Romkerhall
Geschichte der Königlich- Hannoveranischen- Kammergut- Staatsdomäne Romkerhall

Bericht über die Kriegs-Ereignisse

zwischen Hannover und Preußen im Juni 1866.


Als am 15. Juni 1866 der Königlich hannover'schen Regierung die Sommation der Königlich preußischen Regierung übergeben wurde, deren Ablehnung von hannover'scher Seite noch am Abend desselben Tages die preußische Kriegserklärung folgte, befand sich die hannover'sche Armee im vollständigen Friedenszustande.

Die Cavallerie war, wie immer um diese Zeit, zur regelmäßigen Regiments-Exercice versammelt. Die Artillerie, in völliger Friedens-Organisation, hielt in üblicher Weise mit einem Theile der Compagnien ihre Batterie-Exercice. Nur die Infanterie und das Ingenieur-Corps waren ausnahmsweise seit Mitte Mai zu der sonst in der Regel im Herbste stattfindenden Haupt-Exercicerzeit versammelt; die Infanterie mit einem Execier-Etat von 560 Mann per Bataillon, ausschließlich der noch in der ersten Ausbildung begriffenen Recruten.

Von den zu einer Mobilmachung erforderlichen Maßregeln war bis dahin keine getroffen, insbesondere kein Pferd über den Friedens-Etat vorhanden, keinerlei Augmentation an Chargen oder Mannschaft für den Feld-Etat eingetreten, viel weniger irgend Etwas für den Verpflegungs-, Transport- und Hospital-Dienst organisirt. Soeben erst war in Folge des Bundesbeschlusses vom 14. Juni, der die völlige Kriegsbereitschaft des Bundesheeres anordnete, Befehl ertheilt, die noch auf Urlaub befindliche Mannschaft der Infanterie und des Ingenieur-Corps auf den 23. Juni, diejenige der Artillerie und des Train-Corps zum Theil auf den 20. Juni, zum Theil auf noch spätere Termine zum Dienst einzuberufen.

Es war die Absicht gewesen, in der 2. Hälfte des Juni die Truppen zu Uebungen mit gemischten Waffen in combinirten Brigaden zu vereinigen. Solche Concentrirungen von Brigaden verschiedener Zusammensetzung und Stärke sollten an 4 Puncten, nämlich bei Berden, Harburg, Burgdorf und Liebenau stattfinden. Daher kam es, daß beim Eintritt der Wendung vom 15. Juni etwa die Hälfte aller Abtheilungen der Armee sich außerhalb ihrer Garnisonen auf dem Marsche nach den betreffenden Concentrirungsorten befand, und zwar nicht in vollständiger Feldausrüstung, die Infanterie nur mit der Nebenkleidung versehen und mit geringer Mun ition.

Die an diesem Tage von der Armee eingenommene Dislocation (Anlage 1) begünstigte eine Concentration unserer Streitkräfte in dem nordöstlichen Theile des Königreiches, welche bisher für den Eintritt solcher Eventualitäten vorzugsweise in's Auge gefaßt war, oder auch eine rasche Zusammenziehung der Truppen um die Hauptstadt des Landes weit mehr, als eine Vereinigung derselben in dem jeder Vorbereitung für einen solchen Zweck entbehrenden, an Hülfsmitteln armen, südlichsten Landestheile.

Die Hoffnung jedoch, daß es gelingen könnte, mit der Armee den Anschluß an die hessischen und baierischen &c. Truppen zu gewinnen, bestimmte im entscheidenden Augenblicke den Entschluß Seiner Majestät des Königs, die Armee bei Göttingen um sich zu versammeln.

Dieser Entschluß wurde in einem zu Herrenhausen von Seiner Majestät dem Könige abgehaltenen Conseil am 15. Juni etwa um 1 Uhr Mittags gefaßt.

Unmittelbar darauf ergingen mit Hülfe des Telegraphen an sämmtliche Truppen entsprechende Marsch-Befehle, und schon nach 4 Stunden begannen die Eisenbahnzüge, mit denen ununterbrochen bis in die Nacht des 16/17. Juni die gesammte Infanterie, die mit Bespannung versehenen 3 Batterien der Fuß-Artillerie, die höheren Stäbe und das unentbehrlichste Verwaltungs-Personal für die Armee nach Göttingen befördert wurden, wo Seine Majestät der König und Seine Königliche Hoheit der Kronprinz inzwischen am frühen Morgen des 16. Juni anlangten. Die Cavallerie und reitende Artillerie erreichten die dortigen Cantonnements marschirend theils am 17., theils am 18. Juni. An diesen beiden Tagen trafen auch das Ingenieur-Corps, die nicht zu Batterien formirten 6 Compagnien des 1. und 2. Artillerie-Bataillons, die Handwerker-Compagnie und der Stamm des Train-Corps, nebst der Pionier-Schanzzeug- und Brücken-Equipage, sowie einer größeren Zahl unbespannter Geschütze, Artillerie- und Armee-Fuhrwerke in Göttingen ein. Diese waren, weil man erhaltenen Nachrichten zufolge schon für den 16. Nachmittags das Erscheinen der von Minden anrückenden Preußen vor Hannover vermuthet hatte, die Eisenbahn aber in diesem Falle nicht Alles mehr planmäßig hätte fortschaffen können, am Morgen des genannten Tages zu Fuß und mit Vorspannpferden für die Geschütze und Wagen in Marsch gesetzt und nur die letzten Strecken, theils von Alfeld, theils von Salzderhelden ab, mit der Bahn befördert.

Nur durch die freudigste Kraftanspannung aller Truppen, die aufopfernde Thätigkeit und Umsicht der zu selbstständigem Handeln berufenen Vorgesetzten, ganz besonders aber auch durch die wahrhaft ausgezeichneten Leistungen der Königlichen Eisenbahn-Verwaltung konnte es gelingen, in solcher Weise innerhalb dreier Tage die gesammte Armee, mit Ausnahme dreier Compagnien des in Stade belassenen 3. Artillerie-Bataillons, sowie einzelner Detachements, die zum Theil später noch die Armee erreichten, in und um Göttingen zu concentriren. *)

*) Außer der 7. und 8. Fuß-Compagnie und 3. Park-Compagnie des 3. Artillerie-Bataillons konnten nur die aus den Recruten bestehenden Depot-Abtheilungen des 4. (Stader) und 7. Osnabrücker) Infanterie-Regiments und das dem 7. Infanterie-Regiment angehörende Garnison-Detachement von Emden nicht mehr zur Armee herangezogen werden. Diese Abtheilungen mußten später Capitulationen eingehen, und zwar in Stade am 18., in Emden am 21. Juni. Die Depot-Abtheilung des 7. Regiments, unter dem Commando des Prmier_Lieutenants Schneider, welche versucht hatte noch zur Armee zu gelangen, hielt sich längere Zeit in den schwer zugänglichen Mooren zwischen Sulingen und Uchte, und capitulirte daselbst (beim Dorfe Kirchdorf) am 28. Juni.

Dem die Besatzung von Fort Wilhelm bildenden Detachement 2. Infanterie-Regiments und 3. Artillerie-Bataillons unter Commando des Premier-Lieutenants von Hammerstein gelang es, sich heimlich durch die gegen Göttingen operirenden Preußen durchzuziehen und dort am 20. Juni die Armee zu erreichen. Ebenso glückte es dem Premiier-Lieutenant de Pottere mit dem über 60 Pferde starken Depot des Kronprinz-Dragoner-Regiments von Osnabrück aus durch heimliche Märsche bis in Feindesland zu gelangen, und sich am 25. Juni bei Groß-Behringen mit dem Regimente zu vereinigen.

Der das Garnison-Detachement zu Emden commandirende Hauptmann von Düring 7. Infanterie-Regiments, welcher laut Capitulation keine Verpflichtung eingegangen war, nicht gegen Preußen zu dienen, erreichte mit einem Officier und mehreren Unterofficieren seines Detachements über Holland, Belgien und Frankreich den Main, wo er die hannover'schen Reservisten und Freiwilligen, welche die Armee in der Richtung nach Fulda aufgesucht hatten, zu einer Compagnie vereinigte, die auf Anordnung des deutschen Bundes in Mainz ausgerüstet und zur Besetzung dieser Festung verwandt wurde.

Die Anstrengungen, welche viele Abtheilungen zu machen hatten, um ein derartiges Resultat zu erzielen, waren sehr bedeutend, überraschend aber auch die ohne Ausnahme glücklichen Erfolge. Das Königin-Husaren-Regiment z.B. erreichte von Lüneburg aus das Cantonnement bei Göttingen in weniger als 2 1/2 Tagen, in denen es 20 Meilen zu Pferde und noch 11 Meilen per Eisenbahn zurücklegte. Nicht so bedeutende, aber ebenfalls sehr anstrengende Märsche machten das Garde-Husaren-Regiment und beide Dragoner-Regimenter. Dem 4. Infanterie-Regimente mit der 9. Fuß-Batterie aus Stade gelang es (nachdem sie am Nachmittage des 15. Juni, als der Feind schon in Harburg stand, unvorbereitet den Befehl erhalten hatten), durch einen Nachtmarsch von 8 Meilen am nächsten Morgen Stubben zu erreichen, und so auf der Eisenbahn über Bremen glücklich nach Göttingen zu gelangen, wo sie in der Nacht vom 16/17. Juni eintrafen.

Die Königliche Eisenbahn-Verwaltung, deren energische Thätigkeit zunächst die so rasche und vollständige Zusammenziehung der Truppen ermöglicht hatte, unterstützte auch dann noch mit Aufbietung aller Kräfte die nun beginnende Aufgabe der Armee durch unermüdliche Zufuhr des fehlenden Ausrüstungs-Materials aus den Truppen- und Zeughaus-Vorräthen. Auch nachdem die letzten Truppen Hannover schon längst verlassen hatten, dauerte diese Thätigkeit unter patriotischer Mitwirkung vieler Einwohner der Stadt freiwillig fort, bis die Besetzung des Bahnhofes durch preußische Truppen am Nachmittage des 17. Juni den Abgang weiterer Transporte unmöglich machte. Wenn unter solchen Umständen auch Vieles nach Göttingen gelangte, was bei den gegebenen Verhältnissen für die Armee nicht mehr nutzbar zu machen war, so wurde es durch diese Nachschübe von Munition, Waffen, Pferde-Ausrüstungen, Fuhrwerken und Hospital-Effecten &c. doch nur allein möglich, die sehr unvorbereitet in den Kriegszustand versetzten Truppen im Verlaufe von 3 - 4 Tagen einigermaßen schlagfertig und operationsfähig zu machen.


Fortsetzung des officiellen Kriegsberichtes: A




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