23. Juni.
Die Disposition erfuhr bei der Ausführung einige Abänderungen, indem der Vormarsch auf Langensalza und Oster-Behringen am 23. Juni in nachstehender Weise bewerkstelligt wurde:
Die Reserve-Cavallerie wurde zur Brigade Bülow dirigirt und dem Commando des Obersten von Bülow mit unterstellt.
Während die Vortruppen der Brigade Knesebeck von Felchta gegen Langula vorgingen, avancirte das Gros dieser Brigade mit der Reserve-Artillerie bis südlich von Höngeda und mußte hier aufmarschiren, um das Herankommen der Brigaden von Bothmer und de Baur zu erwarten. Gewehrfeuer, welches aus der Richtung von Felchta ertönte, ließ eine Zeit lang glauben, daß die dort vorgehende Abtheilung auf den Feind gestoßen sei, bis sich herausstellte, daß nur ein unüberlegtes Ausschießen von Gewehren bei Infanterie-Abtheilungen in der Nähe von Felchta und Mülhause stattgefunden hatte.
Etwa um 8 Uhr Morgens traf die brigade Bothmer zwischen Mühlhausen und Höngeda ein, konnte aber den Marsch nicht fortsetzen, ohne zuvor mit Lebensmittel versehen zu werden, da besonders ungünstige Umstände die Verpflegung dieser Abtheilung am vorhergehenden Tage fast ganz vereitelt hatten. Der commandirende General ließ deshalb mittelst Requisition binnen einer Stunde aus Höngeda zusammengebrachte Vorräthe an die Brigade austheilen und diese längere Zeit nördlich von Höngeda ruhen, während die etwa um 9 Uhr dort angelangte Brigade de Baur vorgezogen wurde, um nun an ihrer Stelle gleichzeitig mit der Brigade Knesebeck nach Langensalza vorzurücken.
Inzwischen war der Hauptmann Krause vom Generalstabe mit 1 Schwadron des Königin-Husaren-Regiments nach Langensalza vorausgesandt und halb 10 Uhr dort eingetroffen, ohne feindliche Truppen vorzufinden. Die Telegraphen-Leitung nach Gotha und Erfurt war von ihm zerstört und die Stadt durch die Schwadron besetzt. Unter ihrem Schutze ordnete der bald darauf eintreffende General-Adjutant Oberst Dammers bis zu dem erst nach 2 - 3 Stunden erfolgenden Einrücken weiterer Truppen umfassende Verpflegungsmaßregeln für die Armee an.
Die Brigaden Knesebeck und de Baur erreichten Langensalza, die erstere über Seebach, Heroldshausen und Schönstedt, etwa um 1 Uhr, die letztere auf der Chaussee gegen 3 Uhr Nachmittags. Ihre Vortruppen wurden gegen Gotha bis Henningsleben, in der linken Flanke nach Meerleben vorgeschoben. Die bei Langula postirte Abtheilung der Brigade Knesebeck traf, nachdem sie den Tag über in der ihr angewiesenen Stellung verharrt hatte, ohne mit dem Feinde in Berührung zu kommen, in der Nacht bei dem Gros wieder ein.
Die Brigade Bothmer rückte in Folge der abgeänderten Disposition nach Gr. Gottern,
die Reserve-Artillerie &c. nach Langensalza und Schönstedt,
das Hauptquartier nach Langensalza,
der Armee-Train nach Höngeda,
die Arriergarde nach Mühlhausen.
Die Brigade Bülow, welcher die Reserve-Cavallerie folgte, war über Mülverstedt und Weberstedt nach Reichenbach gerückt, in ihrer rechten Flanke von einer feindlichen Husarenpatrouille aus der Ferne beobachtet, sonst aber in keiner Weise vom Feinde belästigt. Am Abend stand sie mit dem Gros im Bivouac östlich von Oster-Behringen, ihre Avantgarde in Groß-Behringen; die Reserve-Cavallerie nebst der ihr zugetheilten Batterie Röttinger im Bivouac westlich von Tüngeda, mit Vorposten gegen Sonneborn und Gotha.
Von hier aus wurde, der Disposition entsprechend, der Major von Arentschildt vom Generalstabe mit einem Pionier-Detachement (Hauptmann Götze) und der 4. Schwadron des Garde-Cürassier-Regiments (Rittmeister v. Hammerstein) Abends gegen MEchterstedt entsandt, um westlich dieses Orts die von Gotha nach Eisenach führende Eisenbahn und den Telegraphen zu zerstören. Es wurde feindliche Cavallerie und Infanterie an der Eisenbahn angetroffen, von welcher das Detachement Feuer empfing. Dennoch versuchten die Pioniere, durch die Dunkelheit begünstigt, an einem passenden Puncte die Schienen-Stöße der Eisenbahn mit Pulver zu zerstören und die Telegraphen-Drähte zu zerschneiden, indeß nur mit sehr unvollkommenem Erfolge, worauf das Detachement sich zurückziehen mußte und gegen Morgen bei Oster-Behringen und Tüngeda wieder eintraf.
Mittlerweile war durch das Erscheinen eines preußischen Parlamentärs am 23. Juni der Anstoß zu militärischen Verhandlungen mit dem Feinde gegeben. Als solcher traf nämlich, während die Brigade Knesebeck den längeren Aufenthalt bei höngeda hatte, der gothaische Hauptmann von Zielberg dort ein, mit der Erklärung, von dem Obersten von Fabeck, Commandeur des gothaischen Contingents, im Auftrage des Chefs des Königlich preußischen Generalstabes, General-Lieutenants von Moltke zu Berlin, an den Commandirenden der hannover'schen Truppen nach Heiligenstadt abgesandt zu sein, um, da sie von allen Seiten umstellt seien, deren Waffenstreckung zu fordern *)
*) Das bezügliche Telegramm lautete nach der Absichrift im Taschenbuch des Hauptmanns von Zielberg, welche Oberst Cordemann copirt hat:
Telegramm
Oberst von Fabeck. Eisenach. Commandeur des Regis. Gotha.
Sie haben sogleich durch Parlamentär mit dem bei Heiligenstadt commandirenden hannover'schen General dahin zu verhandeln, daß derselbe die Waffen streckt, weil er von allen Seiten umstellt sei.
Dabei ist anzufragen, ob König bei den Truppen anwesend.
Unterzeichnet:
Moltke.
Diese Forderung wurde in gebührender Weise zurückgewiesen. Die dem Hauptmann von Zielberg als Parlamentär mangelnde Legitimation bot indeß einen Anlaß, zu näherer Aufklärung darüber, selbst einen Parlamentär abzusenden und damit, wie es für alle Fälle gerathen sein mochte, nicht sofort jede Verhandlung gänzlich abzuschneiden. Seine Majestät der König bestimmten den Major von Jacobi zu dieser Mission, welcher sich demnach am Nachmittage nach Gotha begab, mit dem Auftrage, durch Vermittlung des dortigen Truppen-Commando's zu dem ausgesprochenen Zwecke mit dem General von Moltke in Communication zu treten. Man durfte hoffen, durch diesen Officier zugleich genauere Auskunft über das nach Gotha zu passirende Terrain und wo möglich auch bestimmtere Nachrichten über die uns gegenüberstehenden Streitkräfte zu erhalten.
Aus verschiedenen Mittheilungen, die man im Hauptquartier erhalten hatte, ließ sich entnehmen, daß die Zahl der bei Gotha stehenden Truppen keine bedeutende war. 7 Landwehr-Dragoner, welche am Nachmittage von den Vorposten der Königin-Husaren bei Henningsleben zu Gefangenen gemacht wurden, sagten übereinstimmend aus, daß sie erst in der vorhergehenden Nacht von Erfurt ausgerückt seien. Nach sonstigenNachrichtenkonnte man vermuthen, daß außer 2 Schwadronen dieser Landwehr-Cavallerie nur etwa 5 Bataillone nebst Artillerie eine halbe Meile vor Gotha bei Warza ständen.
Hierauf gründete sich der am Nachmittage des 23. Juni gefaßte bestimmte entschluß, die Besitznahme von Gotha am folgenden Tage zu erzwingen. Zu diesem Zwecke wurde die anliegende Disposition (Anlage 13) ausgegeben. Die Brigade Bülow mit der Rserve-Cavallerie, welchen die zufiel, von Oster-Behringen aus gegen Gotha vorzudringen, erhielt außerdem die Instruction, 1 Bataillon und 1 Schwadron in die Gegend von Fröttstedt zu detachiren, um etwa von Eisenach her erscheinenden Truppen entgegen zu treten.
Noch an demselben Abend traf eine Meldung des Lieutenants von Ahlfeldt des Königin-Husaren-Regiments im Hauptquartiere ein, wonach derselbe mit einer Recognoscirungspatrouille bis nach Eisenach hinein vorgeritten war und diese Stadt - abgesehen von einem gothaischen Depot, dessen Commandant sich neutral erklärt habe - gänzlich unbesetzt gefunden hatte.
Fortsetzung des officiellen Kriegsberichtes: 24. Juni