Romkerhall
Geschichte der Königlich- Hannoveranischen- Kammergut- Staatsdomäne Romkerhall

26. Juni.


Der commandirende General beabsichtigte, den in Aussicht stehenden Angriff in einer Stellung bei Groß- und Oster-Behringen zu erwarten. Es wurden daher am frühen Morgen sämmtliche Brigaden mit Ausnahme der Brigade Knesebeck auf diesem Puncte concentrirt. Die Brigade Knesebeck in ihrer Stellung bei Henningsleben erhielt Befehl, dieselbe zu behaupten und eventuell den Rückzug der Armee über Langensalza zu decken. Als dennoch ein Angriff bis etwa 5 Uhr Morgens nicht erfolgt war, vielmehr ein um diese Zeit eintreffender Parlamentär die Nachricht brachte, daß der General von Falckenstein nunmehr officielle Kenntniß von dem Waffenstillstande erhalten habe und daß dieser nunmehr werde respictirt werden, erhielten sämmtliche truppen den Befehl, in die durch die Ordre vom  25. Juni (Anlage 17) befohlenen Cantonnements abzurücken.

Die Batterien von Hartmann und Blumenbach traten damit zur Artillerie-Reserve, das Garde-Husaren-Regiment zur Brigade Bothmer zurück; die bisherige Arriergarde der Armee wurde aufgelöst und deren Bestandtheile (1. Jäger-Bataillon und 2. Schwadronen des Herzog von Cambridge-Dragoner-Regiments) mit der Brigade de Baur wieder verreinigt.

Die Brigaden Bülow und Knesebeck, die Reserve-Cavallerie und Reserve-Artillerie nahmen um Mittag die ihnen angewiesenen Cantonnements ein; das Hauptquartier kehrte nach Langensalza zurück. Die Brigade de Baur aber wurde auf ihrem Marsche von Oster-Behringen nach Langensalza über Henningsleben nördlich von dem letztgenannten Orte durch die von feindlicher Seite ihr zugehende Anzeige überrascht, daß man in 1/2 Stunde angreifen werde. Die nach Wiegleben, Aschara und Eckartsleben bestimmten Garde-Husaren der Brigade Bothmer stießen gleichzeitig auf preußische Cavallerie, welche ihnen feindlich gegenübertrat, nachdem sie vorher schon die Quartiermacher des Regiments zu Gefangenen gemacht hatte. Der Oberst de Baur sah sich daher genöthigt, bei Henningsleben Stellung zu nehmen, die nächststehenden Abtheilungen der Brigade Bothmer (Garde-Husaren-Regiments) an sich zu ziehen, und in dieser Aufstellung weitere Befehle aus dem Hauptquartier zu erwarten.

Das Verhalten des Feindes wurde durch den Oberstlieutenant Rudorff bald aufgeklärt. Dieser hatte kurz vorher den Auftrag erhalten, mit der Antwort Seiner Majestät des Königs nunmehr über Gotha nach Berlin zu reisen und schon von gotha ab telegraphisch seine, durch die Schuld des generals von Falckenstein verzögerte ankunft dort anzukündigen. Diese Reise wurde wiederum nicht zugelassen, und zwar dieses Mal von Seiten des Generalmajors von Flies, den der Oberstlieutenant Rudorff als Commandirenden der jetzt bei Gotha vereinigten Truppen in einem Dorfe nördlich der Stadt (Westhausen oder Warza) antraf. Der preußische General erklärte den Waffenstillstand seit 10 Uhr Morgens für abgelaufen und daß er Befehl zum Vorrücken habe. Er gestattete jedoch dem Oberstlieutenant die Absendung des in der Anlage (17) enthaltenen Telegrammes an Seine Majestät den König von Preußen. Da in demselben Momente dem General von Flies durch einen Parlamentär die durch preußische Cavallerie veranlaßte Collision mit dem Garde-Husaren-Regimente bei dessen friedlichem Einrücken in das Waffenstillstands-Cantonnement notificirt wurde, so ließ sich derselbe bereit finden, den angekündigten Vormarsch noch um 2 Stunden hinauszuschieben, wodurch Oberstlieutenant Rudorff Zeit erhielt, den commandirenden General von den Absichten des Feindes in Kenntniß zu setzen.

Es wurde beschlossen, dem Vorrücken des Feindes Widerstand entgegenzusetz, und dazu vom Generallieutenant von Arentschildt, der in der Anlage (18) enthaltene Befehl erlassen. Die Brigade de Baur verblieb demnach mit dem Garde-Husaren-Regimente und der Batterie Mertens in ihrer Stellung bei Heningsleben, während der Generalmajor von Bothmer Graefen-Tonna in Vertheidigungszustand setzen ließ, und den größeren Theil seiner Infanterie schon bei Rägelstebt concentrirt hatte. Die Reserve-Cavallerie-Brigade erhielt die bisher der Brigade Bülow zugetheilt gewesene reitende Batterie Röttiger überwiesen.

Kurz nach Mittag traf im Hauptquartiere Seiner Majestät des Königs der Königlich preußische Oberst von Döring als Parlamentär von Berlin ein. Der Oberst überbrachte eine Depeche des Minister-Präsidenten Grafen Bismarck, worin derselbe nochmals ein Bündniß unter den bereits in der Sommation am 15. Juni aufgestellten Bedingungen anbot. Der Oberst erklärte jedoch, bevor er die Depeche vorlas, daß sein Auftrag thatsächlich erledigt sei, da die Truppen des Generals von Falckenstein schon im Begriffe seien anzugreifen. Die Annahme dieses Anerbietens konnte somit also, nach der Erklärung des Ueberbringers selbst, nicht mehr von Erfolg sein.

Der angekündigte Angriff erfolgte wiederum nicht; vor der Stellung der Brigade de Baur zeigte sich im Laufe des Nachmittags nichts als kleine Cavallerie-Abtheilungen, welche beim Vorreiten unserer Dragoner stets eilig zurückwichen. Außerdem erfuhr man mit Bestimmtheit, daß auf der Straße von Eisenach kein Feind stehe und die Division Goeben von dort in anderer Richtung, - man glaubte auf Mühlhausen, um uns die Rückzugslinie zu verlegen, - abmarschirt sei.

Es entstand daher die Idee und wurde erwogen, den General von Flies in seiner Stellung bei Gotha am nächsten Morgen anzugreifen. Der Plan scheiterte jedoch an der die Oberhand gewinnenden Ueberzeugung, daß die dann in 3 Nächten nicht zur Ruhe gekommenen, schon seit mehreren Tagen mit Mangel an Lebensmitteln kämpfenden Truppen zu einer Offensive nicht frisch genug sein würden. Man zog eine Defensivstellung vor, in welcher die Armee gegen einen überlegenen, von mehreren Seiten gleichzeitig erfolgenden Angriff Front machen konnte, und fand eine dazu geeignete Position hinter der durch die Ortschaften Thamsbrück, Mexleben und Rägelstedt bezeichneten Linie der Unstrut á cheval der durch Merxleben führenden Straße nach Sondershausen.

Diese Stellung wurde in der Nacht vom 26 / 27. Juni mit der Armee eingenommen.


Fortsetzung des officiellen Kriegsberichtes: 27. Juni



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