näher bestimmt.

§. 92.
Die allgemeine Ständeversammlung wird von den Verträgen, die der König mit andern Machten schließt, in Kenntniß gesetzt, sobald es die Umstände erlauben. Erfordert die Ausführung der Verträge die Bewilligung von Geldmitteln, oder sollen dieselben eine Einwirkung auf die innere Gesetzgebung des Königreichs hervorbringen; so bedarf es deßhalb der verfassungsmåßigen Mitwirkung der Stände.

§. 93.
Die allgemeine Ståndeversammlung besteht aus zwei
Cammern, die sich in ihren Rechten und Befugnissen gleich sind.

§. 94.
Die erste Cammer soll bestehen aus:
1) den Königlichen Prinzen, Söhnen des Königs, und den Häuptern der Nebenlinien der Königlichen Familie,
2) dem Herzoge von Arenberg, dem Herzoge von Looz-Corswaaren und dem Fürsten von Bentheim, so lange sie im Besize ihrer Mediat-Territorien bleiben,
3) dem Erblandmarschall des Königreichs,
4) den Grafen zu Stolberg-Wernigerode und zu Stolberg-Stolberg wegen der Grafschaft Hohnstein,
5) dem General-Erbpostmeister Grafen von Platen-Hallermund,
6) dem Abte zu Loccum,
7) dem Abte von St. Michaelis zu Lüneburg,
8) dem Präsidenten der Bremischen Ritterschaft als Director des Klosters Neuenwalde,
9) dem oder den katholischen Bischöfen des Königreichs,
10) zwei auf die Dauer des Landtags zu ernennenden angesehenen evangelischen Geistlichen,
11) den von der Landesherrschaft mit einem persönlichen erblichen Stimmrechte versehenen Majoratsherren,
12) den auf die Dauer eines jeden Landtags zu erwählenden Deputirten der Ritterschaften, nåmlich:
von der Calenberg-Grubenhagenschen Ritterschaft acht,
von der Lüneburgschen sieben,
von der Bremen- und Verdenschen sechs,
von der Hoya- und Diepholzschen drei,
von der Osnabruckschen Ritterschaft, incl. Meppen und Lingen, fünf,
von der Hildesheimschen Ritterschaft vier,
von der Ostfriesischen (unter Vorbehalt einer Vermehrung der Zahl, wenn eine verhältnißmåßige Vermehrung der Mitglieder der Ritterschaft sich ergeben sollte) zwei,
13) vier Mitgliedern, welche der König ernennt. Eins dieser Mitglieder wird auf Lebenszeit, die drei andern aber werden auf die Dauer des Landtags ernannt.

§. 95.
Ein persönliches erbliches Stimmrecht wird der König nur solchen Majoratsherren verleihen die ein Majorat errichtet haben, welches aus einem im Königreiche belegenen Rittersize nebst anderm ebenfalls im Lande belegenen Grundvermögen besteht, und nach Abzug der Zinsen der auf demselben etwa haftenden hypothekarischen Schulden und der sonstigen fortwährenden Lasten, wenigstens 6000 Rthlr. reiner jährlicher Einkünfte gewährt. Sobald eine stårkere Beschwerung des Majorats eintritt, ruht einstweilen das erbliche Stimmrecht des Besitzers.

§. 96.
Das Recht der Beilegung einer erblichen Virilstimme steht unter den verfassungsmåßigen Bedingungen dem Könige ohne Rücksicht auf die Zahl der bereits vorhandenen und abgesehen von einer sich ereignenden Erledigung zu jeder Zeit zu.
Die Errichtung des Majorats giebt kein Recht auf die Beilegung einer Virilstimme, sondern ist lediglich die Bedingung, ohne deren Erfüllung die Beilegung eines erblichen
Stimmrechts nicht Statt finden kann.
Übrigens soll behus Erleichterung der Stiftung von Majoraten die Untheilbarkeit und die Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bei Verleihung von eröffneten Lehnen festgegesezt und bei bereits verliehenen Lehnen auf den Antrag der Vasallen genehmigt werden, soweit nicht bereits erworbene Rechte dritter Personen entgegen stehen.

§. 97.
Bei der Auswahl der §. 94 № 13. bezeichneten von dem Könige zu ernennenden Mitglieder tritt zwar keine Beschränkung durch Rang, Geburt und Vermögen ein. Sie müssen jedoch die in den §§. 102 - 105 vorgeschriebenen Qualificationen besitzen.

§. 98.
Die zweite Cammer soll bestehen aus folgenden auf die Dauer des Landtages zu erwählenden Deputirten:
1) drei Deputirten der Stifter St. Bonifacii zu Hameln, Cosmae et Damiani zu Wunstorf, St. Alexandri zu Einbeck, Beatae Mariae Virginis daselbst, des Stifts Bardowiek und des Stifts Ramelsloh, welche von diesen Stiftern unter Zuziehung von höhern Geistlichen und Predigern aus der Zahl der protestantischen Geistlichen oder solcher Månner, welche dem höhern Schulwesen im Königreiche angehören, in der Maße zu erwählen sind, daß sich wenigstens zwei ordinirte protestantische Geistliche unter denselben befinden,
2) drei Mitglieder, welche der König wegen des allgemeinen Klosterfonds ernennt,
3) einem Deputirten der Universität Göttingen,
4) zwei von den evangelischen Königlichen Consistorien zu erwählenden Deputirten,
5) einem Deputirten des Domcapitels zu Hildesheim,
6) aus sieben und dreißig Deputirten nachfolgender Städte und Flecken, nåmlich:
zwei Deputirten der Residenzstadt Hannover,
einem Deputirten der Stadt Göttingen,
einem Deputirten der Stadt Northeim,
einem Deputirten der Stadt Hameln,
einem Deputirten der Stadt Einbeck,
einem Deputirten der Stadt Osterode,
einem Deputirten der Stadt Duderstadt,
einem Deputirten der Stådte Moringen, Uslar, Hardegsen, Dransfeld und Hedemünden,
einem Deputirten der Stadt Münden,
einem Deputirten der Stådte Münder, Pattensen, Neustadt am Rübenberge, Springe, Wunstorf, Eldagsen, Bodenwerder und Rehburg,
einem Deputirten der Städte Clausthal und Zellerfeld,
einem Deputirten der übrigen fünf Bergstädte, einschließlich Herzberg, Elbingerode und Lauterberg,
einem Deputirten der Stadt Luneburg,
einem Deputirten der Stadt Ülzen,
einem Deputirten der Stadt Celle,
einem Deputirten der Stadt Harburg,
einem Deputirten der Städte Luchow, Dannenberg und Hitzacker,
einem Deputirten der Städte Soltau, Walsrode, Burgdorf und Gifhorn,
einem Deputirten der Stadt Stade,
einem Deputirten der Stadt Buxtehude,
einem Deputirten der Stadt Verden,
einem Deputirten der Stadt Nienburg,
einem Deputirten der Hoyaischen Flecken,
einem Deputirten der Diepholzschen Flecken,
einem Deputirten der Stadt Osnabrück,
einem Deputirten der Städte Quakenbrück und Fürstenau und des Fleckens Melle,
einem Deputirten der Stådte Meppen, Lingen und Haselunne,
einem Deputirten der Stadt Goslar,
einem Deputirten der Stadt Hildesheim,
einem Deputirten der Städte Alfeld, Peine und Bockenem,
einem Deputirten der Städte Elze, Gronau, Sarstedt und Dassel,
einem Deputirten der Stadt Emden,
einem Deputirten der Städte Aurich und Esens,
einem Deputirten der Stadt Norden,
einem Deputirten der Stadt Leer,
einem Deputirten der Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus und des Fleckens Bentheim;
7) aus acht und dreißig Deputirten der sämmtlichen Grundbesitzer aus den unter № 6 nicht aufgeführten Städten und Flecken, aus den Freien und aus dem Bauernstande, nåmlich:
von den Fürstenthumern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen fünf,
von der Grafschaft Hohnstein einem,
von dem Fürstenthume Lüneburg fünf,
von den Bremischen Marschen fünf,
von der Bremischen Geest und dem Herzogthume Verden drei,
vom Lande Hadeln mit Einschluß der Stadt Otterndorf zwei,
von den Grafschaften Hoya und Diepholz drei,
von dem Fürstenthume Osnabruck drei,
von dem Herzogthume Arenberg-Meppen und der Niedergrafschaft Lingen zwei,
von dem Fürstenthume Hildesheim drei,
von dem Fürstenthume Ostfriesland fünf,
von der Grafschaft Bentheim einem.

§. 99.
Sowohl die von den Ritterschaften, als die von den übrigen Grundbesitzern zu wählenden Deputirten müssen selbst Grundbesitzer in der Provinz seyn, aus welcher sie gewählt werden.
Dagegen sind die übrigen Corporationen in der Wahl ihrer Deputirten nicht auf Mitglieder aus ihrer Mitte beschränkt.

§. 100
Die Deputirten der Ritterschaften müssen aus im Königreiche belegenem Grundvermögen ein reines Einkommen besitzen, welches nach Abzug der Zinsen der auf demselben etwa haftenden hypothekarischen Schulden und der sonstigen fortwährenden Lasten jährlich sechshundert Thaler beträgt. Bei den Deputirten der übrigen Grundbesitzer ist ein solches reines Einkommen von 300 Rthlr. erforderlich, welches entweder ererbt, oder aber mindestens Ein Jahr vor der Wahl erworben seyn muß.
Die übrigen Deputirten müssen entweder ein solches reines Einkommen von dreihundert Thalern, sey es von låndlichem und städtischem Grundbesitze oder im Lande radicirten Capitalien haben, oder eine jährliche Diensteinnahme von 800 Rthlr. oder als Gemeindebeamte von 400 Rthlr. genießen, oder aus ihrer Wissenschaft, ihrer Kunst oder ihrem Gewerbe ein jåhrliches Einkommen von 1000 Rthlr. beziehen, und solches schon drei Jahre vor ihrem Eintritte in die allgemeine Ständeversammlung genossen haben.

§. 101.
Die Wahl der städtischen Deputirten geschieht nach absoluter Stimmenmehrheit gemeinschaftlich durch die Magistratsmitglieder, Bürgervorsteher und Wahlmänner, die hiezu nach Maßgabe der Verfassung jeder Stadt aus den zu Bürgervorstehern qualificirten Bürgern besonders erwählt werden.
Mehrere Stådte, welche zusammen einen Deputirten absenden, wählen gleichfalls nach absoluter Stimmenmehrheit entweder nach einem turnus, wenn nicht mehr als drei concurriren, oder gemeinschaftlich nach einem Regulative.
Die Wahl der Deputirten der nicht zu den Ritterschaften gehörenden Grundbesiker, geschieht durch absolute Stimmenmehrheit von Wahlmännern, welche durch die Bevollmächtigten der Gemeinden gewählt werden.
Die nähern Bestimmungen über diese Wahlen und die
Wahlen der übrigen Corporationen sollen mit Rücksicht auf die verschiedenen provinziellen Verhältnisse, unter Mitwirkung der Stånde, durch ein Gesetz festgestellt werden.

§. 102.
Die Mitglieder beider Cammern müssen einer der im Königreiche anerkannten christlichen Kirchen zugethan seyn, und das 25ste Lebensjahr zurückgelegt haben.

§. 103.
Wer wegen eines Criminalverbrechens entweder bestraft ist oder vor Gericht gestanden hat, ohne daß er von der Beschuldigung vollig losgesprochen worden, kann nicht Mitglied der Ständeversammlung seyn. Ausnahmsweise kann der Landesherr bei nicht entehrenden Verbrechen die dergestallt verlorne Fähigkeit, Mitglied letzterer zu seyn, wiederherstellen.

§. 104.
Personen, über deren Vermögen unter ihrer Verwaltung ein Concurs ausgebrochen ist, können vor Befriedigung ihrer Gläubiger weder zu Mitgliedern der Ståndeversammlung gewählt werden, noch wenn sie zur Zeit des Ausbruchs des Concurses Mitglieder sind, in derselben verbleiben. Diejenigen Grundeigenthumer aber, welche den Concurs von ihren Vorfahren überkommen haben, können in so fern als Mitgliederder allgemeinen Ständeversammlung zugelassen werden, als sie übrigens dazu qualificirt sind, und namentlich das vorbestimmte Einkommen besitzen, wozu auch die von ihnen zu beziehende Competenz gerechnet werden soll.

§. 105.
Mitglieder der allgemeinen Ständeversammlung können nur solche Personen seyn, welche ihren Wohnsiz im Königreiche haben und sich nicht im activen Dienste eines fremden Landesherrn befinden.
Ausgenommen hiervon sind
1) Die Prinzen des Königlichen Hauses und die Standesherrn,
2) diejenigen, welche in den Herzoglich Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen ihren Wohnsiz haben und daselbst in Staatsdiensten stehen, so lange hierunter das Reciprocum beobachtet wird.

§. 106.
Die Wahlcorporationen haben sich von dem Vorhandenseyn der in den §. 99. 100 und 102 bis incl. 105 vorgeschriebenen Qualificationen bei den zu erwählenden Deputirten gebührend zu überzeugen.

§. 107.
Såmmtliche Mitglieder der Ståndeversammlung haben sich als Repräsentanten des ganzen Königreichs anzusehen, und dürfen sich nicht durch eine bestimmte Instruction des Standes oder der Gemeinde, von denen sie gewählt sind, binden lassen.

§. 108.
Jedes Mitglied hat das Recht, für seine Person eine vollgültige Stimme abzugeben, kann solche aber nicht auf ein anderes Mitglied übertragen.
Die §. 94. unter № 2 und 4 aufgeführten Mitglieder der ersten Cammer können sich durch dazu von ihnen bevollmächtigte Agnaten ihres Hauses, der Erblandmarschall des Königreichs, der General-Erbpostmeister Graf von Platen-Hallermund und die Majoratsherrn durch ihre volljährigen ältesten Sohne die nach §. 94. № 10 vom Landesherrn zu ernennenden angesehenen Geistlichen durch gleichzeitig zu bezeichnende Substituten und die katholischen Bischofe des Königreichs im Falle der Behinderung durch ein Mitglied ihres Domcapitels vertreten lassen. Jedoch kann der Erblandmarschall die ihm in dieser Eigenschaft zustehenden Functionen auf keinen Andern übertragen.
Im Falle der Minderjährigkeit werden die hier benannten erblichen Mitglieder der ersten Cammer durch ihre Vormünder vertreten, sofern die Letztern dem Mannsstamme der Familie angehören.

§. 109.
Jede Äußerung eines Mitgliedes in der Versammlung über ständische Angelegenheiten soll immer die günstigste Auslegung erhalten.

§. 110.
Kein Mitglied soll wegen einer in der Versammlung geschehenen Äußerung gerichtlich in Anspruch genommen werden, vielmehr die Cammer der alleinige Richter über die Äußerungen der Mitglieder seyn. Ausgenommen ist jedoch der Fall, wenn ein Mitglied sich Äußerungen erlauben sollte, welche hochverrätherischen Inhalts sind.
Außerdem versteht es sich von selbst, daß, wenn beleidigende Äußerungen oder schwere Beschuldigungen gegen irgend ein Individuum vorgebracht werden sollten, dem Beleidigten der Weg Rechtens nicht versperrt werden kann.

§. 111
Kein Mitglied soll während der Dauer der Landtagsversammlung mit persönlichen Arrest belegt werden, es sey denn, daß die Gerichte in dem Falle eines schweren Criminalverbrechens eine schleunige Verhaftung nothwendig finden sollten, welcher Fall jedoch den Cammern ohne Aufschub anzuzeigen ist.

§. 112.
Die Ständeversammlung steht mit Ausnahme des im §. 152 des achten Capitels erwähnten Falles mit keiner andern Landesbehörde, als dem Ministerio in unmittelbarer Geschäftsverbindung, und kann Erwiederungen und Anträge nur an den König, an dessen Stellvertreter oder an das Ministerium gelangen lassen und auch nur an diese Deputationen absenden. Jedoch hat die Ståndeversammlung das Recht, auf an sie gerichtete Vorstellungen Beschlüsse zu fassen und den Bittstellern von solchen Beschlussen durch Protocollauszug Kenntniß zu geben.

§. 113.
Alle Anträge, welche vom Könige oder dem Ministerio an die Stände ergehen, sollen jederzeit an die gesammte allgemeine Ständeversammlung gerichtet werden, so wie auch umgekehrt Erwiederungen und Anträge nur von beiden Cammern gemeinschaftlich ausgehen können.

§. 114.
Die Landesregierung hat das Recht, Commissarien abzuordnen, welche den Sizungen der Ständeversammlung, jedoch als solche ohne Stimmrecht beiwohnen und an den Berathschlagungen Theil nehmen können.

§. 115.
Die Cammern haben das Recht, unter dem im Reglement enthaltenen Bestimmungen und Ausnahmen zu ihren Sitzungen und Verhandlungen Zuhörer zuzulassen.

§. 116.
Die Dauer eines Landtags ist auf sechs Jahre festgesetzt. Jedoch hängt es von dem Könige ab, die Versammlung auch früher zu jeder Zeit aufzulösen und eine neue anzusetzen, auch zum Behufe derselben neue Wahlen von Deputirten auszuschreiben.

§. 117.
Die mit dem Schlusse des Landtages abtretenden Deputirten können wieder gewählt werden.

§. 118.
Jedes Jahr soll eine Versammlung der allgemeinen Stände gehalten werden.

§. 119.
Der König oder in dessen Auftrage das Ministerium können die Ständeversammlung zu jeder Zeit vertagen. Jede Cammer derselben kann sich vertagen, jedoch auf mehr als drei Tage nur unter Genehmigung des Ministerii.

§. 120.
Der Anfang und der Schluß der Sizungen jedes Jahrs wird von dem Könige, oder in dessen Auftrage, dem Ministerio verfügt.

§. 121.
Die übrigen Verhältnisse der allgemeinen Ständeversammlung und der Mitglieder derselben, des Erblandmarschalls, der Präsidenten, Generalsyndiken und der Generalsecretarien, die Vorschriften über das Verfahren in den Sitzungen der Versammlung und bei Verhandlung der zur Deliberation kommenden Gegenstände sind in einem besondern Reglement festgesetzt.





Siebentes Capitel.
Von den Finanzen.


§. 122.
Sämmtliche zu dem Königlichen Domanio gehörenden Gegenstände, namentlich Schlösser, Gärten, Güter, Gefälle, Forsten, Bergwerke, Salinen und Activcapitalien machen das seinem Gesammtbestande nach stets zu erhaltende Krongut aus. Dem Könige und dessen Nachfolgern an der Regierung verbleiben unter den nachfolgenden Bestimmungen alle diejenigen Rechte, welche dem Landesherrn daran bis dahin zugestanden haben.

§. 123
Das Krongut kann ohne Zustimmung der Stände rechtsgültig nicht verpfändet werden, mit Ausnahme des im §. 147 bezeichneten Falles einer außerordentlichen Anleihe.
Veräußerungen der Substanz können nur in Folge gesetzlicher Bestimmungen oder wegen ihrer Nüzlichkeit eintreten.
Das Äquivalent soll mit dem Krongute wiederum vereinigt und dessen Anlegung oder Verwendung, welche jedoch für die Dauer im Königreiche geschehen muß, auf eine sichere und einträgliche Art sofort beschafft werden.
Über Veränderungen dieser Art soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich eine Nachweisung mitgetheilt werden.
Freiwillige Veräußerungen ganzer Domanialgüter oder bedeutender Forsten dürfen nicht ohne vorgängige Einwilligung der allgemeinen Ständeversammlung geschehen, und es sind sofort gleich einträgliche Gegenstände, vorzugsweise Landgüter oder Forsten an deren Stelle zu sehen.

§. 124.
Die Auskünfte des gesammten Kronguts sollen ohne Ausnahme zum Besten des Landes verwandt werden, und zwar zunächst zur Bezahlung der Zinsen der auf dem Domanio haftenden Schulden und zum allmähligen Abtrage der Passivcapitalien;
ferner zum Unterhalte und der Hofhaltung des Königs, der Königinn, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs;
sodann zu dem standesmäßigen Auskommen der verwitweten Königinn und der verwitweten Kronprinzessinn, zu den Apanagen und Ausstattungskosten für die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, so wie auch zu dem standesmåßigen Auskommen der Witwen der Prinzen des Königlichen Hauses; (vergl. §§. 134 und 135.)
endlich aber der Überrest, so wie die bisher mit der Domanialverwaltung vereinigt gewesenen Revenüen der Regalien zur Bestreitung anderweiter Staatsausgaben.

§. 125.
Zur Deckung der für den Unterhalt und die Hofhaltung des Königs, der Königinn, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs erforderlichen Ausgaben dienen
1) die Zinsen eines in den Jahren 1784 bis 1790 in den Englischen dreiprocentigen Stocks belegten, aus Revenüen der Königlichen Cammer erwachsenen Capitals von £ Sterl. 600,000, welches Capital unveräußerlich und unzertrennlich mit der Krone vereinigt und vererblich seyn soll;
2) die Domanialguter, so wie die zu dem Domanio gehörenden Zehnten und Forsten bis zu dem Belaufe eines Netto-Ertrages von 500,000 Rthlr. Conventionsmünze.
Diese Summe kann bei sich vergrößerndem Bedarf mit Zustimmung der allgemeinen Stånde des Königreichs erhöht werden.

§. 126.
Zu jenem Zwecke wird von dem im §. 122 bezeichneten Krongute ein vom Könige auszuwählender Compler zunächst bestehend aus Grundstücken, Zehnten oder Forsten, deren im Einverständnisse mit den Ständen auszumittelnder Ertrag nach Abzug aller darauf haftenden Ausgaben und Lasten 500,000 Rthlr. beträgt, ausgeschieden und der selbsteigenen Administration vorbehalten.
Dem Könige bleibt bei der Ausscheidung der Krondotation das Recht vorbehalten, einen Theil derselben in Renten oder Baarzahlungen der Cassen zu bestimmen.

§. 127
Sollte der solchergestalt festgestellte Gutercomplex durch Veräußerungen oder Capitalablösungen demnächst vermindert werden, so muß das aus der Veräußerung oder Ablösung hervorgegangene Capital jederzeit behuf Wiederanlegung desselben nach Vorschrift des §. 123 der Generalcasse überwiesen werden, und der König behält das Recht, die Dotation nach Seiner Wahl durch andere Gegenstände des Kronguts unter Beobachtung der Bestimmungen des §. 126 ergänzen zu lassen, oder aber die Rente des Capitals als Ergänzung der Krondotation zu nehmen.

§. 128.
Außerdem bleiben dem Könige und seinen Nachfolgern in der Regierung die Königlichen Schlösser und Gärten, die zur
Hofhaltung bestimmten Königlichen Gebäude, Ameublements, das Silbergeräth nebst dem Silbercapitale und sonstigen Kostbarkeiten, alle zur Hofhaltung gehörenden Inventarien, die Bibliothek und die Königlichen Jagden im ganzen Umfange des Königreichs vorbehalten, wogegen Derselbe die damit verbundenen Ausgaben übernimmt.

§. 129.
Die zur Dotation der Krone ausgeschiedenen Theile des Kronguts dürfen niemals verpfändet und nur unter Contrasignatur eines verantwortlichen Ministers und unter Beobachtung der im §. 123 enthaltenen Bestimmungen veräußert werden.

§. 130.
Die aus der Dotation der Krone zu bestreitenden Ausgaben sind die Kosten der Hofetats, des Marstalls, die Besoldungen und Pensionen der Hofdienerschaft, die Kosten des Hoftheaters, die gewöhnliche Unterhaltung der Königlichen Schlösser und Gärten und die Kosten des Königlichen Guelphenordens.
Dagegen sind unter den Ausgaben der Krondotation nicht begriffen die Kosten der Erbauung oder Acquisition und der ersten Einrichtung Königlicher Schlösser oder ganzer Abtheilungen derselben, vielmehr erfordern dergleichen Kosten, im Fall des Bedürfnisses, auf den Antrag des Königs die Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung.

§. 131.
Sollte ein künftiger König als Inhaber einer andern Krone außer Landes residiren, so wird neben der nach dem vorstehenden Paragraphen auf der Einnahme der Krondotation liegenden Ausgabe von den Revenuen derselben jährlich eine Summe von 150,000 Rthlr. behuf der Verwendung zu anderweiten Staatsausgaben der Generalcasse überwiesen.

§. 132.
Tritt eine Regentschaft ein, so müssen die mit derselben verbundenen Kosten aus der Krondotation bestritten werden. Dasselbe findet wegen der Kosten einer etwaigen Stellvertretung des Königs Statt.

§. 133.
Alle aus dem Krongute und aus den Regalien aufkommenden Einnahmen, mit alleiniger Ausnahme der, der unmittelbaren Administration des Königlichen Hauses vorbehaltenen Güter sollen mit den Landesabgaben, Chausseegeldern und Sporteln in eine einzige Generalcasse fließen, aus welcher Casse alle Ausgaben bestritten werden, sofern dieselben nicht auf der Krondotation ruhen.

§. 134.
Für die Erhaltung der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses aus ebenbürtiger, hausgesetzlicher Ehe werden, wenn es demnächst das Bedurfniß erfordert, namentlich bei eigener Etablirung und Vermählung, besondere Apanagen, Einrichtungs- und Ausstattungskosten ausgesetzt, deren Betrag auf den Antrag des Königs von der allgemeinen Ständeversammlung für einzelne Fälle bewilligt oder durch ein allgemeines Regulativ festgestellt wird.
Über die Art der Vererbung der Apanagen auf die Nachkommen der Berechtigten wird das zu erlassende Hausgesetz die näheren, unter Beirath der Stände zu treffenden Bestimmungen enthalten.

§. 135.
Für das standesmäßige Auskommen der verwitweten Königinn und der verwitweten Kronprinzessinn muß auf den Antrag des Königs und mit Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung Sorge getragen werden.
Dasselbe soll geschehen bei den Witwen der Prinzen des Königlichen Hauses, wenn die bewilligten Apanagen zu deren standesmäßigem Unterhalte nicht hinreichen.

§. 136.
Das Privatvermögen des Königs, der Königinn, der Prinzen und Prinzessinnen, wohin namentlich auch dasjenige gehört, was aus den ihnen zustehenden Revenuen acquirirt worden, verbleibt nach Maßgabe der Hausgesetze, oder soweit diese darüber nicht entscheiden, der Landesgesetze, der völlig freien Disposition der Berechtigten.

§. 137.
Über die Verwendung der zur Dotation der Krone, zu Apanagen oder Witthümern der Mitglieder der Königlichen Familie ausgesetzten Einnahmen steht den Ständen keine Controle irgend einer Art zu. Auch können dieselben rücksichtlich der Verwaltung der zur Krondotation ausgeschiedenen Gegenstände, so wie der Resultate dieser Verwaltung keine Controle noch Einwirkung in Anspruch nehmen.

§. 138.
Das Vermögen der jezigen Schatullcasse bleibt getrennt von den Staatscassen und zur ausschließlichen Disposition des Königs.

§ 139
Über die Ausgaben, welche die Verwaltung des Landes und dessen sonstige aus der Generalcasse zu bestreitenden Bedürfnisse erforderlich machen, soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich ein nach den Haupt-Ausgabezweigen aufgestelltes Budget vorgelegt, und mit den nöthigen auf Antrag der Stände zu vervollständigenden Etats und Erläuterungen begleitet werden.

§. 140
Die allgemeine Ständeversammlung hat die Verpflichtung, für die Deckung der für den öffentlichen Dienst nothwendigen Ausgaben in so weit zu sorgen, als sie aus den Einkünften des Kronguts und der Regalien nicht bestritten werden können. Dagegen steht ihr das Recht zu, das Budget zu prüfen und zu bewilligen.
Der Bedarf für den Militairetat, bei welchem die Bestimmungen des §. 142 eintreten, und die Grundsätze, welche bei Bewilligung der in den übrigen Haupt-Ausgabezweigen begriffenen Gehalte und Pensionen zu befolgen sind, sollen durch Regulative gemeinschaftlich mit den Ständen festgestellt werden. Diese Regulative dienen bis dahin, daß ein Anderes zwischen König und Ständen ausgemacht ist, der ständischen Bewilligung zur Norm, müssen jedoch auf Antrag der allgemeinen Ständeversammlung jederzeit einer Revision unterzogen werden.
Ausgaben, welche auf bestimmten bundes- oder landesgesetzlichen oder auf privatrechtlichen Verpflichtungen beruhen, darf die allgemeine Ständeversammlung nicht verweigern. Zu solchen Ausgaben werden namentlich auch gerechnet diejenigen Gehalte, Pensionen und Wartegelder, welche der König bereits bewilligt hat, oder einstweilen nach den bisherigen Grundsätzen, demnächst aber nach den mit den Ständen zu vereinbarenden Regulativen bewilligen wird.

§. 141.
Die Anschläge für die einzelnen Hauptdienstzweige werden dergestallt als ein Ganzes betrachtet, daß die Verwendung und Vertheilung der für jeden Hauptdienstzweig im Ganzen bewilligten Summen der Bestimmung des betreffenden Ministerial-Departements überlassen wird, insofern die Verwendung nur für diesen Hauptdienstzweig und ohne Überschreitung des ganzen Credits in Gemäßheit der mit den Ständen vereinbarten Regulative (vergl. §. 140) Statt findet.

§. 142.
Die Ersparungen, welche bei dem Ausgabe-Etat des Kriegsministerii gemacht werden, sollen so lange baar in den Schatz niedergelegt werden, bis die gesammelten Summen die Hälfte des ganzen Militair-Etats erreichen. Übersteigt die Ersparung diesen, Betrag so soll über den weitern Überschuß mit Einwilligung der Ständeversammlung anderweit disponirt werden.
Die Vorräthe dieses Kriegsschatzes sind für die Ausgaben des Kriegsministerii zu verwenden, sobald letztere die ordentlichen Mittel übersteigen.

§. 143.
Für außerordentliche während der Vertagung der allgemeinen Ståndeversammlung eintretende Landesbedürfnisse, welche bei Feststellung des Budgets nicht berucksichtigt werden konnten, und welche gleichwohl (namentlich im Falle eintretender Landescalamitäten, Kriegsrüstungen oder innerer Unruhen) schleunige Maßregeln und Kostenverwendungen erfordern, soll ein in dem jährlichen Budget nicht besonders auszuführender Reservecredit bestehen, welcher fünf Procent des ganzen Ausgabebudgets ausmacht. Die Disposition über diesen Reservecredit steht dem Gesammtministerio auf dessen Verantwortung zu, die Verwendung aber soll der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft nachgewiesen werden.

§. 144.
Gleichzeitig mit dem Anschlage der Ausgaben soll der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen vorgelegt werden, welche alle oben (§. 133) bezeichneten Einnahmen umfaßt.

§. 145.
Die zur Bestreitung der Landesausgaben außer der Einnahme von dem Krongut und den Regalien erforderlichen Steuern und Abgaben bedürfen der jährlichen Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung.
In dem jährlich erforderlichen Ausschreiben soll der ständischen Bewilligung besonders erwähnt werden.
Die Bewilligung der Steuern darf an keine Bedingung geknüpft werden, die nicht deren Wesen oder Verwendung unmittelbar trifft.

§. 146.
Sollten die von der Landesregierung in Antrag gebrachten, zu den Bedürfnissen des Landes erforderlichen Steuern und Abgaben bei Auflösung einer Ständeversammlung nicht bewilligt seyn, so können die bestehenden Steuern und Abgaben so weit sie nicht zu einem vorübergehenden bereits erreichten Zwecke ausgeschrieben worden, noch 6 Monate vom Ablauf der letzten Bewilligungszeit an unverändert fort erhoben und zu dem Ende in Beziehung auf diesen Paragraphen ausgeschrieben werden.

§. 147.
Anleihen behuf der aus der Generalcasse zu bestreitenden Ausgaben können nur nach erfolgter Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung gemacht werden.
Sollte jedoch wegen außerordentlicher Umstände die ordentliche Einnahme der Casse so bedeutende Ausfälle erleiden, daß die bewilligten Ausgaben nicht bestritten werden könnten, oder sollten schleunige Kriegsrüstungen nothwendig werden, der §. 142 festgesekte Kriegsschatz aber in der erforderlichen Größe nicht vorhanden seyn, oder sollte der oben §. 143 bestimmte Reservecredit benutzt werden müssen und dazu die Vorräthe und Einnahmen der Cassen nicht hinreichen: so hat der König wenn die Stände nicht versammelt sind, das Recht, auf den Bericht des ganzen Ministerii und nach Anhörung des Geheimenrathscollegii zu bestimmen, daß eine Anleihe auf den Credit der Generalcasse zur Deckung der bewilligten oder aus dem Kriegsschatze zu bestreitenden, oder auf den Reservecredit anzuweisen­den Ausgaben, höchstens bis zu dem Belaufe von einer Million Thaler gemacht werden darf.
Insofern Anleihen für Kriegsrüstungen nöthig werden, ist der jedesmalige Bestand des Kriegsschatzes davon in Absatz zu bringen.
Die Verhandlungen über solche außerordentliche Anleihen sollen jedoch der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer
nächsten Zusammenkunft vorgelegt und derselben nachgewiesen werden, daß die gemachte Anleihe nothwendig gewesen und zum Besten des Landes verwandt ist, und soll der Betrag in die Landesschulden-Etats aufgenommen werden.

§. 148
Die Verwendung der zur Tilgung der Landesschulden ausgesetzten Summen soll unter Mitwirkung von Commissarien
der allgemeinen Ständeversammlung geschehen.
Auch sollen diese Commissarien bei Ausstellung von Obligationen über Landesschulden zu dem Zwecke zugezogen werden, um zu constatiren, daß bei Eingehung der Anleihe, deren vollständige Bedingungen ihnen mitzutheilen sind, die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten nicht überschritten worden.

§. 149.
Die Rechnungen der Generalcasse und aller dazu gehörenden Nebencassen sollen der allgemeinen Ständeversammlung
zur Einsicht vorgelegt werden. Diese hat alsdann aus ihrer Mitte eine Commission zu erwählen, welche diese Rechnungen zu prüfen und der allemeinen Ständeversammlung darüber Bericht zu erstatten hat, ob die Einnahmen gehörig erhoben und zu keinen andern Zwecken, als den Ausgaben, zu denen sie bestimmt worden, verwandt sind. Zu diesem Zwecke sollen der Commission die etwa erforderlichen Erläuterungen und die Belege auf Begehren mitgetheilt werden.
Auch hat die allgemeine Ständeversammlung das Recht, zur Prüfung der Rechnungen Commissarien auf Lebenszeit zu
ernennen, die sodann als solche in der Cammer, welche sie erwählt hat, Sitz und Stimme haben.
Ausgaben zu geheimen Verhandlungen, rücksichtlich deren eine Nachforschung von Seiten der Stände nicht Statt finden darf, können nicht anders in Rechnung gebracht werden, als wenn diese Ausgaben durch eine von dem Könige und sämmtlichen Mitgliedern des Ministerii zu unterzeichnende Verfügung als zu Landeszwecken nothwendig bezeichnet werden.





Achtes Capitel.
Von den oberen Landesbehörden und der Staatsdienerschaft. 


§. 150.
Die oberste Leitung der Regierung unter dem Könige und dessen etwaigem Stellvertreter wird vom dem Ministerio wahrgenommen, dessen Mitglieder der König nach eigener Wahl ernennt, und nach Gefallen entlassen kann.
Für die einzelnen Verwaltungszweige bestehen Ministerial-Departements.

§. 151.
Alle vom Könige, oder dessen Stellvertreter ausgehenden Verfügungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Contrasignatur
des Ministers oder Vorstandes des betreffenden Ministerial-Departements.
Jeder Minister oder Vorstand eines Ministerial -Departements ist aber dem Könige und dem Lande dafür verantwortlich, daß keine von ihm contrasignirte, ausgegangene oder unterschriebene Verfügung eine Verletzung des Staats-Grundgesetzes enthalte.
Die allgemeine Ständeversammlung ist befugt, diese Verantwortlichkeit durch Beschwerde, außerdem aber wegen absichtlicher Verletzung des Staats-Grundgesetzes mittelst einer förmlichen Anklage gegen den Minister oder Vorstand eines Ministerial-Departements geltend zu machen.

§. 152
Zur Untersuchung und Entscheidung über eine solche förmliche Anklage ist ausschließlich das Ober-Appellationsgericht in Plenarversammlung competent.
Die Ståndeversammlung muß dem Könige vier Wochen vor Anstellung der Anklage von derselben Anzeige machen. Die Anklage selbst wird von Seiten der Stände unmittelbar an das Gericht gebracht. Der König verspricht, eine von der Ständeversammlung beschlossene Anklage nie zu hindern.
Die Entscheidung des Gerichts kann nur dahin gehen, daß der Angeschuldigte der absichtlichen Verletzung des Staats-Grundgesetzes, deren er angeklagt worden, schuldig sey oder nicht. Im erstern Falle ist er durch den Ausspruch des Gerichts von selbst seiner Stelle verlustig, und kann auch in einem anderen Amte nicht wieder angestellt werden.
Gegen die Entscheidung des Gerichts in solchen Fällen finden überall keine Rechtsmittel Statt; auch sind die Abolition
und die Begnadigung gänzlich ausgeschlossen.
Die Urtheile über solche Anklagen werden mit ihren Entscheidungsgründen durch den Druck öffentlich bekannt gemacht.
Hinsichtlich der gemeinrechtlichen Folgen behält es bei der ordentlichen Rechts- und Gerichtsverfassung sein Bewenden.

§. 153.
Alle in Abwesenheit des Königs, so wie des Stellvertreters Desselben im Namen und Auftrage des Königs von den anwesenden Mitgliedern des Ministerii unterzeichneten Ausfertigungen haben die Kraft der vom Könige selbst vollzogenenen Verfügungen.

§. 154.
Zur Berathung wichtiger Landesangelegenheiten, insbesondere der zu erlassenden Gesetze und Verordnungen, wie auch der Entlassung von Civil-Staatsdienern, nach Maßgabe der Bestimmungen des §. 163 soll ein Geheimerathscollegium bestehen, welches aus den Mitgliedern des Ministerii und andern dazu berufenen Personen zusammen gesetzt ist.
Dasselbe hat in der Regel eine bloß berathende Stimme. Eine Entscheidung steht demselben nur dann zu, wenn eine Competenzstreitigkeit zwischen den Verwaltungsbehörden und Gerichten (§. 156) vorliegt.
Die Eröffnung der Entscheidung erfolgt durch das Ministerium.

§. 155.
Die rein militäirischen Angelegenheiten, insbesondere die innere Organisation der Armee und die Anstellung und Entlassung der Officiere gehen vom Könige aus, ohne daß es dabei der Dazwischenkunft des Ministerii bedarf.
Bei Reduction der Armee und bei Translocationen der Officiere finden die Bestimmungen des §. 162 Anwendung.
Zur Aufrechterhaltung der innern Ruhe und Sicherheit, so wie zur Vollziehung und Aufrechterhaltung der von den Civilbehörden ergangenen Verfügungen kann die Militairgewalt nur auf ausdruckliche Requisition der competenten Civilbehörde einschreiten. Die von diesem Grundsake eintretenden geseklichen
Ausnahmen sollen in dem, nach Capitel III. §. 34 über das Verfahren bei Störung der öffentlichen Ruhe zu erlassenden Gesetze näher bestimmt werden, bis zu dessen Erscheinen es bei den bisherigen Bestimmungen sein Bewenden behält..

§. 156.
Die Gerichte sind in den Grenzen ihrer Competenz unabhängig.
Entstehen Zweifel daruber, ob eine Sache zur gerichtlichen Entscheidung geeignet sey, oder zur Competenz der Verwaltungsbehörden gehöre, und können sich diese mit den Gerichten nicht darüber vereinigen; so sollen diese Zweifel, nachdem die Gründe der Gerichte und der Verwaltungsbehörden gehörig dargelegt worden, durch eine zu diesem Zwecke besonders zu bildende Section des Geheimenrathscollegii discutirt und entschieden werden. Diese Section soll aus einer unveränderlichen Anzahl dauernd, und zwar zur Hälfte aus den höhern Justizcollegien zu ernennender Mitglieder bestehen.

§. 157.
Die Ernennung und Entlassung der Staatsbeamten gehört, unter Vorbehalt der verfassungsmäßigen Bestimmungen, zu den Rechten des Königs, und wird entweder von Demselben unmittelbar oder durch die landesherrlichen Behörden ausgeübt.
Die Rechte einzelner Berechtigten oder Corporationen auf Ernennung oder Präsentation von Beamten werden hierdurch nicht geändert.

§. 158.
Bei Besetzung aller Staatsämter soll, in sofern nicht bei einzelnen Dienststellen eine ausdrückliche gesetzlich bestimmte Ausnahme besteht, der Unterschied der Geburt überall kein Recht auf Vorzüge irgend einer Art begründen.

§. 159.
Der König wird bei den von Ihm unmittelbar ausgehenden Ernennungen von Civil-Staatsdienern zuvor das Gutachten des Ministerii oder des Departements-Chefs vernehmen.  Bei Ernennung von Ministern oder Vorstånden von Ministerial-Departements ist dies jedoch nicht erforderlich.

§. 160.
Anwartschaften auf bestimmte Dienststellen sollen nicht ertheilt werden, es sey denn, daß den Gehülfen altersschwacher oder sonst an der gehörigen Wahrnehmung ihres Dienstes verhinderter Staatsdiener die künftige selbstständige Anstellung nach Maßgabe der von ihnen bewiesenen Thätigkeit zugesichert würde.

§. 161.
Alle Civil-Staatsdiener, mögen sie vom Könige oder dessen Behörden ernannt, oder von Einzelnen Berechtigten und Corporationen erwählt, präsentirt oder ernannt seyn, sind durch ihren, auf die getreuliche Beobachtung des Staats-Grundgesezes auszudehnenden Diensteid verpflichtet, bei allen von ihnen ausgehenden Verfügungen dahin zu sehen, daß sie keine Verletzung der Verfassung enthalten. In gehöriger Form erlassene Befehle vorgesetzter Behörden befreien sie von der Verantwortung und übertragen dieselbe an den Befehlenden.

§. 162.
Bei nothwendigen Translocationen hat der Staatsdiener ein Recht auf seinen bisherigen Rang und Gehalt.
Macht eine Veränderung der Organisation Dienstentlassungen nothwendig, so hat der außer Thätigkeit gesetzte Staatsdiener Anspruch auf ein seinen bisherigen Verhältnissen angemessenes Wartegeld oder eine billige Entschädigung.

§. 163
Kein Civil-Staatsdiener (vergl. §. 161) kann seiner Stelle willkührlich entsetzt werden.
Wer seinen Dienst vernachlässigt, und sich Erinnerungen und Disciplinarstrafen seiner vorgesetzten Behörde nicht zur Besserung dienen läßt, wer sich Dienstverletzungen oder Dienstwidrigkeiten zu Schulden kommen låßt, wer grobes öffentliches Ärgerniß giebt, oder von der Gerichtsbehörde wegen eines gemeinen Verbrechens mit einer Criminalstrafe belegt ist, kann nach genauer Erwägung des gehörig in Gewißheit gesetzten Verschuldens nach dem Gutachten des Geheimenrathscollegii dem Befinden der Umstände nach auf eine andere geringer dotirte Stelle verseht, vom Dienste und der Diensteinnahme auf längere Zeit suspendirt, oder ganz aus dem Dienste entlassen werden. Die vollige Entlassung vom Richteramte kann nur durch Urtheil und Recht verfügt werden.
In Hinsicht auf die untere Staatsdienerschaft kann bei deren Anstellung eine Kündigung des Dienstes vorbehalten, solche aber nie anders als vom Ministerio angewandt werden.
Suspension vom Dienste und von der Besoldung auf höchstens einen Monat und Disciplinarstrafen, die diese Grenzen nicht überschreiten, können von den höhern Verwaltungsbehörden gegen die ihnen untergebene Staatsdienerschaft verfügt werden.

§. 164.
Diejenigen Staatsdiener, welche wegen Altersschwäche oder wegen anderer Gebrechen ihre Berufsobliegenheiten nicht
mehr erfüllen können, und daher in den Ruhestand versetzt werden, sollen eine angemessene Pension nach Maßgabe ihrer Dienstjahre und ihrer Diensteinnahme erhalten.

§. 165.
Keinem Civil-Staatsdiener kann die nachgesuchte Entlassung versagt werden; jedoch muß er sich vor seinem wirklichen
Austritte aus dem Dienste auf Verlangen seiner vorgesetzten Behörde aller ihm deshalb obliegenden Verbindlichkeiten vollständig entledigen.


Dekoration Romkerhall


Schluß.

Alle dem gegenwärtigen Staats-Grundgeseke entgegenstehenden Gesetze und Einrichtungen werden hiemit aufgehoben und außer Kraft gesetzt, und es soll dagegen dies Gesetz überall zur Anwendung kommen.
Abänderungen desselben können nur in Übereinstimmung des Königs und der allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs getroffen und nur in Folge eines, auf zwei nach einander folgenden Diåten gefaßten gleichmäßigen Beschlusses angeordnet werden.
Auch ist zu solchen Veränderungen, mögen sie von der Regierung oder von den Ständen in Antrag gebracht werden, jederzeit erforderlich, daß in jeder Cammer der Ständeversammlung wenigstens die Anzahl von drei Viertel der zum regelmäßigen Erscheinen verpflichteten Mitglieder anwesend ist, und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden für die Veränderung stimmen.

Vorstehendes Grundgeses soll durch die erste Abtheilung der Geseksammlung bekannt gemacht werden.

Gegeben Windsor-Castle, den 26. September des 1833sten Jahrs, Unsers Reichs im Vierten.


Signatur Wilhelm IV. von Hannover &c. &c.
William R.

Dekoration Romkerhall





L. v. Ompteda.






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