Romkerhall
Geschichte der Königlich- Hannoveranischen- Kammergut- Staatsdomäne Romkerhall

28. Juni.


Während der Nacht war der Oberstlieutenant Rudorff zum Generalmajor von Flies gesandt, um einen mehrtägigen Waffenstillstand vorzuschlagen zur Beerdigung der Todten, sowie zur ersten Besorgung der zahlreichen Verwundeten, unter denen sich auch die Mehrzahl der verwundeten Preußen befand. Bei unseren ganz unzulänglichen Lazareth-Einrichtungen war es unmöglich, in angemessener Weise für so viele Verwundete zu sorgen, wenn die Operationen sofort ihren Fortgang nahmen.

Der preußische General, welcher sich in Warza bei Gotha befand, lehnte einen Waffenstillstand ab. Als der Oberstlieutenant Rudorff indeß für den nächsten Morgen einen Angriff gegen Gotha in Aussicht stellte, zugleich aber die Bereitwilligkeit Seiner Majestät des Königs versicherte, gegen freien Durchzug mit der Armee nach dem Süden sich noch jetzt zur Nichttheilnahme an Feindseligkeiten gegen Preußen auf einen Zeitraum von 8 Wochen zu verpflichten, behielt sich der General eine devinitive Entscheidung bis zum Eintreffen telegraphisch nachgesuchter Instructionen aus Berlin vor. Diese Entscheidung wurde um 9 Uhr Vormittags durch einen Parlamentär in das Hauptquartier überbracht, lautete aber dahin, daß alle Anträge in Berlin zurückgewiesen seien.

Es fragte sich nun, was geschehen sollte.

Ein Angriff gegen Gotha, so viel Erfolg der Zustand des geschlagenen feindlichen Corps auch versprechen mochte, mußte aufgegeben werden, weil die Armee trotz ungebeugtem Sinn und festem Selbstvertrauen doch einem nachhaltigen Kampfe und neuen rastlosen Märschen wegen ausgehender Munition und Mangels an physischen Kräften in Folge der aufreibensten Entbehrungen und Strapazen nicht mehr ausgesetzt werden durfte; zumal da ein endliches Gelingen unseres Durchbruches nach dem Süden doch nicht mehr zu hoffen war.

Der commandirende General, der Chef des Generalstabes, der General-Adjutant, die Brigade-Commandeure und der Commandeur der Artillerie gaben in diesem Sinne vor Seiner Majestät dem Könige die in der Anlage 20 enthaltene einmüthige Erklärung ab.

Als dann am Nachmittage gegen 2 Uhr von den Vorposten der Brigade Knesebeck die Meldung einging, daß die Vortruppen der Division Goeben auf der Straße von Eisenach sich zeigten, als von der Brigade de Baur das Erscheinen feindlicher Truppen bei Kirchheiligen und von der Brigade Bothmer, welche nach Gr. Gottern und Thamsbrück zu marschiren befehligt war, ein Zusammenstoß mit den schon im Besitze von Gr. Gottern befindlichen Vortruppen des Manteuffelschen Corps gemeldet wurde, konnte man sich der Ueberzeugung nicht mehr verschließen, daß die Armee von einer Uebermacht eingeschlossen war, welche eine Gegenwehr nur noch als zweckloses Blutvergießen erscheinen ließ.

Seine Majestät der König befahl daher dem commandirenden General, eine militärische Capitulation abzuschließen, und verkündigte diesen Entschluß der Armee durch die anliegende Proclamation (Anlage 21).


Den Truppen wurde sofortige Einstellung der Feindseligkeiten befohlen. Höhere Officiere begaben sich zu den Commandeuren der gegenüberstehenden preußischen Corps, um die Bereitwilligkeit des Generallieutenants von Arentsschildt zum Eingehen einer Capitulation zu erklären, und demzufolge auch auf preußischer Seite die Sistirung der Angriffsmaßregeln zu bewirken. Generalmajor von dem Knesebeck, welcher auf Allerhöchsten Befehl zur Erwirkung möglichst günstiger Capitulations-Bedingungen bei Seiner Majestät dem Könige von Preußen nach Berlin reisen sollte, konnte die dazu erforderliche Genehmigung vom Generalmajor von Flies nicht erlangen. Doch hatte die Sendung den Erfolg, daß auf telegraphische Meldung nach Berlin Seine Majestät der König von Preußen den Generallieutenant von Manteuffel speciell mit dem Abschluß der Capitulation beauftragte, und durch denselben in ehrender Weise so günstige Bedingungen bewilligte, wie sie unter den obwaltenden Verhältnissen überhaupt zu hoffen waren.

Noch ehe der Generallieutenant von Manteuffel mit dem Generallieutenant von Arentschildt in Verbindung treten konnte, überbrachte der Major Wiebe vom Generalstabe des commandirenden Generals von Falckenstein am 28. Juni Abends spät die Capitulations-Bedingungen dieses Generals, deren Annahme der General von Arentschildt schriftlich zu erklären hatte, worauf der Major Wiebe zur Regelung der Ausführungs-Bestimmungen mit demselben bevollmächtigt war *)

*) Der Generallieutenant von Arentschildt erhielt, während er bereits mit Major Wiebe verhandelte, durch einen Parlamentär vom General-Major von Flies die Nachricht, daß der General-Lieutenant von Manteuffel mit dem Abschluß der Capitulation beauftragt sei.

General von Arentschildt unterwarf sich diesen Bedingungen mit dem vom Major Wiebe acceptirten Vorbehalte, damit vortheilhafteren Bedingungen, welche zu gewähren General von Manteuffel etwa ermächtigt sein würde, nicht vorzugreifen. Noch während der Nacht wurde über die Ausführung der Capitulation das Erforderliche verhandelt und zu deren Vollzuge für den nächsten Tag alle Einleitungen getroffen.

Die Armee hatte ihre Stellungen während des 28. Juni im Wesentlichen nicht verändert. Ihre Hauptthätigkeit wurde durch die Unterbringung und Pflege der Verwundeten, geordnete Einrichtung der Hospitäler, Aufsuchungen und Beerdigung der todten, sowie durch Anstrengungen zur Herbeischaffung von Lebensmitteln in Anspruch genommen. Die Verpflegungsschwierigkeiten hatten den äußersten Grad erreicht. Schon aus diesem Grunde fühlte man sich veranlaßt, die zahlreichen Gefangenen möglichst bald dem Gegner zurückzugeben, deren 907 nicht verwundete, darunter 10 Officiere, am Nachmittage dem Commando des preußischen Corps bei gotha zugeschickt wurden.


Fortsetzung des officiellen Kriegsberichtes: 29. Juni



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